Deine 7 Jobs als Gründer-CEO

Was ist mein Job als Gründer-CEO?

Diese Frage diskutiere ich regelmäßig mit Gründern in der Series A.

Du hast es geschafft. Euer Unternehmen hat sich am Markt etabliert. Euer Team ist auf 80 und mehr Mitarbeiter angewachsen. Ihr habt tolle Experten im Team, die ersten Senior Hires. In fast allen Bereichen gibt es jetzt Teamleads. Du musst immer weniger selbst machen.

Ein fantastischer Erfolg. Denn 80% der Startups schaffen es nicht mal bis zur Series A.

Und doch ist die Stimmung vieler Gründer in dieser Phase angeschlagen. Der klassische Gründer-Blues. Das Gefühl, keinen relevanten Beitrag mehr zu liefern.

Du fragst dich: „Welchen Wert habe ich, wenn ich aus der ganzen operativen Arbeit raus bin?“

Auch wenn du dich schon lange CEO nennst – der eigentliche Schritt steht erst jetzt an. Du wirst zum Gründer-CEO. Und verlagerst damit den Schwerpunkt deiner Arbeit auf ganz neue Felder.

Was die 7 Jobs starker Gründer-CEOs sind und was sie für dich bedeuten, ist der Fokus dieses Blogartikels.

Mein Job als Scaleup CEO

Eins ist klar. Auch als CEO hast du weiterhin alle Hände voll zu tun. Ich habe das selbst in meiner aktiven Zeit erlebt. Gelangweilt habe ich mich nie.

Nehmen wir mal meinen Job als CEO von affilinet. Operativ war ich in diesem Job nie tätig. Bin direkt als CEO eingestiegen. 190 Mitarbeiter in 7 europäischen Ländern. Als AG was Affilinet zu dieser Zeit zwar schon weitgehend in den Händen der United Internet, aber dennoch an der Börse notiert. Hauptsitz war in München.

Ich hatte 10 Direct Reports – die sieben Chef:innen der Landesgesellschaften, den Head of Strategie, die Head of Marketing und den Head of Product.

Typisch waren in diesem Job 60-Stunden-Wochen. Und wie verteilten die sich?

Mit den Führungskräften in München und meine Vorstandskollegen, dem CFO und dem CTO hatte ich wöchentliche Jour Fixes. Damit war schon mal ein knapper Tag durch.

Jede Woche war ich zwei Tage bei den europäischen Landesgesellschaften. Ein halber Tag Business Review mit den Landeschef:innen,die andere Tageshälfte Austausch mit den Teams. Ich sprach mit einzelnen Menschen und mit Teams über das Unternehmen, die Märkte und unsere Strategie. Und ich ließ mir ihre Arbeit vorstellen, stand ihnen als Coach und Sparringspartner zur Seite.

Der zweite Tag galt dem Markt: Austausch mit wichtigen Kunden und Partnern, Branchenevents. Mein Job dabei: Unsere Story präsentieren, eine Vision für den Markt zeigen und ein Gefühl für Trends und Bedürfnisse gewinnen. All das half mir, den Markt und seine Dynamik zu verstehen. Essenzieller Input für die Weiterentwicklung der Strategie.

Einen halben Tag pro Woche widmete ich mich der Suche und Weiterentwicklung von Top Talenten für unsere Schlüsselpositionen. Mir war es wichtig, im guten Kontakt mit allen High Performern im Unternehmen zu stehen. Das Signal: Ich sehe dich! Du bist mir wichtig.

Alle zwei Monate trafen wir uns für 1,5 Tage mit dem erweiterten Führungsteam. Die Teilnehmer: Der Vorstand und alle meine Direct Reports. Mit mir 13 Menschen – eigentlich eine viel zu große Runde. Wir schauten uns die Performance an und arbeiteten gemeinsam an strategischen Projekten. Und wir nahmen uns Zeit für das persönliche Kennenlernen – ohne tiefe Verbundenheit kein Vertrauen.

Einmal im Quartal stellten wir uns als Vorstand dem Aufsichtsrat: Reporting und Diskussion der Strategie. Vor illustrer Runde: Ralph Dommermut und Michael Scheeren, ehemaliger CFO von United Internet gehörten zu den Mitgliedern.

Die übrige Zeit – je nach Woche 1-2 Tage – war strategischen Projekten gewidmet:

  • Die Neuausrichtung des Unternehmens in einem stagnierenden Markt,
  • der Aufbau neuer Länder und Geschäftsfelder: Schweiz, Programmatic Buying…
  • Das Revival der affilinet Identität und Kultur
  • Ein Unternehmenszukauf und dessen Integration (Autsch – ganz schlechte Entscheidung 🙈)

Meine To Do Liste war endlos. Um so wichtiger war es, immer wieder zu schauen: Mache ich wirklich nur das, was nur ich machen kann? Mit einem super Coach diskutierte ich regelmäßig meine Arbeit. Sein Input hat mir unglaublich weitergeholfen.

Zusammen ergibt das einen ziemlich intensiven Job. Und das ist nicht mal alles, was auf der Liste eines Gründer-CEOs steht. Ich hatte immerhin den großen Vorteil, dass erst mal keine weiteren Finanzierungsrunden anstanden…

Aber nun raus aus dem konkreten Beispiel, rein in die 7 Jobs eines Gründer-CEOs.

Job #1: Strategisch Führen

Gib mutig die Richtung vor.

Du kennst den Markt und dein Unternehmen. Richte das Team mit einem begeisternden Nordstern aus und definiere den Weg dahin. Und schlage den Takt für die Umsetzung.

Dazu gehören 4 Arbeitsbereiche.

  • Tiefe Marktkenntnis: Deine Marktverständnis hat dich deine Company gründen lassen. Bleib am Ball und entwickle ein starkes Gefühl für Marktdynamiken. Spüre die Veränderungen und gib den Impuls für notwendige Strategieanpassungen.
  • Starke Mission & Vision: Finde den Sweet Spot zwischen Markt und euren Kompetenzen. Schafft eine begeisternde Vision. Aber nicht im stillen Kämmerlein: Involviere dein Leadership Team und sichere damit ihr Committment
  • Mutige Strategie, fokussierte Ressourcen: Definiere eine Strategie, die euch eure Vision jeden Tag einen Schritt näher bringt. Triff mutige, große Entscheidungen und unterstütze sie mit einem fokussierten Ressourceneinsatz.
  • Klare Ziele, enge Taktung. Etabliere ein effektives Management Operations System, das eure Strategie systematisch in klare operative Ziele übersetzt. OKR, Bids, all das ist geeignet, die richtige Taktung in der Umsetzung zu garantieren.

Challenge deine strategische Führung mit der Leitfrage: Bin ich mutig genug?

Job #2: Organisation Ausrichten

Das Softe ist das Harte.

Sei das Mastermind hinter eurer Organisation. Skaliert euch mit einer Wachstumskultur und einer Struktur mit klaren Verantwortlichkeiten. Stell sicher, dass ihr eure Schlüsselpositionen jederzeit optimal besetzen könnt.

Dazu gehören 3 Arbeitsbereiche.

  • Wachstumskultur: Eure Kultur ist der größte immaterielle Wert eures Unternehmens. Anfangs habt ihr sie automatisch gelebt. Jetzt müsst ihr sie gestalten. Definiert eure Kernwerte, zeigt was euch wichtig ist und lebt es vor. Tag für Tag.
  • Agile & stabile Struktur: Schafft eine Struktur, die zwei scheinbare Gegensätze vereint: Ein stabiler Kern mit agilen Elementen. Stellt sicher, dass jeder seinen Beitrag und seine Verantwortung kennt und sich dafür accountable halten lässt.
  • Talent Management: Besetzt eure Schlüsselrollen mit dem besten, passendsten Leuten. Such neue Talente, bevor du sie brauchst – in und außerhalb eurer Company. Schaffe eine Talent-Pipeline, die du bei Vakanzen sofort aktivieren kannst.

Challenge deine Arbeit an der organisatorischen Ausrichtung mit der Leitfrage: Nehme ich die weichen Orga-Themen ernst genug?

Job #3: Leadershipteam Aufbauen

CEO in groß, Unternehmen in klein.

Das Leadershipteam skaliert deine Verantwortung und ist dein Transmissionsriemen in die Organisation. Sein Aufbau ist eine eigene Führungskompetenz.

Dazu gehören 4 Arbeitsbereiche:

  • Das richtige Team: Schaffe ein Leadership Team mit komplementären Kompetenzen. Investiere in den Teamzusammenhalt. Und fördere eine Kooperation, die über die Grenzen des Teams hinaus geht.
  • Die richtigen Themen: Fokussiert euch auf Themen, die nur ihr im Team machen könnt. Und die einen nachhaltigen Impact haben. Stellt sicher, dass ihr euch nicht verzettelt.
  • Im Groove sein:  Etabliert einen Arbeitsrhythmus, der Raum für operative UND strategische Themen gibt. Euer Ziel: Fokus in der Strategie, Schnelligkeit in der Umsetzung.
  • Effektive Entscheidungen: Gute, konsequent umgesetzte Entscheidungen sind der Output eurer Arbeit. Strukturierte, datengetriebene Entscheidungsprozesse helfen euch dabei.

Challenge deine Arbeit an der organisatorischen Ausrichtung mit der Leitfrage: Habe ich ein echtes High Performance Team geschaffen?

Job #4: Investoren Gewinnen

Ausreichend Wasser unterm Kiel halten.

Die Investorengewinnung ist für Gründer-CEOs noch viel zentraler als für CEOs etablierter Unternehmen. Denn ohne neues Funding ist eure Reise ganz schnell zu Ende.

Dazu gehören 3 Arbeitsbereiche:

  • Gute Storyline: Du hast eine super Strategie – du musst sie aber auch verkaufen können. Nicht jede Strategie passt in das Funding-Marktumfeld. Finde die richtige Balance.
  • Fundingrunden: Eigentlich ist immer Fundingrunde. Stell dein Unternehmen so auf, dass du jederzeit in das nächste Funding gehen könntest. Klare Story, gute KPI, exzellenter Track Record, Top Team. Das sind die großen Hebel.
  • Investoren Management: Kenne deine Trauminvestoren und baue frühzeitig einen intensiven Kontakt auf. Denke immer schon eine Runde weiter. Schaffe Vertrauen bevor du es brauchst.

Challenge eure Investorengewinnung mit der Leitfrage: Kann ich jederzeit meine Wunschinvestoren gewinnen?

Job #5: Beirat Steuern

Hilf deinem Board dir zu helfen.

Neben dem Leadership Team ist dein Beirat dein wichtigstes Support Team. Mach es zu einem echten Partner. Das geht nur mit Vertrauen und Transparenz auf beiden Seiten.

Dazu gehören 3 Arbeitsbereiche:

  • Vertrauensvolle Beziehungen: Schaffe Vertrauen durch radikale Transparenz. Baue eine enge Beziehung zum Beiratsvorsitzenden und gute Verbindungen mit jedem einzelnen Mitglied auf. Schaffe Kontakte zwischen Beirat und eurem Leadership.
  • Richtige Kompetenzen, gut genutzt: Nutze die gesammelte Weisheit des Beirats. Klärt die Rollen der Mitglieder. Aufsicht vs. Beratung? Wer bringt sich wie ein? Stell sicher, dass der Beirat euer Unternehmen wirklich versteht. Passt den Beirat an eure Bedürfnisse an.
  • Effektive Boardmeetings: Bereitet die Meetings gut vor. Versteht die Bedürfnisse aller und klärt wichtige Themen im Vorfeld. Schafft einen klaren Fokus auf die Zukunftsthemen. Lass das Board sich selbst steuern.

Challenge dein Beiratsmanagement mit der Leitfrage: Nutze ich das Wissen meines Beirats bestmöglich?

Job #6: In Der Welt Verankern

Verantwortlich handeln.

Mit unseren Unternehmen sind wir Teil unserer Gesellschaft. Wir tragen Verantwortung für die Menschen um uns herum und für unsere Umwelt. Heute und in Zukunft.

Dazu gehören 3 Arbeitsbereiche:

  • Gesellschaftliche Verantwortung: Macht euch klar, was euer Beitrag zur Gesellschaft ist – euer „Why“ und verankert ihn tief im Unternehmen. Nutzt eure Stärken, schafft einen Impact. Steht auch in schwierigen Zeiten für eure Mission ein.
  • Effektive Stakeholder Interaktionen: Verstehe, was eure Stakeholder bewegt. Was ist ihr Why? Beantworte es mit einem einheitlichen Narrativ. Begrenze die Zeit, die du „draußen“ verbringst – die Möglichkeiten sind unendlich. Deine Zeit nicht.
  • Krisenmanagement: Wahre Haltung zeigt sich in der Krise. Macht zu kritischen Themen regelmäßige Stress-Tests. Etabliert einen War Room. Bewahrt eure langfristige Perspektive. Sei in der Krise ein sicherer, zuversichtlicher Leader. Das schafft Vertrauen.

Challenge dein Stakeholdermanagement mit der Leitfrage: Werden wir unserer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht?

Job #7: Persönliche Effektivität sichern

Tu nur, was nur du tun kannst.

Ständig jonglierst du mit mehreren Bällen. Stress ist die Normalität. Das geht nur, wenn du in deiner Energie bleibst und einen klaren persönlichen Anker hast. Denn nur dann kannst du der CEO deines Teams werden, der Chief Energy Officer.

Dazu gehören 3 Arbeitsbereiche:

  • Zeit- und Energiemanagement: Arbeite wie ein Top Athlet: Wechsle zwischen An- und Entspannung. Organisiere deinen Tag rund um deine Energiebooster. Plane Puffer für Unerwartetes ein. Baue dein Support Team: Coaching, Assistenz, Chief of Staff. 
  • Growth Leadership Mindset: Stell sicher, dass du immer in deinem Besten Ich bleibst. Konsistenz schafft Vertrauen. Leadership ist lernbar – baue dein eigenes Entwicklungsprogramm. Und strahle immer Zuversicht und Hoffnung aus. Das ist dein Job.
  • Demütige Ambition: Sei ein Level 5 Leader: Demütig und unglaubliche ambitioniert zugleich. Es geht nicht um dich, sondern um das große Ganze. Sei dankbar: Für eure Erfolge, deinen Support, eure Chancen und eure Lernerfahrungen.

Challenge deine persönliche Effektivität mit der Leitfrage: Bin ich der CEO – Chief Energy Officer meines Teams?

Key Take Aways

Du hast es geschafft. Ihr habt eine super Series A-Finanzierung. Euer Team ist auf 100 und mehr Mitarbeiter angewachsen. Du machst immer weniger selbst, hast tolle Experten im Team, vielleicht auch schon die ersten VPs eingestellt.

