5 Hebel zur Prävention toxischer Konflikte

Veröffentlicht von Dorothea 26/01/2022

Ganz ehrlich: Am liebsten hätten wir alle ein super harmonisches Umfeld. Kein Streit, keine Konflikte. Einfach immer nur nett miteinander sein.

Aber leider ist das nicht die Realität. Konflikte gibt es überall. Führungskräfte verbringen im Schnitt 20% ihrer Zeit mit dem Management von Konflikten. Reinhard Sprenger postuliert in seinem Buch „Magie des Konflikts“ sogar, das Unternehmen und Führungskräfte nur existieren, um die essenziellen Konflikte zwischen den verschiedenen Funktionen zu organisieren.

Konflikte sind also nicht Ausnahmezustand, sondern ein zentrales Thema deiner Führungsarbeit. Und weil das so ist, solltest du am besten zum Meister im Umgang mit Konflikten werden. Bejahe und nutze produktive Konflikte, erkenne toxische Konflikte und lerne sie aufzulösen.

Werde gemeinsam mit dem Gründer- und Leadershipteam ein Vorbild in Sachen Streitkultur. Gerade hier braucht ihr das gemeinsame Ringen um den besten Weg. Euer Ziel ist es nicht, eure Konflikte zu beenden. Euer Ziel ist es, eine intensive Zusammenarbeit zu schaffen, die es euch ermöglicht, die notwendigen inhaltlichen Differenzen zu reflektieren und damit tragfähige und zukunftsorientierte Entscheidungen zu treffen.

Die Vertrauenspyramide als Kompass