Zeit der CEO zu werden, den dein Team jetzt braucht. Wirklich in die übergreifende Führung zu gehen. Aber was ist der Job eines CEO. Vor allem der eines Gründer-CEOs?

Als Gründer-CEO hast du 7 Aufgabenfelder:

  • Strategisch führen – Mutig die Richtung vorgeben: Nutze deine tiefe Marktkenntnis um eure Mission & Vision zu definieren. Treffe mutige strategische Entscheidungen und takte die Umsetzung.
  • Organisation ausrichten – Das Softe ist das Harte: Schafft eine Wachstumskultur. Gebt euch eine flexible Struktur mit klaren Verantwortlichkeiten. Stell sicher, dass ihr eure Schlüsselpositionen jederzeit optimal besetzen könnt.
  • Leadershipteam aufbauen – CEO in Groß, Unternehmen in klein. Bringe die richtigen Menschen zusammen. Orchestriere ihre Zusammenarbeit mit einem guten Rhythmus. Schafft effektive Entscheidungsprozesse.
  • Investoren gewinnen – Ausreichend Wasser unter dem Kiel: Definiere eine investorenkompatible Storyline. Sei immer bereit für das nächste Funding und kenne deine Trauminvestoren – bevor du sie brauchst.
  • Beirat managen – Hilf deinem Beirat dir zu helfen. Die Basis: Vertrauensvolle Beziehungen – versteht euch als Team! Nutzt das versammelte Wissen und führt effektive Beiratsmeetings.
  • In der Welt verankern – Verantwortlich handeln. Mit deinem Unternehmen bist du Teil unserer Gesellschaft. Macht euch klar, was euer Beitrag ist, Verstehe eure Stakeholder und etabliere ein gutes Krisenanagement.
  • Persönliche Effektivität sichern – Tu nur, was nur du tun kannst. Werde zum CEO, zum Chief Energy Officer. Manage deine Energie und Zeit. Entwickle dein persönliches Leadership Mindset. Sei zugleich ambitioniert und demütig.

Sei dir sicher: Wenn du diese 7 Jobs meisterst, wirst du dich nie wieder fragen, was dein Mehrwert für dein Unternehmen ist.

Und nun zu Dir!

  • Bist du mutig genug?
  • Nimmst du weiche Orga-Themen ernst genug?
  • Hast du ein echtes High Performance Leadership Team?
  • Kannst du jederzeit deine Wunschinvestoren gewinnen?
  • Nutzt du das Wissen deines Beirats bestmöglich?
  • Werdet ihr eurer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht?
  • Bist du der CEO, der Chief Energy Officer, deines Teams?

Viel Erfolg bei der Umsetzung!

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Schaffe eine Wachstumskultur

Habt ihr eine Wachstumskultur?

Eine Kultur, die Raum für das individuelle Wachstum jedes Einzelnen schafft; die das ganze Team und das Unternehmen über sich hinauswachsen lässt?

Eine echte Wachstumskultur spürst du sofort.

Da ist diese unglaubliche Energie und die Lust am gemeinsamen Erfolg. Und der stellt sich auch ein: Unternehmen mit einer Wachstumskultur wachsen stärker und sind nachhaltiger aufgestellt.

Die Schaffung einer Wachstumskultur einer eurer wichtigsten Hebel zum Erfolg. Oder wie Salim Ismail es formuliert:

„Kultur ist der größte immaterielle Wert deines Unternehmens.” 

Zeit also, sich mit den Eigenschaften einer Wachstumskultur auseinanderzusetzen.

Wachstumskultur: Nährboden für High Performance

Beim Wort Wachstumskultur denke ich immer an Petrischalen.

Flache Glasschalen, in denen ein Nährmedium die wachsenden Mikroorganismen mit Wasser und Nährstoffen versorgt. In einem guten Nährmedium finden die Mikroorganismen das optimale Wachstumsklima. In schlechten Nährmedien sterben sie ab.  

Mit Unternehmenskulturen passiert das gleiche: Eine starke Wachstumskultur ist der Nährboden für das Wachstum jedes einzelnen und das Wachstum eures Unternehmens.

Das Gegenteil, eine toxische Kultur, blockiert das individuelle Wachstum. Rückzug und Abgrenzung sind die Folge. Ökonomisches Wachstum entsteht hier nur durch massiven Druck von oben.

Die 8 Tugenden einer Wachstumskultur

Es gibt nicht die eine gute Unternehmenskultur. Jede Unternehmenskultur ist so individuell, wie die Leader und Menschen in ihnen.

Und doch gibt es acht Tugenden, die alle Unternehmen mit Wachstumskulturen eint.

Eine Kultur mit diesen acht Tugenden ist von tiefem Vertrauen, Motivation und Engagement geprägt.

Die Tugenden verstärken sich gegenseitig. Als Gesamtpaket schaffen sie die Begeisterung, die zu höchster Leistung führt. Menschlichkeit und Leistungsorientierung beflügeln sich in diesen Kulturen, statt im Widerspruch zu stehen.

Die acht Tugenden einer Wachstumskultur zeigen sich auch in den Kununu- und Glassdoor-Bewertungen euer Mitarbeiter. Ab 4,3 aufwärts seid ihr auf dem richtigen Weg.

Und nun zu den 8 Tugenden einer Wachstumskultur.

Um die verschiedenen Tugenden plastischer zu machen, findest Du immer ein paar Zitate aus Kununu und Glassdoor.

Demütige Ambition

Demütige Ambition verbindet zwei scheinbar widersprüchliche Haltungen: Ihr habt eine große, ambitionierte Vision, verliert dabei aber nicht die Bodenhaftung. Die große Show überlasst ihr anderen, ihr überzeugt lieber durch konsistente Leistung.

Demütige Ambition ist die Kerneigenschaft eines „Level 5 Leaders“, den Jim Collins als Voraussetzung für die Führung langfristig erfolgreicher Unternehmen identifiziert.

  • „Hier arbeiten Menschen, die Lust haben, das Produkt und das Unternehmen nach vorn zu bringen. Dynamisch und leistungsorientiert.“ 
  • „High ambition meets great culture.“

Respekt & Wertschätzung 

In Wachstumskulturen wird jeder Einzelne als Mensch gesehen, mit seinen Bedürfnissen und Kompetenzen respektiert und geschätzt. Leistungen und Erfolge werden gefeiert und anerkannt.

Quer durchs Unternehmen begegnen sich die Kollegen auf Augenhöhe. Respekt und Augenhöhe zeigen sich nicht nur im Miteinander, sondern auch in der Gestaltung eines guten und flexiblen Arbeitsumfeldes.

Wachstumskulturen sind keine Sweat Shops. Balance wird ernsthaft angestrebt, auch wenn sie nicht immer eingehalten werden kann.

  • „Das Klima ist jederzeit respektvoll und wertschätzend.“
  • „Work Life Balance ist sehr gut, wird von den Gründern gefördert und vorgelebt.“
  • Very nice office. New hardware. Multiple Screens. Comfy chairs and well-equipped meeting rooms. Quiet spaces.“

Tiefe Verbundenheit

In Wachstumskulturen fühlen sich die Menschen eng miteinander verbunden. Ausgeprägtes Vertrauen fördert die Zusammenarbeit. Die Teams sind über die Grenzen ihrer Bereiche hinweg stark vernetzt. Es herrscht ein ausgeprägter Teamspirit, oft über die eigentliche Arbeit hinweg.

Das vertrauensvolle Miteinander schafft eine ausgeprägte psychologischen Sicherheit, die wiederum der Rahmen für Innovation und Risikobereitschaft ist.

  • „Untereinander, auch mit dem Management setzt sich der Zusammenhalt oft über die Zeit in der Firma hinaus fort.“
  • „Ich habe noch in keinem bisherigen Job einen stärkeren Zusammenhalt – auch Abteilungsübergreifend – mitbekommen.“ 

Authentische Vielfalt

Wachstumskulturen sind divers. Kulturell, aber vor allem im Sinne einer Diversity of Mindset. Die Unterschiedlichkeit wird authentisch gelebt und zelebriert. 

Nicht, weil bestimmte Quoten erfüllt werden müssen, sondern aus tiefer Überzeugung. Denn alle wissen: Unterschiedliche Perspektiven führen zu besseren Entscheidungen.

  • “Ich liebe unser internationales Team.“
  • „Wir haben ein diverses Team, bei dem niemand unterschiedlich behandelt wird.“

Radikale Aufrichtigkeit

Offenheit, Ehrlichkeit und Transparenz sind Markenzeichen von Wachstumskulturen. Wachstumskulturen leben vom ehrlichen, wertschätzenden Feedback. Es wird klar und direkt kommuniziert – sowohl gute als auch schlechte Nachrichten.

Probleme werden offen adressiert und können schnell gelöst werden. Die Mitarbeiter kennen die Unternehmenszahlen und übernehmen echte Ownership.

  • „Direkte Kommunikation, Probleme im Team werden sofort besprochen.”
  • „Geschäftsentwicklung wird regelmäßig mit allen besprochen. Jede Frage ist erlaubt und wird ehrlich vom Management beantwortet.“

Selbstverantwortung

Wachstumskulturen bringen Menschen und Teams systematisch in die Verantwortung.

Es herrscht ein tiefes Vertrauen in die Leistungsfähigkeit und den Leistungswillen aller. Mit bestem Resultat: Menschen, denen viel zugetraut wird, leisten auch viel.

Die Selbstverantwortung zeigt sich in flachen Hierarchien, großem Freiraum und Gestaltungsfreiheit für jeden einzelnen.

  • „Man hat viele Freiheiten und trägt entsprechend Verantwortung für seine Arbeit.“
  • „Gut finde ich die Mitgestaltungsmöglichkeit und Eigenverantwortung.“
  • „Ich schätze das hohe Maß an Selbstorganisation“

Disziplinierter Fokus

In Wachstumskulturen wird diszipliniert und fokussiert gearbeitet. Es werden wenige, klare Prioritäten gesetzt und diese systematisch und ergebnisorientiert abgearbeitet.

Damit entwickeln sich Unternehmen mit Wachstumskulturen wesentlich schneller, als Unternehmen, die versuchen, alles gleichzeitig zu machen – und am Ende kaum etwas zu Ende bringen.

Disziplinierter Fokus heißt auch: Pünktlichkeit und Zeitbewusstsein. Agilität ist hier keine als Ausrede für Verzögerungen.

  • „Führen mit nachvollziehbaren Zielen.“
  • „Strategische Ziele werden klar kommuniziert“

Konstantes Lernen

Der Name sagt es schon: Wachstumskulturen sind stark von der Möglichkeit des persönlichen Wachstums geprägt.

Das Lernen jedes einzelnen wird on the Job, durch herausfordernde Projekte, und durch unterschiedlichste Entwicklungsprogramme unterstützt. Individuelle Entwicklungsbudgets geben Freiraum in der Gestaltung der Entwicklung.

Aber auch die Organisation selbst wird systematisch weiterentwickelt. Wachstumskulturen schaffen lernende Organisationen.

  • „Hier ist ein guter Ort, um zu wachsen. Es gibt ein Growth-Budget, zahlreiche Gelegenheiten zu lernen und ein unglaublich dynamisches Arbeitsumfeld.“
  • „Viele Möglichkeiten in kurzer Zeit sich weiterzuentwickeln, breites Angebot an Weiterbildungsmöglichkeiten“

Kultur als Hebel für mehr Wachstum

Eure Wachstumskultur könnt ihr aktiv gestalten, zur Entwicklung jeder Tugend gibt es viele Ansatzpunkte.

Am besten startet ihr mit einer Einschätzung eurer Kultur. Bewertet eurer Kultur dazu entlang der folgenden Skala:

Und leitet dann für alle Dimensionen Maßnahmen zur Weiterentwicklung ab. Hier ein Beispiel aus einem meiner Kulturworkshops:

Das Ergebnis: Wettbewerbsvorteile, Wachstum und Glück

Die aktive Kulturarbeit lohnt sich: Nachhaltige Wettbewerbsvorteile, Wachstum und Glück sind euer Lohn.

Wettbewerbsvorteile. Kunden und Kollegen spüren den Geist eurer Kultur und fühlen sich euch besonders verbunden. Damit ist eure Wachstumskultur Wettbewerbsvorteil im Kampf um attraktive, profitable Kunden und im War of Talents.

Wachstum. Eure Wachstumskultur ist der Mittelpunkt Nabe des Schwungrads, das überdurchschnittliches Wachstum schafft. Unternehmen mit Wachstumskulturen sind nachweislich profitabler und wachstumsstärker als ihre Konkurrenten.

Glück. Das schönste Ergebnis einer Wachstumskultur sind glückliche, engagierte und motivierte Kollegen (und Kunden), Spaß am Arbeiten und eine tolle Arbeitsatmosphäre, die auch mit wachsender Größe des Unternehmens nicht an Attraktivität verliert.

Oder um mit Glassdoor und Kununu zu sprechen:

  • „Arbeiten darf auf Spaß machen.“
  • „Ich stehe jeden Morgen mit Lust und Freude auf!“
  • Oder „Schlicht gesagt „Top“!“

Viel Spaß bei der Gestaltung eurer Wachstumskultur.

Key Take Aways

Eine Wachstumskultur ist eine Unternehmenskultur, die Raum für das individuelle Wachstum jedes Einzelnen schafft und die damit das ganze Team und das Unternehmen über sich hinauswachsen lässt.

So unterschiedlich die individuellen Unternehmenskulturen auch sein mögen. Echte Wachstumskulturen zeigen die immer gleichen 8 Tugenden.

  • Demütige Ambition. Große Vision gepaart mit Bodenständigkeit.
  • Respekt & Wertschätzung. Jeder wird als Mensch gesehen und geschätzt
  • Tiefe Verbundenheit. Ausgeprägter Teamspirit, über das Unternehmen hinweg.
  • Authentische Vielfalt. Diversity of Mindset wird aus Überzeugung gelebt.
  • Radikale Aufrichtigkeit. Maximale Offenheit, Ehrlichkeit und Transparenz.
  • Selbstverantwortung. Menschen wird viel zugetraut, Verantwortung übergeben.
  • Disziplinierter Fokus. Klare Ziele und Prioritäten, systematisches Abarbeiten.
  • Konstantes Lernen. Lernen auf allen Ebenen: Individuum, Team, Organisation.

Und nun zu dir!

  • Habt ihr eine Wachstumskultur? Bewerte entlang der Skala und hole auch Feedback aus dem Team.
  • Was sagen die Kommentare in Kununu und Glassdoor über eure Kultur aus? Und zu welchen Themenfeldern kommt die meiste Kritik?
  • Welche drei Maßnahmen bringen euch einen großen Schritt Richtung Wachstumskultur?

Weiterführende Artikel

Liebe dein Team und hebe ab. Vertiefung zum Thema „Tiefe Verbundenheit“

Loslassen lernen, Leichtigkeit gewinnen

Diesen Text gibt es auch zum Hören! Spotify Apple Podcast Podigee

Ich arbeite gerade mit einem Coachee, nennen wir ihn Philipp. Anfang dreißig, das Unternehmen läuft super, das Team wächst – und doch werden die Aufgaben auf seinem Tisch halt einfach nicht weniger.

Im Gegenteil. Philipp hat das Gefühl, unter einem Berg von Arbeit begraben zu sein, die eigentlich sein Team übernehmen sollte.

Also haben wir mal angeschaut, was ihn an der Übergabe der Verantwortung blockiert. Und haben fünf typische Blocker identifiziert:

  • Fehlende Klarheit
  • Fehlendes Vertrauen
  • Schnell und sofort
  • Retter-Impuls
  • Fehlende direkte Wirksamkeit

Das Verständnis dieser fünf Blocker war ein echter Eye Opener für Philipp.

Argh! So viel Selbstsabotage!

Super! Denn Probleme, die in uns selbst liegen, können wir auch selbst lösen.

Wie diese Blockaden im Detail aussehen und wie du sie lösen kannst – das ist der Schwerpunkt dieses Blogartikels.

Die größten Blockaden der Delegation liegen in dir

In meinem Buch „Vom Gründer zum CEO“ hat es Martin Giese, selbst erfahrener Leader, CEO Coach und Angel Investor wunderbar formuliert:

„Der schwierigste Schritt auf dem Weg vom Gründer zum CEO ist das Loslassen und das Vertrauen, da man sich nicht immer um alles selber kümmern kann.

Ein schwieriger Schritt, weil er mit unserer Transformation vom Macher zum Leader verbunden ist.

💪 Macher-Mindset: Direkte Kontrolle, Intuitives Vorgehen

Als Macher sind wir ganz direkt an den Dingen dran. Wir

  • wissen ungefähr, wohin wir wollen,
  • haben ein Gefühl dafür, was wir können,
  • haben die Kontrolle über unser Tempo,
  • entscheiden über unsere eigene Arbeitslast,
  • spüren die Wirkung unserer Arbeit unmittelbar.

Wir haben die volle Kontrolle über unser Tun. Wir starten einfach mal und adjustieren dann auf dem Weg.

🧭 Leader-Mindset: Indirekte Kontrolle, explizites Vorgehen

All das ändert sich, wenn wir Verantwortung übergeben wollen. Dann müssen wir

  • klare Ziele formulieren,
  • anderen Vertrauen,
  • ein realistisches Zeitgefühl entwickeln,
  • Verantwortung zumuten,
  • und die Wirksamkeit unserer Arbeit neu erfahren.

Klingt trivial, ist aber eine unglaubliche Umstellung. Und dagegen wehrt sich unser Unterbewusstsein mit Händen und Füssen.

Schon sind wir bei den fünf häufigsten Blockaden der Verantwortungsübergabe. Und wie Philipp sie im Alltag erlebt hat.

Klare Ziele formulieren

Blockade #1: Fehlende Klarheit

In der Hektik des Alltags fehlt Philipp die Zeit, sich zu überlegen, was er eigentlich delegieren will, und welches Ziel erreicht werden soll. Wenn er dann kleinere Themen unausgegoren über den Zaun wirf, geht es meist schief.

Lösung #1: Mache deine Ziele explizit

Wenn wir Dinge selbst tun, sind sie meist Work in Progress. Wir wissen so grob, was wir erreichen wollen und hangeln uns so durch. Bei der Delegation geht das nicht. Wenn du nur vage Erwartungen kommunizierst, ist ein gutes Ergebnis reiner Zufall.

Mach dir vorab klar, was das Ziel der Verantwortungsübergabe ist. Reflektiere die Rahmenbedingungen: Zeitrahmen, Stakeholder, verfügbare Ressourcen. Idealerweise schreibst du dein Briefing auf, denn das Schreiben offenbart die Lücken unserer Überlegungen. Lade über diese Links (deutsch, englisch) dein Briefing-Template herunter.

Vertrauen aufbauen

Problem #2: Fehlendes Vertrauen

Seine neueren Teammitglieder kennt Philipp nicht so gut, weiß nicht, wie sie ihren Job machen. Also traut er sich nicht, ihnen einzelne Projekte zu übergeben.

Lösung: Baue schrittweise Vertrauen auf

Projekte übergeben wir nur ungern an Menschen, deren Leistungsfähigkeit wir nicht kennen. Also müssen wir Vertrauen aufbauen. Im Großen und im Kleinen.

Vertrauen im Großen: Ich vertraue deiner grundsätzlichen Leistungsfähigkeit. Dieses Vertrauen entwickelt sich mit der Zeit. Startet eure Zusammenarbeit mit kleineren, weniger kritischen Projekten und baut die Zusammenarbeit schrittweise aus. Reflektiert bei jedem Schritt, wie gut die Zusammenarbeit funktioniert. Mehr zum Prozess des Vertrauensaufbaus in diesem Blog-Artikel.

Vertrauen im Kleinen: Ich vertraue deiner Leistungsfähigkeit bei diesem spezifischen Projekt. Dieses Vertrauen gewinnt ihr durch einen strukturierten Prozess der Verantwortungsübergabe (Mehr dazu hier). Der Startpunkt ist dein Briefing. Erklären deinem Gegenüber das Ziel und die Rahmenbedingungen und lass ihn dann beides mit seinen eigenen Worten erklären. Ein super Check, ob ihr das gleiche Verständnis habt oder ob es noch Klärungsbedarf gibt.

Lass deinen Kollege dann einen Vorschlag zur Umsetzung erarbeiten – erst mal nur für sich. Lass dir diesen Vorschlag vorstellen. Jetzt kannst du sehen, was er plant, ob das so passt oder wo ihr noch nachsteuern müsst. Erst wenn das geklärt ist, erfolgt die Verantwortungsübergabe. Mit diesem Prozess baut ihr Vertrauen ganz konkret auf. Ein Zeitinvest zu Beginn der Zusammenarbeit, der euch viel Zeit und Frustration erspart.

Realistisches Zeitverständnis

Blockade #3: Schnell und Sofort

Philipp möchte, das alles schnell geht und am besten sofort passiert. Aber die Übergabe braucht Zeit, und dann muss es ja auch erst mal passieren. Also macht er die Dinge lieber „mal eben selbst“.

Lösung: Langsam schneller ans Ziel

Viele von uns haben einen „Sei Schnell“-Antreiber. Ich kenne das selbst nur zu gut 😉 Dieser innere Antrieb möchte die Kontrolle über deine Arbeits-Geschwindigkeit haben. Er gaukelt uns vor, dass wir schneller sind, wenn wir es „mal eben selbst tun“.

Für einzelne Aufgabe mag das stimmen. Aber nicht für den Berg an „mal eben schnell“-Jobs, der sich auf unserm Schreibtisch türmt. Abgesehen davon, dass viele „mal eben schnell“ Aufgaben gut von anderen gemacht werden können.

Entwickle ein „realistische Zeitverständnis“

  • Addiere die Zeiten der ganzen „mal eben“ Projekte zusammen. Autsch!
  • Mach dir klar, wie viele dieser Projekte auf deinem Schreibtisch vergammeln und gar nicht passieren. Soweit zu „Schnell und Sofort“
  • Reflektiere, inwieweit dich „mal eben“-Aufgaben von deinen eigentlichen Themen abhalten.

Und überlege dann, wie du all diese kleineren Jobs im Team verteilen kannst. Die Übergabe kostet dann zwar Zeit – aber sicher sehr viel weniger als der Zeitgewinn, denn du aus der Befreiung von diesen Jobs ziehst.

Verantwortung zumuten

Blockade #4: Retter-Impuls

Nicht nur Philipp ist überlastet, auch das Team ächzt unter der Arbeit. Weitere Belastungen will Philipp dem Team nicht zumuten, lieber macht er es selbst.

Lösung: Nimm dein Team ernst

Beim Retter-Impuls schlägt ein weiterer innerer Antreiber zu: „Machs allen recht.“

Wir möchten unserem Team helfen und entscheiden, sie nicht mit noch mehr Aufgaben zu belasten. Damit werden wir zu ihrem „Retter“. Meist ohne ihr Wissen.

Augenhöhe sieht anders aus. Denn die wohlmeinende Unterstützung hat eine massive Downside: Als „Retter“ sprichst du deinem Team die Kompetenz ab, über die eigene Arbeit zu entscheiden. Vielleicht wäre ja mehr gegangen? Oder ihr hättet gemeinsam neu priorisieren können?

Diskutiere künftige die zusätzlichen Aufgaben mit deinem Teammitglieder oder dem Team. Entscheidet gemeinsam, wie ihr sie umsetzt. Lass dich von der Einsatzbereitschaft deines Teams überraschen. Du wirst dich wundern, wie viel da geht.

Wirksamkeit neu erfahren

Blockade #5: Direkte Wirksamkeit fehlt

„Verantwortungsübergabe ist ja nur Gelaber, da mache ich nichts.“ Philipp hat das Gefühl, dass ihn die Abstimmungen Zeit kosten, die er für seine eigentlichen Aufgaben braucht. Und schwupp fällt sie hinten über.

Lösung: Erlebe die Wirksamkeit der Verantwortungsübergabe bewusst.

Definiere deine Wirksamkeit neu. Als Leader bist du wirksam, wenn du immer mehr deiner Aufgaben in dein Team gibst und es in die Lage versetzt, diese Aufgaben so gut wie du oder sogar besser zu erfüllen. Andy Grove bring es auf den Punkt: „Dein Output als Leader ist der Output deines Teams.“

Mach die Wirksamkeit deiner Verantwortungsübergabe messbar. Wunderbare KPI sind:

  • Projekte, die du erfolgreich an Dritte übergeben hast.
  • Steigende Produktivität deines Teams
  • # der Stunden / Woche, die du jetzt für strategische Themen hast.

5 Blockaden und 5 pragmatische Lösungen. Wenn du diese Prinzipien in deine Verantwortungsübergabe einbaust, wird es dir immer leichter fallen, loszulassen. Und du gewinnst Zeit für deine eigentlichen Führungsaufgaben. Was eine Erleichterung!

Key Take Aways

Wir möchten so gerne loslassen und sabotieren uns doch selbst. Verantwortungsübergabe wird leicht, wenn du diese 5 Prinzipien verfolgst.

  • Mache deine Ziele explizit. Werde dir klar, was das Ziel und die Rahmenbedingungen der Verantwortungsübergabe sind. Nutze dafür das Briefing Template.
  • Bau schrittweise Vertrauen auf: Vertrauen ist die Grundlage jeder erfolgreichen Verantwortungsübergabe. Betrachte sie als einen expliziten Prozess.
  • Langsam schneller ans Ziel. Eine gute Verantwortungsübergabe kostet Zeit. Aber viel weniger, als wenn du weiterhin alles selbst machst. 
  • Mute deinem Team was zu. Du musst hier keinen retten. Traue der Kompetenz deiner Teammitglieder, binde sie aktiv in die Verteilung der Verantwortung ein.
  • Erlebe deine Wirksamkeit neu. Wenn du Verantwortung übergibst, hast du viel mehr Impact, als wenn du alles selbst machst. Nimm diesem Impact bewusst wahr.

Und nun zu dir!

Reflektiere, was du brauchst, um loszulassen

  • Welcher dieser Blockaden erlebst du besonders stark?
  • Was wäre möglich, wenn du diese Blockaden überwindest?
  • Was wirst du ab morgen anders machen?

Viel Erfolg!

Erfolgreich durch die Krise

Corona, Lieferengpässe, Krieg in der Ukraine, Energiepreisshock, drohende Rezession. Eine Krise jagt die andere. Es ist wirklich beängstigend.

Viele Unternehmen setzen jetzt auf ein Krisenmanagement, dass auf fünf Spielregeln basiert:

⚡️ Fire & Forget.

⚡️ Kosten runter, egal um welchen Preis.

⚡️ Keine Zeit für Demokratie.

⚡️ Erst das Fressen, dann die Moral.

⚡️ Erstmal machen, denken können wir später.

Die Liste der Unternehmen, die 20-30% ihrer Belegschaft abbauen, wird immer länger. Leider rauschen diese die Unternehmen damit oft nur tiefer und tiefer in die Krise. Von einer Entlassungswelle zur nächsten. Siehe Gorillas…

Was aber macht ein nachhaltiges Krisenmanagement aus? Wie könnt ihr die Krise wirklich als Chance nutzen? Das ist der Schwerpunkt dieses Blogartikels.

Nachhaltiges Krisenmanagement nutzt die Chancen und lässt euch aufblühen.

Mit einem nachhaltigen Krisenmanagement dreht ihr die Spielregeln des üblichen Krisenmanagements auf den Kopf und setzt auf diese 5 Prinzipien:

💪 Prepared Leadership.

💪 Das Team an Bord behalten.

💪 Die Weisheit des Teams nutzen.

💪 Mission & Werte leben.

💪 Lernen für die Zukunft.

„Be Prepared“

⚡️ Fire & Forget, Augen zu und durch… Die Krise ist eine Ausnahmesituation mit eigenen Regeln. Wenn die Krise vorbei ist, kehren wir in den normalen Arbeitsrhythmus zurück. Als wäre nichts gewesen. Bloß schnell wieder vergessen. So agieren jetzt viele.

💪 Prepared Leadership

„Be Prepared“ ist das perfekte Motto für gutes Krisenmanagement. Das zeigen Erika James und Lynn Wooten in ihrem Buch „The Prepared Leader“. Ihre Frage: Warum schaffen es die einen Leader, Krisen und Katastrophen fast unbeschädigt zu überwinden, während andere komplett scheitern?

Die einfache Antwort: Es sind die Prepared Leaders, die vorbereiteten Leader, die die Krise mit ihren Teams nicht nur überleben, sondern in ihr aufblühen.

Aus ihren Forschungen haben sie 5 Phasen des Krisenmanagements abgeleitet, mit denen ihr eure Unternehmen optimal durch Krisen führen könnt:

  • Phase 1: Signale frühzeitig erkennen. Viele Krisen kündigen sich lange Zeit vorher an. Lasst euren Gefahrenradar ständig laufen. Sucht gemeinsam mit euren Teams nach möglichen Warnzeichen, versteht die Muster dahinter. Nehmt unterschiedliche Perspektiven ein: Die eurer Kollegen, Kunden, Shareholder…
  • Phase 2: Vorbereitung und Prävention. Startet mit der Vorbereitung konkreter Maßnahmen sobald sich das Bild der Krise schärft. Gerne mit unterschiedlichen Szenarien. Seid dabei kreativ, lotet die Agilität eurer Organisation aus. Und kommuniziert eure Überlegungen offen an das Team. So schafft ihr Sicherheit und nehmt alle mit.

Ein Klient von mir hat diese beiden ersten Phasen exzellent gemanagt. Schon frühzeitig hat sich das Team zusammengesetzt und eine Vielzahl an Daten ausgewertet. Darauf basierend wurden 3 Szenarien erarbeitet: Sonnenschein, Sturm und Hurrikan. Die Prämisse aller Szenarien: Keine Entlassungen. Diese Szenarien wurden breit in das Team kommuniziert. Das Ergebnis: Das Team ist super fokussiert. Jeder weiss, was gebraucht wird, um das Unternehmen gut durch die nächsten Monate zu bringen.

  • Phase 3: Schadensbegrenzung. Die Krise ist da. Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Ihr setzt die geplanten Maßnahmen um und steuert wo nötig nach. Behaltet alle Risiken im Blick: Finanzen, Team, euren Ruf. Schlüssel für den Erfolg in dieser Phase sind effektive Kommunikation und die Bereitschaft, gezielte Risiken einzugehen.
  • Phase 4: Erholung: Eure Erholung beginnt parallel zur Schadensbegrenzung. Bewahrt den klaren Blick auf eure langfristigen Ziele und nutzt die Krise, um euch von eurer Konkurrenz abzusetzen. Entwickelt neue krisenfeste Produkte, investiert antizyklisch, holt die Top Leute ins Team, die andere gerade entlassen, nutzt die sinkenden Marketing-Kosten für einen extra Booster….
  • Phase 5: Lernen & Reflektion. Die dümmsten Fehler sind die, aus denen wir nicht lernen. Nehmt euch nach der Krise die Zeit, eure Erfahrungen und Learnings systematisch auszuwerten. Was hat funktioniert, was nicht? Was würden wir wieder so machen. Und übersetzt diese Reflektion in ein Handbuch für die nächste Krise.

Mit diesem Prozess des Krisenmanagements seid ihr immer gut auf Schwierigkeiten vorbereitet.

Übernehmt Verantwortung für euer Team

⚡️ Kosten runter, egal um welchen Preis ist das Motto vieler Krisenmanager. „Wer Angestellten jetzt nicht kündigt, handelt „selbstmörderisch“ – hat der Investor Johann „Hansi” Hansmann gerade markig verkündet.

In seiner Replik bringt es Patrick Leibold, CEO von celebrate (u.a. Kartenmacherei), auf den Punkt: „Wir haben die Grenzen des Wachstums lange ignoriert (…). Zu viel Risikobereitschaft und zu viel Zockerei (…) werden jetzt auf dem Rücken von Arbeitnehmern ausgetragen”.

💪 Das Team an Bord behalten

Die beste Krisenvorsorge ist ein nachhaltig wirtschaftendes Unternehmen. Aber selbst die besten Unternehmen können durch Krisen an ihre Grenze gebracht werden.

Und trotzdem gehen sie nicht den scheinbar einfachen Weg, ihre Teams abzubauen. Ihre Krisenpläne haben eine klare Prämisse: Das Team bleibt an Board. Sie übernehmen damit die Verantwortung für ihr Team, statt es einfach fallen zulassen. Das erhält auch in der Krise das Vertrauen. Und ist die Grundlage für die Erholung. Denn ohne Team ist es schwer, die Chancen wahrzunehmen.

Ein tolles Beispiel ist die Kartenmacherei. Als gebootstrapptes Unternehmen stand nachhaltiges Wirtschaften schon immer im Vordergrund. Mit Corona brach das Kerngeschäft um 80% ein. Team rausschmeißen war keine Option. Stattdessen wurde offen mit dem Team kommuniziert und gemeinsam nach Lösungen gesucht. Das Ergebnis: Auch im Coronajahr 2021 wuchs die Kartenmacherei deutlich.

Schafft ein diverses, interdisziplinäres Krisenteam

⚡️ Keine Zeit für Demokratie. Da klassische Krisenmanagement ist eine Top-Down-Führung. Ein enger Kreis an Managern entscheidet und setzt diese Entscheidungen dann möglichst rigide durch.

💪 Die Weisheit des Teams nutzen

Leider bleiben dabei wichtige Informationen außen vor oder kommen zu spät an. Nichts ist in der Krise so entscheidend, wie die gesammelte Weisheit des Teams.

  • Schafft ein interdisziplinäres, diverses Krisen-Team und bringt quer über die Organisation alle Menschen zusammen, deren Informationen und Kompetenzen zur Lösung der Krise beitragen.
  • Macht regelmäßige Krisensitzungen in der großen Runde. Auch wenn nicht immer jeder etwas beitragen kann. Sie bekommen alles mit und können die Infos direkt weitertragen.
  • Entscheidet soweit möglich gemeinsam. Bei unklaren Situationen hast du als Leader das letzte Wort. Wichtig: Immer Entscheidungen treffen. Nichts offen lassen.

Zeigt Charakter (guten natürlich)

⚡️ Erst das Fressen, dann die Moral. Unsere Werte? Vergiss es, gibt jetzt wichtigeres. Unsere Mission? Egal, das sind doch nur Sprüche fürs Employer Branding. Und das brauchen wir jetzt eh nicht.

💪 Mission & Werte leben

„In der Krise beweist sich der Charakter.“ Ich liebe dieses Zitat von Helmut Schmidt.

Wenn ihr euer Handeln auch in Krisenzeiten an eurer Mission und euren Werten ausrichtet, gewinnt ihr das tiefe Vertrauen des Teams. Und das braucht ihr, um gemeinsam mit dem Team durch die schwierigen Zeiten zu gehen

Ein tolles Beispiel ist die Temporary Living Plattform Wunderflats. Ihre Mission: „Wohnen auf Zeit in einem echten Zuhause.“ Als der Krieg in der Ukraine ausbrach, öffnete Wunderfalts seine Wohnungs-Plattform und konnte so viele tausend Ukrainern ein neues Zuhause bieten vermitteln Kostenlos. Um das zu ermöglichen, wurde ein wesentlicher Teil des Teams mehrere Monate auf dieses Projekt gestafft.

Eine starke gemeinsame Mission und Werte stärken gerade in Krisenzeiten den Zusammenhalt. Wir wollen alle gerne wissen, wofür wir uns einsetzen. Und wofür wir gegebenenfalls auf Gehalt verzichten, wenn es hart auf hart kommt.

Stellt das Unternehmen auf den Prüfstand

⚡️ Erst mal machen, nachdenken können wir später. Das Problem: Der Stress der Krise macht uns anfällig für voreingenommene Entscheidungen. Wir wollen nur das sehen, was wir glauben zu wissen, Confirmation Bias at it’s best. Und sowieso: Schuld sind immer die Umstände.

💪 Lernen für die Zukunft

Krisen treffen jedes Unternehmen. Guter Unternehmen sehen sich nicht als Opfer der Krise, sondern machen sie zu einer umfassenden und aktiven Lernerfahrung.

Krisen sind der ultimative Prüfstand eures Geschäftsmodells und eurer Organisation. Sie zeigen gnadenlos alle Probleme auf: Abhängigkeit von wenigen Lieferanten und Kunden, schlechte Prozesse, schlechte Führung, toxische Kultur, fehlende Digitalisierung…

Die Krise ist eine Riesenchance, euer Unternehmen endlich richtig aufzustellen. Nehmt euch Zeit, eure Probleme zu verstehen und schafft echte Lösungen.

  • Vor der Krise: Lernt, Krisensignale zu identifizieren und Muster zu interpretieren. Macht ein Krisen-Benchmarking: Wie gehen andere mit Krisen um, was läuft schief, was machen sie gut.
  • In der Krise: Geht den aufkommenden Problemen auf den Grund und schafft nachhaltige Lösungen. Nutzt die breiten Erfahrungen und Kreativität des Teams.
  • Nach der Krise: Macht eine umfassende Krisen-Retro. Diskutiert quer durch die Organisation, wie eure Krisenprozesse funktioniert haben und optimiert sie für die nächste Krise. Dokumentiert eure Learnings. Denn nach der Krise ist vor der Krise.

Key Take Aways

Geht gestärkt aus der Krise hervor, in dem ihr mit diesen 5 Prinzipien des nachhaltigen Krisenmanagements arbeitet:

  • Prepared Leadership. Macht das Krisenmanagement zu einem laufenden Prozess. Dann kann euch nichts überraschen.
  • Das Team an Bord behalten. Die Krisenpläne guter Unternehmen haben eine klare Prämisse: Keinen Menschen entlassen.
  • Die Weisheit des Teams nutzen. Schafft ein interdisziplinäres Krisenteam. Je breiter die Perspektive, desto kreativer die Lösungen.
  • Werte & Mission leben. Zeigt, wie wichtig euch auch jetzt eure Werte und Mission sind. Das schafft tiefes Vertrauen. Und ohne das kommt ihr nicht durch die Krise.
  • Lernen für die Zukunft. Krisen sind der Prüfstand eures Geschäftsmodells und eurer Organisation. Macht die Krise zu einer Lernerfahrung. Vor, in und nach der Krise.

Wenn ihr mit diesen Prinzipien arbeitet, macht ihr euer Unternehmen nicht nur krisensicher. Sondern ihr bringt zum Leben, was Max Frisch einst sagte:

„Krise ist ein produktiver Zustand, man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“

Und nun zu dir!

Reflektiere euer Krisenmanagement. Wie gut seid ihr aufgestellt?

  • Wie bereitet ihr euch auf die nächste Krise vor? Habt ihr einen klaren Prozess?
  • Wie nutzt ihr jetzt das Wissen und die Kompetenz eures Teams?
  • Was müsst ihr tun, um euer Team zu schützen?
  • Wie zeigt ihr, dass euch eure Werten und Mission auch in der Krise leiten?
  • Wie könnt ihr das organisatorische Lernen beschleunigen?

Raus aus den Turbulenzen der Skalierung!

Gerade noch lief alles so super – und plötzlich passt nichts mehr. Kunden und Team unzufrieden, Umsätze stagnieren, Stress im Führungsteam. Jetzt gilt es, das Unternehmen nochmal neu zu erfinden. Aber dann geht es wirklich ab…

Eigentlich hattet ihr gedacht, mit dem Markteintritt wäre das Schlimmste überstanden. Nun werdet ihr eines Besseren belehrt.

Was zunächst nach einzelnen Stolpersteinen aussah, wächst sich zu den Turbulenzen der Skalierung aus: Die Kunden werden anspruchsvoller, die Qualität hakt, Umsätze stagnieren, die Zufriedenheit sinkt, fehlende Strukturen produzieren Reibungsverluste. Und keiner fühlt sich verantwortlich.

Euer Unternehmen ist über sich hinausgewachsen.

Die Turbulenzen der Skalierung werden durch drei Veränderungen getriggert:

Neue Zielgruppe: Eure ersten Kunden waren Innovatoren, Menschen, die gerne was Neues ausprobieren. Leider sind das nur etwa 10% des Markts. Jetzt müsst ihr verstärkt die Mainstream-Kunden adressieren. Die aber eine ganz andere Sprache sprechen und andere Dinge von euch erwarten.

Unterdimensionierte Operations: Die wachsende Nachfrage bringt eure rudimentären Strukturen und Prozesse an die Grenze. Ohne Standardisierung und Professionalisierung kommt ihr jetzt nicht mehr weiter.

Wachsendes Team: Eure Teamgröße übersteigt die maximale individuelle Führungsspanne, die informelle Kommunikation erreicht nicht mehr jeden. Faustregel: # Kollegen > # der Gründer x 15-25. Sprich bei zwei Gründern findet der Übergang in die Turbulenzen bei 30 bis 50 Mitarbeitern statt

Die Turbulenzen sind nach der ersten Gründungsphase die zweite Gefahren-Zone des Lebenszyklus. Je länger ihr in dieser Phase bleibt, desto größer die Gefahr, dass ihr wichtige Kollegen und Kunden, die strategische Orientierung und eure ganze Energie verliert.

Eure wichtigste Aufgabe in dieser Phase: Raus aus dem ad hoc und das Unternehmen neu erfinden. Organisatorisch und strategisch.

Die Top 5 Erfolgsfaktoren

Ihr kommt erfolgreich durch die Turbulenzen, wenn ihr systematisch an diesen Top 5 Erfolgsfaktoren arbeitet:

• Institutionalisierung
• Inspirierende Vision, klare Ziele
• Echte Führung etablieren
• Wachstumskultur schaffen
• Umfassende Kommunikation

Institutionalisierung
Mit der Institutionalisierung macht ihr explizit, was vorher einfach passiert ist: Verantwortlichkeiten, Strukturen, Prozesse. Lohnenswerte Arbeit, die dazu führt, dass alle ohne übermäßigen Abstimmungsbedarf Hand in Hand arbeiten können. Auch wenn das nicht dein Lieblingsthema ist: Nur wenn du die Institutionalisierung als Gründer und CEO sichtbar und glaubwürdig unterstützt, wird sie von der Organisation angenommen.

Speziell an dieser Phase ist es, dass wir uns ständig fragen, wie wir uns selber überflüssig machen können. Also: Wie schaffen wir es, uns selber als Gründer durch Institutionen oder Prinzipien abzulösen, damit das Unternehmen auch ohne uns erfolgreich agieren kann. Das finden wir zurzeit eigentlich das Prägendste.

Alex Mahr & Jan Sedlacek, Stryber

Fokussiert euch bei der Institutionalisierung auf die Erarbeitung minimaler, unverhandelbarer Strukturen. Ihr wollt ja keine Bürokratie werden. Stellt vor allem sicher, dass alle im Team wissen, was ihre Verantwortung ist. „Jeder macht alles“ geht jetzt nicht mehr.

Am besten setzt ihr euch jetzt im Führungsteam zusammen und definiert, welche Schlüsselrollen ihr benötigt. Green Field. Erst die Verantwortlichkeiten definieren, dann mit den richtigen Menschen besetzen. Seid dabei mutig und plant nicht um einzelne Menschen herum!

Inspirierende Vision, klare Ziele

Der Ruf „Wir brauchen eine Vision!“ zeigt, dass dem Team die Orientierung fehlt. Nehmt das ernst, denn eine gemeinsame Vision und Mission ist für alle ein wichtiger Motivator.

Erarbeitet eure Mission und Vision und macht sie für alle greifbar. Setzt euch in diesem Zuge auch mit den Bedürfnissen eurer Mainstreamkunden auseinander – denn nur sie bringen euch das erwünschte Wachstum.

Hinterlegt eure Mission und Vision dann mit einer überzeugenden Strategie und klar priorisierten Jahres- und Quartalszielen. Für die gesamte Organisation und für jedes einzelne Team. Klarheit statt Ad hoc und ständiger Repriorisierung!

Und etabliert ein Management Operation System, mit dem ihr sicherstellt, dass jeder im Unternehmen jederzeit weiß, wohin die Reise geht. OKRs (Objective, Key Results) oder Bid Systeme sind jetzt eine super Idee.

Echte Führung etablieren

Euer Unternehmen ist inzwischen so groß geworden, dass ihr die direkte Führung an erste Zwischenebenen übergebt und damit in eine neue, übergreifende Führungsrolle kommt. Leader of Leaders.

Entwickelt eure Leader systematisch. Helft den Mitstreitern der ersten Jahre in die Führung hineinzuwachsen. Ergänzt euer Team mit erfahrenen Führungskräften von außen. Passt dabei aber auf, dass diese Menschen wirklich zu eurer Kultur passen. Viele Konzernleute sind von der besonderen Dynamik eurer Entwicklungsphase völlig überfordert. Nehmt euch die Zeit, sie ins Team zu integrieren und mit klaren Prioritäten zu führen. Dann profitieren alle.

Erweitert euer Gründerteam zum Leadershipteam. Dein Job ist es, dieses Team zum Hochleistungsteam zu machen. Schafft ein Klima des Respekts und Vertrauens, definiert gemeinsam die Ziele und Verantwortung des Teams, erarbeitet eure Strategie und formt eure Kultur. Stellt sicher, dass alle im Unternehmen wissen, wo ihr steht und woran ihr arbeitet. Und gewinnt über die sukzessive Lösung der großen Herausforderungen dieser Phase das Vertrauen des Teams.

Wachstumskultur schaffen

In der Turbulenzphase wird eure Kultur zu einem zentralen Führungsinstrument. Denn sie institutionalisiert dich und deine Mitgründer. Du bist der „Chief of Culture“.

Startet mit einem Review der aktuellen Kultur: Was passt? Wo haben sich Verhaltensweisen eingeschlichen, die ihr nicht wollt? Macht euch eure Werte bewusst und lebe sie gemeinsam mit dem Führungsteam vor. Überprüft auch, ob eure neuen Strukturen mit eurer Zielkultur harmonieren. Prägt eure Wachstumskultur jetzt ganz bewusst.

Umfassend kommunizieren

Schließlich geht in dieser Zeit der Veränderung nichts über eine umfangreiche Kommunikation. Euer Team, aber auch eure Kunden und Investoren müssen verstehen, was gerade passiert. Da die direkte Kommunikation nicht mehr funktioniert, musst du neue Wege finden. Kommuniziere viel und in möglichst vielen Formaten. Stell sicher, dass wirklich jeder weiß, wohin eure Reise geht.

Bleibt in eurer Energie!

Die Phase der Turbulenzen ist für dich besonders herausfordernd. Spätestens jetzt wirst du vom Gründer zum CEO. Statt selbst zu machen, gibst du künftig vor allem die grundsätzliche Ausrichtung vor und hältst nach, ob sie umgesetzt wird.

Gehe diesen Schritt ganz bewusst. Mach dir das Für und Wider deiner neuen Rolle klar und entscheide dich. Ein guter Start in diese neue Phase ist ein umfassender Review deiner Führungskompetenz. Erhebe mit einem 360-Grad-Feedback, wo du jetzt als Führungskraft stehst und korrigiere, wo nötig.

Macht dir klar, dass die notwendigen Leadership Skills erlernbar sind. Genieße die Entwicklung vom Gründer zum CEO, denn damit gewinnst du ein ganz neues Spektrum an Fähigkeiten, Power und individueller Freiheit.

Die Anstrengungen der Turbulenzen zeigen sich auch im Leadershipteam. Oft ist die Stimmung angespannt. Schnell kommt es zu Schuldzuweisungen. Kritische Themen werden ausgeschwiegen und produzieren gefährliche schwarze Löcher. Die Begeisterung des Teams für die Unternehmer wird abgelöst von Abwehr und Frustration.

Dieses Wechselbad der Gefühle könnt ihr nur bewältigen, wenn ihr alle kritischen Themen radikal offen, vertrauensvoll und mit Respekt für die unterschiedlichen Positionen diskutiert. Nutzt regelmäßige Strategie-Offsites, um über eure Rollen und Herausforderungen zu diskutieren. Was ist euch wichtig? Was wollt ihr weiter machen? Was abgeben? Wie stellt ihr euch die Zukunft vor?

So heftig diese Phase auch immer sein mag. Ihr seid nicht allein. Jedes erfolgreiche Unternehmen hat diese Phase schon erlebt – leider sprechen nur die wenigsten darüber. Sucht euch daher am besten einen Sparringspartner, der die Herausforderungen dieser Phase aus eigener Anschauung kennt und dich und das Leadership Team auf dieser Reise begleitet.

Die Turbulenzen sind eine Phase des Auf und Abs. Wenn ihr sie aber diszipliniert und sicher durchfliegt, werdet ihr euer Team schon bald in den Höhenflug gebracht haben. Und dann könnt ihr viel höher fliegen, als ihr das je erwartet hättet.

Und nun zu dir!

Erkennst du euch in den Herausforderungen wieder?

  • Welche Wachstumsschmerzen erlebt ihr?
  • Wie geht ihr dem Team die Orientierung, die es jetzt braucht?
  • Wie geht ihr das Thema Organisation und Führung an?
  • Wie schafft ihr ein High Performance Leadership Team?
  • Wie kommst du mit dem Wechselbad der Gefühle zurecht?

Viel Erfolg beim Ausprobieren!

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Damit du dein Unternehmen und dein Team weiterhin mit all deiner Energie in den Höhenflug führen kannst!

Volate – Fliegt!

Bild von Thiebaud Vaerman

Flywheel: Bringt euren Laden in Schwung

Kennst du euer Schwungrad der kritischen Wachstumstreiber? Die 4-6 Treiber, die dein Unternehmen immer schneller wachsen lassen?

Ich würde tippen: Nicht wirklich. Das ist jedenfalls die Erfahrung aus den letzten Strategieworkshops. Eigentlich glauben wir, unser Business zu verstehen. Wenn wir dann aber das Flywheel entwickeln, lernen wir unser Unternehmen von einer ganz neuen Seite kennen. 

Für mich ist das Schwungrad eines der effektivsten Instrumente zur Skalierung von Unternehmen – und sollte daher unbedingt Bestandteil eures strategischen Werkzeugkastens werden.

Was ist das Flywheel?

Das Flywheel ist ein sich selbst verstärkender Kreislauf zentraler Business Driver, die sich gegenseitig verstärken und dadurch das Wachstum unseres Unternehmens vorantreiben.

Gemeinsam unterstützen die wichtigsten Geschäftsfaktoren das Wachstum eurer Nordstern-Kennzahl – die Kennzahl, die den Wert, den ihr euren Kunden bietet, am besten widerspiegelt.

Das Konzept des Flywheels wurde von Jim Collins aus der Analyse langfristig erfolgreicher Unternehmen entwickelt. Bei dieser Analyse stellte er fest, dass langfristig Unternehmen besonders gut verstehen, was ihr Business wirklich treibt. Und diese Treiber dann langfristig und systematisch weiterentwicklen.

“The flywheel, when properly conceived and executed, creates both continuity and change. On the one hand, you need to stay with a flywheel long enough to get its full compounding effect. On the other hand, to keep the flywheel spinning, you need to continually renew, and improve each and every component.” Jim Collins

Denn wie beim echten Schwungrad: Am Anfang ist es nur schwer in Gang zu geben. Die Energie, die du in das Schwungrad steckst, wird erst mal im Rad gespeichert. Wenn es aber einmal in Gang gekommen ist, hilft es, Leertakte und Totpunkte zu überwinden. Klingt gut, oder?

Bei Amazon sieht das Flywheel z.B. so aus

Amazon Flywheel nach Jeff Bezos (Quelle: Amazon.jobs)

Die Erarbeitung eures Flywheels hat drei große Vorteile:

Verständnis Wachstumsdynamik. Mit dem Flywheel entwickelt ihr ein gemeinsames Verständnis eurer Wachstumsdynamik. Ihr verlasst damit die einzelnen Silos und seht, wie ihr gemeinsam das Wachstums eures Unternehmens antreiben könnt. Die Arbeit am Flywheel ist besonders hilfreich, wenn ihr euer Führungsteam neu aufstellt und vom Pseudo-Team zu einem echten High Performance Team werden wollt.

Ich habe das just in zwei Strategieworkshops erlebt. Die Flywheel-Diskussion zeigte das Zusammenwirken der verschiedenen Bereiche auf dem Weg zu mehr Wachstum – und schuf damit ein Gefühl der gegenseitigen Verantwortung und Accountability.

Priorisierung strategischer Initiativen. Alle eure strategischen Initiativen sollten direkt auf das Flywheel einzahlen. Initiativen, die nicht auf das Flywheel einzahlen, sind nicht strategisch.

Analysiert immer wieder, bei welchen Treibern des Flywheels gerade die größten Engpässe liegen. Das sind eure Prioritäten. Macht das Flywheel zu einem festen Bestandteil der OKR oder sonstigen Quartalsplanung.

Erfahrungsgemäß erleichtert das Flywheel die Erarbeitung der Prioritäten ungemein.

Erarbeitung strategischer Metriken. Ihr macht euer Flywheel schließlich steuerbar, wenn ihr für jeden der vier bis sechs Treiber jeweils einen passenden strategischen KPI erarbeitet. Damit könnt ihr den Erfolg der strategischen Initiativen, die ihr im nächsten Schritt entwickelt, optimal verfolgen.

Zum Flywheel in 7 Schritten

Verstanden: Das Flywheel ist ein wesentliches strategisches Instrument. Aber wie kommt ihr dahin? In unserer Workshoparbeit hat sich das folgende Vorgehen als produktiv erwiesen.

Schritt 1: Draft eures generischen Schwungrades

Entwickelt erst mal eine generelle Idee eures Schwungrads. Wo beginnt das Schwungrad? Was folgt als nächstes? Und was kommt danach? Jede Komponente des Schwungrads sollte in die nächste Stufe des Schwungrads einfließen.

Wenn ihr unterschiedliche Geschäftsmodelle habt, kann es sein, dass ihr zwei Schwungräder braucht. So geht es bei einem Self Service Modell beispielsweise viel mehr um die Usability der Plattform. Bei Managed Services steht dagegen die Qualität des Services im Vordergrund.

Wenn ihr das Schwungrad im Team erarbeitet, könnt ihr mit einem individuellen Brainstorming starten, bei dem erst jeder überlegt, wie das Schwungrad aus seiner oder ihrer Sicht aussieht.

Stellt dann diese ersten Ideen vor und entwickelt damit euren Draft. Allein schon diese Diskussion ist spannend. Denn ihr betrachtet eure Company ja aus ganz unterschiedlichen Sichtweisen.

Schritt 2: Macht eine Liste eurer großen Erfolge

Sammelt Markt-Initiativen, Vertriebsprozesse und Angebote, die besonders gut gelaufen sind und eure Erwartungen übertroffen haben.

Schritt 3: Erstellt eine Liste von Misserfolgen

Das gleicht jetzt nochmal mit Initiativen und Angeboten ab, die gescheitert sind oder die Erwartungen nicht erfüllt haben.

Schritt 4: Vergleicht die Muster

Versucht jetzt die Unterschiede zwischen den Erfolgen und Misserfolgen zu verstehen. Was sind typische Erfolgsmuster? Was sagt das über das Flywheel aus? Wie ist das mit den Misserfolgen?

Geht so tief wie möglich in die Ursachenanalyse. Fragt euch mit den „7 Warums“ bis zur eigentlichen Ursache durch. In dieser Analyse liegt das Gold. In unseren Strategieworkshops haben wir hier die größten Aha-Erlebnisse gehabt.

So geht es bei Marktplatz-Modellen beispielsweise oft nicht nur um die reine Anzahl der Teilnehmer und Angebote auf der Plattform, sondern um eine bestimmte Qualität des Angebots. Eine bestimmte Kundenleistung kann verlangen, dass ihr ganz spezifische Lieferanten braucht…

Schritt 5: Passt das Schwungrad anhand der Ursachenanalyse an

Überarbeitet nun das Schwungrad. Passt gegebenenfalls die Reihenfolge an und kommentiert im Detail, was genau die verschiedenen Treiber des Schwungrads ausmacht.

Schritt 6: Gegencheck

Fast fertig. Jetzt gilt es nur, die Gegenprobe zu machen. Erklärt das Schwungrad eure Erfolge und Misserfolge? Verändert das Schwungrad so lange, bis ihr euch jeden eurer Erfolge als Ergebnisse erklären könnt, die direkt aus dem Schwungrad resultieren und die eure größten Enttäuschungen als Versäumnisse bei der Umsetzung oder Einhaltung des Schwungrads zeigen.

Schritt 7: Entwickelt eure strategischen Metriken

Der letzte Schritt ist die Definition der strategischen Metriken. Wählt für jeden Treiber des Schwungrades einen gut messbaren KPI. Zusammen mit der Nordstern-Metrik (Siehe …) steht dann euer strategisches KPI-Set. Mit diesen Metriken könnt ihr künftig der ganzen Company zeigen, wie gut ihr euer Flywheel und damit eure Company in Schwung gebracht habt.

Rechnet für einen ersten Draft des Schwungrades mit gut 3-4 Stunden.

Laufende Arbeit mit dem Flywheel

Die Erstellung des Schwungrades ist nur der erste Schritt. Energie bringt es erst, wenn ihr es auch wirklich einsetzt.

Überlegt für jeden Treiber, wie ihr dessen Funktionsweise optimieren könnt. Neue Prozesse? Technologie? Andere Vermarktungskanäle? Das Spektrum ist beliebig groß.

Reflektiert dann, bei welchen Treibern ihr aktuell die größten Herausforderungen habt. Was sind aktuell die ein bis zwei Engpass-Treiber, die ihr als erstes optimieren müsst? Was passiert, wenn diese gelöst sind, wie geht es dann weiter? Mit dieser Überlegung könnt ihr eure strategische Planung anfüttern.

Übersetzt diese Engpässe dann jeweils in strategische Initiativen: Was könnt ihr tun, um den Engpass aufzulösen? Wie könnt ihr den Erfolg dieser Initiative über die Verbesserung der passenden strategischen Metrik laufend überprüfen?

Das Schwungrad ist niemals komplett fertig. Immer wieder werdet ihr es an neue Erkenntnisse zu Markt, Kunden und Unternehmen anpassen. Nehmt euch in euren Quartalsupdates jeweils eine Stunde Zeit. Stellt euch dabei folgende Fragen:

  • Wie gut sind wir mit dem Flywheel unterwegs? Wie haben sich die strategischen Metriken entwickelt?
  • Welche Engpässe haben wir gelöst und welche sind neu entstanden?
  • Gibt es Veränderungen im Markt und in unseren Produkten, die eine Anpassung des Flywheels verlangen?

Der Impact

“What matters most is how well you understand your flywheel and how well you execute on each component over a long series of iterations.” Jim Collins

Wie eingangs schon gesagt: Für mich ist das Flywheel eines der wichtigsten strategischen Instrumente. Durch das Herausschälen der Geschäftstreiber bekommt ihr einen klareren Blick auf die einzelnen Erfolgstreiber und ihr Zusammenspiel. Diese gemeinsame Sicht sprengt die Silos und fördert die gegenseitige Wertschätzung und Zusammenarbeit.

Gleichzeitig fokussiert das Flywheel jede strategische Diskussion auf das Wesentliche. Es macht klar, wo eure Engpässe liegen – die ihr dann je nach Ausmaß Schritt für Schritt auflösen könnt.

Viel Erfolg beim Ausprobieren!

Mit der Anmeldung zum Newsletter stellst du sicher, dass du künftig keine Anregungen rund um Leading Myself, Leading my Team und Leading my Business verpasst.

Damit du dein Unternehmen und dein Team weiterhin mit all deiner Energie in den Höhenflug führen kannst!

Viel Spaß dabei

Dorothea

Volate – Fliegt!

Photo by Christian Bass on Unsplash

Vision: Eure Reise zum Nordstern

„Wenn das Leben keine Vision hat, nach der man strebt, nach der man sich sehnt, die man verwirklichen möchte, dann gibt es auch kein Motiv, sich anzustrengen.“

Der Psychoanalytiker Erich Fromm bringt es auf den Punkt: Wenn wir wirklich etwas Großes schaffen wollen, dann brauchen wir eine Vision, die uns selbst und alle Menschen um uns herum begeistert: Unsere Kolleginnen und Kunden und schließlich auch die größere Gesellschaft.

Eine der großartigsten Unternehmervisionen stammt von Werner von Siemens:

„Als ich mit 17 Jahren aus dem Mecklenburgischen nach Berlin kam (…) besaß (ich) nichts abgesehen von meinen Händen, meinem Verstand und einem Traum. Dem Traum von »einem Weltgeschäft à la Fugger«, wie ich es (…) nannte. Es war der Traum von einem Unternehmen, welches durch ständige Erfindungen und den unternehmerischen Weitblick dazu beiträgt, Wissen und Wohlergehen der Menschheit zu steigern und welches (…) gerade in dieser Kombination wirtschaftlich ist. Es war der Traum von einem Unternehmen, das der doppelten Verantwortung des Unternehmers gerecht wird, derjenigen gegenüber sich selbst und seinen Angestellten, und keiner geringeren als derjenigen gegenüber der Welt, die ihn umgibt.“

Diese Vision ist keiner dieser weitgehend inhaltsleeren 4-7 Wort-Sätze à la „To make people happy“ (Disney).

Es ist eine Zukunftslegende, die lebendig beschreibt, was Siemens für seine Kunden und Kollegen macht, was es für den Unternehmer und für die Gesellschaft bedeutet: ständige Erfindungen, Wissen und Wohlergehen steigern, Wirtschaftlichkeit, Verantwortung.

Und sie enthält ein ambitioniertes, mutiges Langfristziel „Ein Weltgeschäft à la Fugger“. Das ist der Nordstern oder auch das Monsterziel (bei Jim Collins: BHAG – Big Hairy Audacious Goal).

Diese Vision hat Früchte getragen. Nächstes Jahr feiert Siemens seinen 175. Geburtstag. Es ist ein erfolgreiches Technologieunternehmen, das ständig neue Erfindungen hervorbringt. Ein Weltgeschäft, das Mitarbeiter in mehr als 200 Ländern beschäftigt.

Wie aber kommt ihr zu einer solchen Vision?

Eure Zukunftslegende

Am besten fangt ihr mit eurem Bild der Zukunft an. Die Frage: Wie fühlt, riecht, hört sich die Welt an, wenn ihr in 7 Jahren einen riesigen Schritt in Richtung eures Zieles gegangen seid?

Was wollt ihr dann für eure Kunden und Kollegen, für euch selbst und für die Gesellschaft erreicht haben?

Schafft eine begeisternde Zukunftslegende, die eure ganze Überzeugung, Emotion und Leidenschaft zeigt und die Fantasie und Begeisterung aller anregt. Und die ihr an euren Kaminabenden genauso begeistert erzählt wie all die Gründerlegenden aus den ersten Tagen eures Unternehmens.

Um diese Legende zu entwickeln, macht ihr am besten ein gemeinsames Brainstorming im Leadership Team.

Zoomt 7 Jahre in die Zukunft.

2028.

Ihr seid Unternehmen des Jahres geworden! Die Preisverleihung steht an. Eure Laudatorin hat zur Vorbereitung ihrer Rede mit vielen Menschen gesprochen. Noch nie hat ein Unternehmen sie so begeistert wie eures!

Teilt euch zum Brainstorming in 4 Gruppen auf: Team, Kunden, Eigentümer / Gründerinnen und Gesellschaft.

Die Perspektive eures Teams

Ihr habt mit dem besten Team der Welt den besten Arbeitsplatz geschaffen. Beschreibt, wie es sich anfühlt, im Jahr 2028 in eurem Unternehmen zu arbeiten.

  • Wie groß ist das Team? Wo sind eure Standorte?
  • Wie arbeitet ihr zusammen?
  • Was macht eure Unternehmenskultur so besonders?
  • Warum bleiben die Leute so lange in eurem Unternehmen?

Die Perspektive eurer Kundinnen und Kunden

Euer Unternehmen ist eine echte Love Brand! Noch nie gab es ein so besonderes Kundenerlebnis! Beschreibt, wie es sich anfühlt, im Jahr 2028 mit eurem Unternehmen zu arbeiten.

  • Was macht dieses Unternehmen zu einer echten Love Brand? Warum werdet ihr so oft weiterempfohlen?
  • Wie fühlt es sich an, mit diesem Unternehmen und seinen Produkten zu arbeiten?
  • Wie hat die Arbeit mit diesem Unternehmen dein (Arbeits-) Leben verbessert?
  • Was konntest du mit diesem Unternehmen und seinen Produkten erreichen?

Die Perspektive der Gründerinnen & Eigentümer

Euer Unternehmen ist das beste Unternehmen, das ihr je aufgebaut und finanziert habt! Beschreibt, wie es sich in 2028 anfühlt, euer Unternehmen gebaut zu haben.

  • Wie war eure Reise?
  • Was macht euch so unglaublich stolz auf euer Unternehmen? Auf das Team? Auf eure Leistungen? Euren Impact?

Die Perspektive der Gesellschaft

Euer Unternehmen macht die Welt zu einem besseren Ort. Beschreibt, wie euer Unternehmen die Gesellschaft bis 2028 beeinflusst hat.

  • Was macht euer Unternehmen so herausragend?
  • Welchen Einfluss habt ihr auf die Gesellschaft?
  • Was habt ihr verbessert?

Seid mutig, stellt euch das Unvorstellbare vor. Beschreibt eure Gefühle, Gedanken, macht das Bild so greifbar und schmackhaft wie möglich. Sucht euch Bilder, die diese Stimmung beschreiben. Denn es ist ja eine Vision – und kein Geschäftsbericht.

Formuliert dann zu jeder der Perspektiven 5-7 Sätze, in denen ihr eure Erfahrungen beschreibt. Das ist der Grundstock für eure Zukunftslegende.

Setzt diese Beschreibungen dann zu einer schlüssigen Laudatio zusammen. Was sind die gemeinsamen Perspektiven, welche Worte nutzt ihr besonders häufig, welche Erfolgskriterien schimmern durch die Beschreibung der Erfahrungen? Fehlt noch was?

Voilà – schon steht eure Zukunftslegende (Ok, dauert schon ein wenig, ist aber ein unglaublich inspirierender Prozess.).

Noch plastischer könnt ihr das ganze machen, wenn ihr diese Geschichte wirklich in ein Bild übersetzt. Denn genau das soll eine Vision sein: Ein subjektives, bildhaftes Erleben von etwas sinnlich nicht Wahrnehmbarem … so steht es jedenfalls bei Wikipedia.

Ein solches Zukunftsbild kann eine unglaubliche Dynamik entwickeln. Ein Freund von mir hatte als persönliche Zukunftsvision ein Landhaus in Südfrankreich. Zusammen mit seiner Partnerin hat er diese Vision beschrieben und sie mit einer Collage sichtbar gemacht: Das Haus, der Olivenhain, die Pferde…. Für ein paar Jahre hing diese Collage für alle sichtbar im Flur der Wohnung. Bis sie die Vision umsetzten und nach Südfrankreich zogen. In ein Haus, das genauso aussieht wie das auf der Collage.

Euer mutiger Nordstern

Ergänzt eure Zukunftslegende dann mit einem nicht minder ambitionierten und mutigen Ziel. Der erste Schritt dazu ist die Definition euer Nordstern-Metrik.

Eure Nordstern-Metrik ist die Kennzahl, die den Wert, den ihr euren Kunden bringt, am besten widerspiegelt.

Es ist eine Output-Kennzahl.

Es ist nicht der Umsatz.

Beispiele für Nordstern-Metriken sind

  • Spotify = Mit Zuhören verbrachte Zeit
  • Airbnb = Anzahl der gebuchten Nächte
  • Facebook = Monatlich aktive Nutzer
  • Amazon = Anzahl der Einkäufe pro Monat

Zum Nordstern werden diese Metriken, wenn ihr ihnen einen Wert gebt, der eine große Herausforderung darstellt, die ihr nur gemeinsam mit dem ganzen Team erreichen könnt. Das Ziel sollte greifbar, zeitlich terminiert, messbar und total fokussiert sein. Ein einziger Satz: In 7 Jahren wollen wir X geschaffen haben.

Der berühmteste Nordstern aller Zeiten stammt von John F. Kennedy:

„Ich glaube, dass sich die Vereinigten Staaten das Ziel setzen sollten, noch vor Ende dieses Jahrzehnts einen Menschen auf den Mond und wieder sicher zur Erde zurückzubringen.“

Es ist der perfekte Nordstern: Mutig, fokussiert und zeitlich klar bestimmt. Machbar, aber nur unter größten gemeinsamen Anstrengungen. Mit dieser Vision wurden alle auf ein gemeinsames Ziel eingeschworen. 

Auf ein Nordstern-Ziel hinzuarbeiten, schafft eine klare Perspektive. Und doch ist es nur ein Zwischenstopp auf dem Weg in eure Zukunft. Denn eigentlich sollte eure Vision so groß sein, dass sie nie wirklich fertig ist. Denn erst dann schafft ihr ein Unternehmen, von dem ihr sagen könnt: „Built to stay“.

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Dorothea

Volate – Fliegt!

Strategie: Abheben mit Vision und Flywheel

Die letzten Wochen des Jahres. Klassische Strategiezeit. Rückblick auf das Jahr und Pläne für das nächste Jahr.

Viele Teams nehmen sich gerade die Zeit, einen Schritt zurückzutreten und jenseits der üblichen Quartalsziele zu überlegen, wohin die Reise grundsätzlich geht. Aber wie entwickelt ihr eine überzeugende Strategie?

Die Reise zum Nordstern

Eure Strategie ist das Bündel an Initiativen, die euch von eurer aktuellen Situation hin Richtung Vision bringt.

Zu einer tragfähigen Strategie kommt ihr am besten über drei Vorbereitungsschritte: Die Entwicklung eurer Vision, den Check eurer Skalierbarkeit und das Verständnis eures Flywheels.

Vision & Nordstern

Wie heißt es so schön bei Stephen Covey: „Begin with the end in mind.“ Schafft ein plastisches, begeisterndes Bild eurer Zukunft in 7-10 Jahren.

Ihr habt sicher Gründerlegenden aus euren Anfangstagen. Wie aber würde sich eine Zukunftslegende anhören? Eine spannende Geschichte, die ihr mit Begeisterung bei euren Kaminabenden erzählt. Seid dabei mutig, stellt euch das Unvorstellbare vor, macht das Bild so greifbar wie möglich. Sucht euch Bilder, die diese Stimmung beschreiben. Denn es ist ja eine Vision – und kein Geschäftsbericht.

Definiert dann euren Nordstern. Das ist die Metrik, die euren Impact aus Sicht der Kunden am besten reflektiert. Bei volate ist das z.B. die Anzahl der Gründer, die echte Growth Leader geworden sind. Und gebt dieser Metrik einen wirklich anspruchsvollen Wert.

Mehr zur Entwicklung einer mitreißenden Vision und zum Nordstern im nächsten Blogartikel.

Skalierbarkeitscheck

Geht dann zurück an den Start und checkt, wie gut eure Rakete für den langen Flug gewappnet ist.

Nehmt euch bei diesem Skalierbarkeitscheck alle wesentlichen Wachstumshebel vor

  • Kunde: Wie gut kennt ihr eure Kunden? Wie einzigartig ist euer Wertversprechen? Gewinnt ihr replizierbar neue Kunden und habt begeisterte Bestandskunden?
  • Strategie: Gibt euer großer Traum allen Orientierung? Habt ihr eine klare Strategie und robuste Planungen? Kennen alle eure Ziele und ihren jeweiligen Beitrag?
  • Leadership: Arbeitet und entscheidet euer Leadership Team Hand in Hand? Fußt euer Erfolg auf einer Wachstumskultur mit tief verankerten Werten?
  • Team: Gewinnt und haltet ihr die richtigen Menschen? Werden sie schnell produktiv und langfristig entwickelt? Kennen alle ihre Verantwortung? Ist die Stimmung gut?
  • Implementierung: Trefft ihr Entscheidungen auf Basis guter Diskussionen? Setzt ihr Prioritäten und Ziele rigoros um? Laufen eure Prozesse? Lernt ihr aus Erfahrungen?
  • Finanzen: Skaliert ihr euer Geschäftsmodell mit wachsenden Umsätzen und Margen? Könnt ihr euer Wachstum jederzeit finanzieren? Steuert ihr mit klaren KPI?

Wo steht ihr entlang dieser Wachstumshebel? Seid ihr voll skalierbar und flugfähig? Oder klappert eure Rakete noch? Welche Impulse gibt euch diese Analyse für die Weiterentwicklung eurer Organisation?

Seid radikal aufrichtig mit euch selbst. Denn nur, wenn ihr euch eure Operations nicht schönredet, könnt ihr euer Unternehmen auf das nächste Level bringen.

Flywheel & strategische KPI

Setzt euch als nächstes mit dem Schwungrad eures Wachstums auseinander. Das ist der selbst verstärkende Kreislauf von 4-6 essenziellen Business Treibern, der euch immer schneller wachsen lässt.

Überlegt euch, welche Markt-, Kunden- und Produktdynamiken euch nach vorne bringen. Wie hängen diese Effekte zusammen? Bei Amazon sieht das z.B. so aus:

  • Eine wachsende Anzahl von Kundenbesuchen führt dazu, dass
  • Die Plattform zunehmend attraktiver für Drittanbieter ist,
  • Die damit das Angebot auf der bestehenden Plattform ausweiten,
  • Und zu wachsenden Umsätzen bei stabilen Fixkosten führen, die es Amazon erlauben,
  • Die Preise bei einem gleichzeitig steigenden Angebot zu senken,
  • Was wiederum zu einer wachsenden Anzahl von Kundenbesuchen führt

… und so weiter und so fort.

Ihr macht euer Flywheel steuerbar, wenn ihr zu den Treibern auch die passenden strategischen KPI erarbeitet. Damit könnt ihr den Erfolg der strategischen Initiativen, die ihr im nächsten Schritt entwickelt, optimal verfolgen.

“For a truly great company, the Big Thing is never any specific line of business or product or idea or invention. The Big Thing is your underlying flywheel architecture, properly conceived.

Jim Collins

Wenn das Flywheel steht, nehmt ihr euch die einzelnen Treiber vor: Wie gut seid ihr jeweils aufgestellt? Was müsst ihr tun, um das Flywheel optimal anzustoßen?

Wie genau ihr euer Flywheel erarbeitet, kommt in einem der nächsten Blogartikel.

3-Jahres-Ziel, strategische Zielrichtungen und Initiativen

Ihr kennt jetzt die organisatorischen Herausforderungen der Skalierung und die Marktherausforderungen, die sich aus eurem Flywheel ergeben. Damit könnt ihr jetzt an die Entwicklung der eigentlichen Strategie gehen.

Definiert eine erste Zwischenetappe: Was wollt ihr in 2-3 Jahren erreicht haben? Welchen Weg seid ihr bis dahin bereits gegangen?

Welche 4-5 grundsätzlichen organisatorischen und marktlichen Herausforderungen wollt ihr in den nächsten Jahren lösen? Das sind eure strategischen Zielrichtungen.

Und hinterlegt diese Zielrichtungen dann mit konkreten Initiativen, die ihr in jeweils 1-2 Quartalen umsetzen könnt. Damit habt ihr den perfekten Input für eure operativen Planungszyklen.

Wenn ihr euren Skalierungbarkeitscheck gemacht und das Flywheel systematisch erarbeitet habt, sollten sich diese Fragen schon fast von selbst beantworten. Die größte Herausforderung in diesem Schritt ist die Priorisierung der vielen Ideen. Macht euch klar, dass ihr nicht alles auf einmal lösen könnt, und fokussiert euch dann auf die 4-5 Zielrichtungen, die euch den größten Sprung nach vorne machen lassen.

Nichts auslassen

„Können wir nicht gleich mit der Strategie starten? Das geht doch viel schneller.“ Diese Frage höre ich immer wieder … Aber eine tragfähige Strategie bekommt ihr nur, wenn ihr die Vorarbeiten für die Strategie sorgfältig durchführt:

  • Ohne eure Vision seid ihr im Blindflug unterwegs. Die Strategie führt ins Nichts. Oder wie es Helen Keller formulierte: “The only thing worse than being blind is having sight but no vision.”.
  • Ohne die Arbeit an eurer Skalierbarkeit fliegt ihr im besten Fall mit einer scheppernden Rakete, im schlimmsten Fall stürzt ihr ab. Die Arbeit an der Organisation mag sich zwar mühselig anfühlen,  aber ohne sie kein nachhaltiges Wachstum.
  • Ohne das Flywheel fehlt euch die Energie für den langen Flug. Denn das Flywheel zeigt euch, welche Schlüsseltreiber euch wirklich ins Wachstum bringen.

Sprich: Habt das bisschen Geduld. Entwickelt eure Vision, macht den Skalierungbarkeitscheck und versteht euer Flywheel. Es lohnt sich, ist gar nicht so kompliziert und macht vor allem viel Spaß.

Mit einer guten Moderation könnt ihr für all diese Themen innerhalb eines Tages in Grundzügen erarbeiten und habt dann eine super Basis für die strategische Entwicklung eurer Company.

Viel Erfolg beim Ausprobieren!

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Dorothea

Volate – Fliegt!

Photo by Jenna Day on Unsplash

Runter von der Wachstumsbremse Personalmangel

Wie viele offene Stellen habt ihr gerade? Macht ihr euch auch schon Sorgen darüber, die nächsten Meilensteine nicht mehr zu schaffen, weil nicht genügend Menschen an Bord sind?

Da geht es euch wie vielen anderen auch. Der Personalmangel in Startups drückt zunehmend auf die Wachstumsbremse. Schon im August 2020 erklärten 68% der von Bitkom befragten Startups, sie hätten Probleme, geeignete Bewerber zu finden. Knapp 50% der Startups hatten offene Stellen.

Aktuell verschärft die Post-Corona-Kündigungswelle die Situation. Der Kampf um attraktive Kandidaten nimmt an Schärfe zu. Erst vor ein paar Tagen erzählte mir eine Recruiterin, dass Headhunter zum Teil schon Aufschläge angeboten bekommen, wenn sie gute Kandidatinnen früher und exklusiv vorschlagen.

What a Nightmare!

Und gleichzeitig wundert es mich nur begrenzt. Denn in vielen Teams wird das Recruiting noch immer nicht professionell betrieben. Zeit also für einen neuen Blick auf das Recruiting.

Entlang dieser 7 Thesen kannst du euer Recruiting neu aufstellen.

#1 Ohne Hiring kein Business. Mach Recruiting zu deiner Prio 1.

Eigentlich trivial: Wenn dir die richtigen Leute fehlen, dann kannst du keine gute Leistung liefern. Oder wie Marc Benioff, Gründer von Salesforce so schön sagt:

„Acquiring the right talent is the most important key to growth. Hiring was – and still is – the most important thing we do.“

Und die Engpassressource Nr. 1 ist immer auch gleich die Prio. 1 für dich als Gründer und CEO.

Wenn du es nicht bereits tust: Entwickelt eure Teamstrategie genauso sorgfältig wie eure Kundenstrategie.

Der Startpunkt dazu ist das Verständnis eurer Traumkollegen

#2 Verstehe deine Traumkollegen! Bringe die Richtigen ins Team.

Eure Traumkollegen sind die Kollegen, die euer Unternehmen aufgrund ihrer Arbeitsweise und ihrer Haltung am besten repräsentieren und mit denen ihr optimal aufgestellt seid, euer Wertversprechen an eure Traumkunden zu realisieren.

Setzt im Leadership- oder Gründerteam eine Session auf, in der ihr brainstormt, was eure Traumkollegen ausmacht. Sucht euch 3-4 Kollegen, die ihr als Traumkollegen wahrnehmt: Was sind ihre Eigenschaften, Werte, Verhaltensweisen, Umfeld? Entwickelt daraus die Persona eures Traumkollegen.

 #3 Klarheit ist alles. Employee Value Proposition und Impact Profil.

Im nächsten Schritt erarbeitet ihr, welche Anforderungen eure Traumkollegen an die Zusammenarbeit mit euch haben und welche Bedürfnisse sie in ihrem Job realisieren wollen.

Wie sind die Bedürfnisse nach Verbindung, Sicherheit, Bedeutung, Sinnhaftigkeit der Arbeit, Meisterschaft und Autonomie bei euren Traumkollegen ausgeprägt? Wie wichtig sind ihnen diese Bedürfnisse? Wie müssen eure Jobexperience und eure Kultur aussehen, um diese Bedürfnisse zu erfüllen?

Unseren Traumkollegen bei etventure war es z.B. besonders wichtig, eine enge Beziehung miteinander zu haben und gleichzeitig mit hoher Autonomie zu arbeiten. Eine starke Fehlerkultur hat sichergestellt, dass die ausgeprägte Kreativität auch wirklich in innovative Ideen übersetzt werden konnte….

Verdichtet all diese Überlegungen zu eurer Employee Value Proposition: Jeder (Traumkollege) kann (das werden) in dem er (mit euch arbeitet), und damit (Folgendes lernt und erreicht).

Mit diesen Überlegungen seid ihr noch auf der Meta-Ebene unterwegs. Konkreter wird es mit den Impact-Profilen: Der Beschreibung der Rollen, die ihr konkret ausschreibt. Folgt bei der Rollenbeschreibung dem „WHY – WHAT – HOW“-Gedanken von Simon Sinek:

  • WHY: Was ist die Mission dieser Rollen, was genau soll diese Rolle für das Unternehmen erreichen?
  • WHAT: Welche konkreten Aufgaben übernimmt die Rolle, für welche Ergebnisse ist sie verantwortlich?
  • HOW: Welche Kompetenzen und Mindset sollte der ideale Bewerber für diese Rolle mitbringen?

Aus den Inhalten der Value Proposition und dem Impact-Profil könnt ihr eine spannende Jobanzeige gestalten. Sprecht mit euren Traumkollegen in ihrer Sprache, nicht in der HR-Lingo. Challenged eure Kandidaten. Top-Leute wollen keine Arbeitgeber, die sich anbiedern.

Spätestens dann ist es Zeit, euren Recruiting-Prozess neu anschmeißen.

#4 Etabliere das Recruiting-Flywheel. Recruiting ist Vertrieb pur.

Betrachtet euer Recruiting als zweiten zentralen Vertriebsprozess, für den die gleichen Regeln gelten, wie für euren Kundenvertrieb.

Beim Nachdenken über den Vertrieb arbeite ich gerne mit dem Flywheel. Dieses Flywheel lässt sich ganz wunderbar auch auf den Recruitingprozess anwenden.

#5 Sei sexy und nahbar. Zieht eure Kandidaten ins Netz und aktiviert sie.

In der Attract-Phase könnt ihr weitergehend über die gleichen Kanäle kommunizieren, wie mit euren Kunden. Denn die Top-Kandidaten wollen euch vor allem als attraktives, spannendes Unternehmen erleben: Was ist eure Vision, welche Kunden bedient ihr, welche Innovationen kommen von euch, welchen Impact habt ihr.

Zu meinem Job bei Solon, einer damals frisch gegründeten Unternehmensberatung, kam ich über 3 Zeitungsartikel, die das Unternehmen in den unterschiedlichsten Facetten zeigten.

  • Als Beratung, die mit menschlichem Format Top-Strategieprojekte machte (Genau das, was ich suchte!).
  • Als Arbeitgeber, der was von Dual Career with Kids verstand (Super! Verständnis für meine Familienpläne!).
  • Als Thought Leader in der Telekommunikation (Klasse! Hier kann ich genau auf meiner Expertise arbeiten!).

Keiner dieser Artikel war für das Recruiting gedacht. Eine Jobanzeige habe ich nie gesehen. Brauchte ich nach den Artikeln auch nicht mehr …

Seid in der Attract-Kommunikation sexy. Kommuniziert auf Augenhöhe und mit Herz: Zeigt euer Team, den Spirit im Unternehmen, eure Kultur und den Spaß, den ihr gemeinsam habt.

In der Engage-Phase heißt es dann näher rücken. Bietet Möglichkeiten, um in den direkten Kontakt mit euch zu treten. Sprecht attraktive Kandidaten direkt an. Seid auf Job-Portalen, Uni-Veranstaltungen und anderen offenen Events unterwegs. Macht euch so erlebbar wie möglich und baut längerfristige Beziehungen auf. Praktikanten- und Werkstudentenstellen sind immer wieder super dafür. Bei etventure z.B. gab es kaum einen Kandidaten, der nicht vorher schon intensiv mit etventure in Kontakt gestanden hätte. Nutzt auch euer Team als Ambassador.

Mit einem guten Engage-Prozess zieht ihr attraktive Kandidaten immer näher an euch heran. Irgendwann ist der Köder gefressen. Endlich könnt ihr einen begeisternden und überzeugenden Recruitingprozess starten.

#6 Challenger auf Augenhöhe. Herausfordern statt Bauchpinseln.

Ein überzeugender Recruitingprozess besteht aus 6 Schritten:

Telefoncheck. Kandidaten, deren CV grundsätzlich überzeugt, sollten in jedem Fall durch einen kurzen Telefoncheck laufen, der gerne von eurem Recruitingteam gemacht werden kann.

Kommt dabei möglichst schnell zu den Fragen, bleibt nicht lange im Social Chit Chat hängen. Bei Bedarf könnt ihr bei den Fragen zwischen deutsch und englisch wechseln. Damit habt ihr schon mal einen ersten Sprachcheck und Stresstest.

Gute Fragen für diese Phase sind:

  • Erzähl mir etwas über dich selbst.
  • Wie war es, bei [X] zu arbeiten?
  • Woran würdest du am liebsten arbeiten?
  • Worauf legst du bei der Wahl deiner nächsten Rolle am meisten Wert?
  • Was möchtest du in deiner nächsten Rolle anders machen?

Lasst aber auch Zeit für die Fragen der Kandidaten.

Kulturfit-Interviews. Das erste richtige Interview sollte dem Kulturfit gewidmet sein. Zu diesem Zeitpunkt habt ihr euch noch nicht in die Kompetenz des Kandidaten verliebt und seid noch nicht befangen.

Entwickelt zu jedem eurer Unternehmenswerte eine Frage, deren Beantwortung zeigt, ob euer Kandidat diesen Wert auch wirklich lebt. Mögliche Fragen:

  • Erzähl von einer Zeit, in der du mit jemandem zusammengearbeitet hast, der völlig anders war als du. Was machte die Unterschiede aus? Wie habt ihr die Vielfalt genutzt? (Diversität).
  • Erzähl mit vom schlimmsten Fehler, der dir bei der Arbeit unterlaufen ist. Wie bist du damit umgegangen? Wie konntest du ihn lösen? (Kritikfähigkeit & Lösungsorientierung)

Kündigt bereits jetzt Referenzgespräche an und fragt auch mal aus Sicht der ehemaligen Arbeitgeber: Was würde deine ehemalige Chefin sagen, wenn wir sie das jetzt fragen?

Kompetenzcheck. Nach einem erfolgreichen Kulturfit geht es weiter. Kompetenz zeigt sich am besten in der Praxis, mit einer Case Study. Fragt auch nach den Top Learnings aus anderen Jobs.

Erklärt den Hintergrund und die Bedeutung der Case Study für die Rolle. Sagt, wonach ihr bei dem Case schaut. Lasst die Präsentation gerne auch vor erweiterter Runde halten. Baut kritische Nachfragen ein und schaut wie die Kandidatin reagiert.

Teamfit. Lasst den Kandidaten auf jeden Fall einen Teil des Teams treffen. Stellt dazu eine Gruppe aus Teammitgliedern mit unterschiedlichen Hintergründen zusammen. Arrangiert eine offene, entspannte Runde, z.B. einen Lunchtermin. Lass das Gespräch frei fließen und beobachtet, wie der Kandidat mit dieser Runde interagiert:

  • Wie interagiert der Kandidat mit dem Team? Bleibt er auf Augenhöhe?
  • Ist die Kandidatin neugierig, stellt sie gute Fragen?
  • Wie spricht sie in dieser Runde über ihre bisherigen Jobs?

Sprecht nach dem Lunch mit dem Kandidaten über seine Erfahrung. Wie lässt er sich über das Team aus? Und holt natürlich auch das Feedback des Teams ein.

Referenzen. Überprüft bei erfahrenen Kandidaten in jedem Fall die Referenzen. Führt die Gespräche selbst durch, delegiert sie nicht! Holt für Führungsrollen idealerweise 4-6 Referenzen ein: ehemalige Chefs, Peers und Mitarbeiter.

Und das sind gute Fragen für Referenzgespräche:

  • Was sind die Stärken und Schwächen der Kandidatin?
  • Warum hat die Kandidatin ihr Unternehmen verlassen?
  • Lassen Sie mich etwas über die Rolle und unsere Kultur erzählen …  Wie gut passt die Kandidatin ihrer Ansicht nach?
  • Was sollte ich beim Management des Kandidaten beachten? Was hilft ihm, produktiv zu sein?

Stellt die Fragen so, dass ihr eure Thesen zu diesem Kandidaten überprüfen könnt.

Letzte Runde. Wenn alles passt, kommt ihr zum letzten Schritt – den du am besten selbst übernimmst. Die Chance für den finalen Kulturfit und für den Kandidaten die letzte Chance, Fragen zu stellen.

In diesem Gespräch könnt ihr schon in Richtung eines möglichen Onboardings arbeiten. Geht gemeinsam das Impact-Profil durch. Lass dir Anregungen zur Entwicklung der Rolle geben. Überlegt gemeinsam, wie ein erster Monat aussehen könnte. Was würde die Kandidatin machen, wenn sie morgen startet? Diskutiert die Ziele für den ersten Monat.

Runde das Gespräch schließlich mit einer Powerfrage ab. Meine Lieblingsfrage: Was ist dein USP? Basierend auf all dem, was du jetzt über uns weißt: Wie ergänzt du unser Team?

#7 Entschlossene Zusage, gepflegte Absage. Der letzte Kick.

Entschlossene Zusage. Idealerweise gibt es jetzt eine Zusage. Mit einer schnellen Zusage zeigt ihr, dass ihr als Unternehmen entscheidungsstark seid und den neuen Kollegen wirklich sehr schätzt.

Ich habe vor Jahren mal mit BCG recruitet. Nach Abschluss des Recruitingtages baten sie mich noch kurz auf die Verabschiedung durch die Recruiterin zu warten. Nach 10 min Wartezeit die Hammerüberraschung: Es kam nicht nur die Recruiterin – sie hatte auch schon den unterschriebenen Vertrag in der Hand. Das hat mich echt umgehauen! (Hat dann aber auch nichts geholfen –  die Employer Value Proposition von Solon war einfach besser und glaubwürdiger 😉 )

Das ist natürlich das Ideal. Leider aber nicht der Normalfall.

Gepflegte Absage. Oft genug werdet ihr feststellen, dass es doch nicht passt. Zeit für eine zeitnahe und wertschätzende Absage. In jedem Fall persönlich. Wenn Ihr absagt: Nehmt euch die Zeit, eure Absage zu erläutern. Was genau hat nicht gepasst? Wo könnte der Kandidat aus eurer Perspektive eventuell besser passen? Erwartet keine Begeisterung für eure Ehrlichkeit. Jedenfalls nicht sofort. Euer Kandidat hat das Recht, durch ein Trauerphase zu gehen.

Eine tolle Idee ist es schließlich, Absagen mit einem kleinen Dankeschön für den guten Prozess zu einem besonderen Moment zu machen, wie es z.B. Red Bull mit seinem „Reiseproviant“ macht. Denn wer weiss, wann man sich wieder trifft…

Mit einem starken Prozess habt ihr super Kandidaten gewonnen. Jetzt gilt es, sie gut ins Unternehmen zu integrieren, zu entwickeln und langfristig zu halten.

Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden…

Viel Erfolg beim Ausprobieren!

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Dorothea

Volate – Fliegt!

Photo by Amer Mughawish on Unsplash

Verankert eure Werte im Team, nicht nur an der Wand

Euch ist klar, wie wichtig eure Werte für eine starke Kultur sind. Aber trotzdem scheinen sie nicht richtig angenommen zu werden:

  • Ihr habt euch Werte mit viel Liebe entwickelt – aber keiner kennt sie?
  • Die Werte hängen als coole Poster an der Wand – aber keiner schaut hin?
  • Im Recruiting greift ihr regelmäßig daneben? Der Teamfit stimmt einfach nicht?

Wenn euch das bekannt vorkommt, dann habt ihr zwar eure Werte entwickelt – aber einen wichtigen Schritt verpasst: Eure Werte im Team zu verankern.

Dabei ist das gar nicht so schwierig. Wichtig ist nur, dass ihr nicht nur eure Werte und deren Beschreibung formuliert, sondern sie wirklich erlebbar macht.

Der Weg zur Verankerung eurer Werte läuft über 5 Schritte. Mit den ersten drei Schritten beschreibt ihr eure Werte, gerne in Form einer Wertekarte. Schritt 4 und 5 bringen eure Werte zum Leben.

Wertekarte

Gemeinsame Werte identifizieren

Am Anfang steht die Entwicklung der Werte. Am besten gemeinsam im Gründerteam. Nutzt den im Blogartikel „Deine Werte: Das Fundament mutiger Führung“ beschrieben Prozess. Lasst jeden in der Runde die Eigenschaften von 2-3 Menschen vorstellen, die sie oder ihn begeistern oder positiv beeinflusst haben. Wenn die Liste komplett ist, gruppiert ihr diese Eigenschaften zu euren gemeinsamen Werten. 5-6 Werte sind eine gute Zahl.

Ich habe das gerade erst wieder mit einem Gründerteam gemacht. Keine 60 Minuten vergingen, bis wir ein erste Set an Werten hatten, dass das Team wirklich repräsentiert. Werte wie „Create your own way“ oder „Create value“ und nicht das Werte-Bullshit-Bingo von Integrität, Wertschätzung, Offenheit, Verantwortung, Teamwork und Innovation.

Bei Volate hat dieser Prozess zum Kernwert „Unverschämte Leichtigkeit“ geführt.

Werte beschreiben

Als nächstes beschreibt ihr die Werte möglichst plastisch und emotional. Aber schon mal eine Warnung. Egal, wie sehr ihr euch um die Lesbarkeit diese Texte bemüht: Mit diesen Beschreibungen erreicht ihr vor allem die Hirne eurer Kollegen – nicht ihre Herzen.

Viel besser als abstrakte Texte können wir uns Geschichten merken. Werte wurden früher mit plastischen Legenden und Geschichten am Lagerfeuer weitergegeben. Schaut nach „Legenden“ aus eurem Leben oder eurem Unternehmen, die zeigen, wie ihr eure Werte lebt und erzählt sie immer wieder. Damit zeigt ihr nicht nur, dass euch diese Werte wichtig sind, sondern auch dass ihr sie lebt.

Ergänzt dann die Werte um ein Bild oder Icon, dass diesen Wert repräsentiert. Denn: Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. So, erster Teil der Beschreibung geschafft. Wert beschrieben. Hier meine Wertekarte für die unverschämte Leichtigkeit.

Meine Wertekarte zu „Unverschämte Leichtigkeit“

Werte operationalisieren

Als nächstes geht es an die Übersetzung der Werte in Handlungsorientierungen. Überlegt euch zunächst, wie sich eure Werte im ganz konkreten Tun zeigen. Das sind eure Arbeitsprinzipien. Am besten macht ihr diese Ableitung gemeinsam mit eurem Gesamtteam. Dann setzt sich jeder damit auseinander, was eure Werte für ihn oder sie bedeuten. Mit den Arbeitsprinzipien gestaltet ihr den Alltag der Menschen, die bereits im Team sind und schafft klare Leitplanken.

Das wertebasierte Recruiting unterstützt ihr, indem ihr für jeden Wert eine oder zwei Recruitingfragen entwickelt, mit denen die Recruitees und eure Kollegen explorieren können, was dieser Wert für sie bedeutet. Stellt die Fragen so, dass euer Gegenüber eine Erfahrung aus seinem Leben erzählt. Das gibt euch ganz schnell ein Gefühl dafür, wie wichtig dieser Wert für eure Gesprächspartner ist: Erzählt er von einer profunden Erfahrung oder kommt sie mit irgendwelchem Kleinkram? Wird das mit Begeisterung erzählt oder eher gelangweilt…

Mit den Arbeitsprinzipien und den Recruitingfragen ist eure Wertebeschreibung komplett. Wenn ihr euch jetzt noch die Zeit nehmt, all das in eine spannende Präsentation zu übersetzen, wird die Sache richtig rund.

Ein starkes Kultur-Dokument ist das „Netflix Culture Deck“: Durchdacht, gut gestaltet, umfassend. Sehr gelungen ist auch das „Little Book of IDEO“: Es zeigt die Werte und Prinzipien des Designunternehmens und belebt die Werte mit passenden Stories. Ein liebevoll gestaltetes Buch, das jeder bekommt, der bei IDEO einsteigt.

Little Book of Ideo: Werte, Bild, Arbeitsprinzipien, Mitarbeiter-Videos zu gelebten Werten. Quelle: Ideo

Werte vorleben

Wenn ihr eure Werte definiert habt, geht es an die Umsetzung. Mit euch Gründern in der Hauptrolle. Denn ob ihr es wollt oder nicht: Zu euch schauen alle auf. Euer wichtigster Job: Lebt die Werte authentisch vor und kommuniziert sie breit und ständig. Nicht nur verbal, sondern vor allem mit eurem täglichen Handeln.

Denn Handeln ist stärker als Worte. Was ihr tut und was ihr unterlasst definiert die wahren Werte der Organisation. Ihr sprecht über „unverschämte Leichtigkeit“, kommentiert aber jeden Urlaub der genommen wird kritisch? Dann ist euer eigentlicher Wert „Leistung um jeden Preis“ …

Es reicht auch nicht, dass ihr eure Zielkultur einmal vorstellt und die Werte mit hübschen Postern an die Wand hängt. Diskutiert die Werte und ihre Auswirkung auf euer Handeln in den unterschiedlichsten Runden, reflektiert sie bei wichtigen Entscheidungen, orientiert eure Prozesse und Organisation daran. Nur dann werden eure Werte wirklich zur Kultur.

Fritz Trott von Zenjob hat diesen Prozess wunderbar beschrieben:

Wir haben vier Werte: #Humble #Hungry #Honest #Helpful. Die haben wir bereits am Anfang etabliert. Sie stehen bei uns an der Wand, aber davon leben sie nicht. Sie leben davon, dass wir uns so verhalten.

Für unsere neuen Mitarbeiter gibt es immer eine Begrüßung. Da erkläre ich die Werte mit einer Geschichte: „Du bist jetzt hier bei Zenjob. Stellt dir vor, du hast dich mit jemandem von außerhalb zum Mittagessen verabredet. Die Person wartet kurz am Empfang auf dich. Beim Mittagessen erzählt sie dann, was sie in dieser Zeit erlebt hat: „Unglaublich, wie nett hier die Leute sind, wie hilfsbereit die Dame am Empfang war. Ich habe zwei von deinen Kollegen zugehört. Diese Leistungsbereitschaft, echt hungrig! Ich habe gesehen, wie der CEO der Praktikantin „Hallo“ gesagt hat“.

Das zeigt ganz praktisch, wie unsere Werte gelebt werden. Und das ist das, was uns wichtig ist.

Werteorientierter Teamaufbau

Nicht jeder Mensch passt in jede Kultur. Und eure Kultur ist nur stark, wenn sich alle gerne daran orientieren.

Präsentiert eure Kultur offensiv nach aussen – so wie Netflix oder Hubspot mit ihren Culture Decks. Dann bewerben sich nur die Menschen, die diese Kultur mittragen wollen.

Stellt unter Nutzung der Recruitingfragen nur Menschen ein, die zur Kultur eures Unternehmens passen. Helft neuen Kollegen, sich in eure Kultur einzuleben und eure Werte frühzeitig zu erfahren. Kulturworkshops sollten ein integraler Bestandteil des Onboardings sein.

Macht das Leben der Werte zur Voraussetzung bei Beförderung. Und trennt euch von Menschen, vor allem von Führungskräften, die eure Werte nicht leben, egal wie gut sie „performen“.

Was beim Thema Kultur viel gebracht hat, ist, dass wir bei Dingen, die uns wichtig waren, sehr explizit waren. Und dann Exempel dazu statuiert haben. Bei uns gibt es z.B. ein Prinzip, das heißt „No Politics“. Wo wir arbeiten möchten, darf es keine Politik geben. Punkt. Keine Ausnahmen. Wir haben das in unseren Werten definiert und Beispiele für Red-Flag-Verhalten gegeben: Das Reden hinter dem Rücken von anderen, das schlecht reden über andere… Dann gab es tatsächlich eine Mitarbeiterin, die genau das gemacht hat: Schlecht über andere zu reden. Da gab es keine zweite Verwarnung. Die haben wir sofort entlassen. Das spricht sich dann schnell rum. Jetzt ist es allen klar, dass wir es mit No Politics ernst meinen. So etablierst du deine Werte. Das machst du mit denen, die wirklich zentral sind für das Gefüge und die Selbstselektion der Organisation.

Alex Mahr & Jan Sedlarek, Stryber

Lasst schließlich auch eure Kunden erleben, was eure Werte sind – denn schließlich sind auch sie Teil eures Traumteams.

Die Kulturgestaltung über Werte ist ein umfangreicher und zeitintensiver Prozess. Aber der Zeiteinsatz lohnt sich. Unternehmen mit starken gelebten Werten performen nachweislich besser als der Wettbewerb. Noch viel wichtiger aber: Ihr schafft ein Unternehmen, indem ihr gemeinsam mit viel Spaß etwas schafft, das über euch hinauswächst. Und du gewinnst deine unternehmerische Freiheit. Allein schon dafür lohnt sich der Weg.

Viel Erfolg beim Ausprobieren!

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Damit du dein Unternehmen und dein Team weiterhin mit all deiner Energie in den Höhenflug führen kannst!

Viel Spaß dabei

Dorothea

Volate – Fliegt!

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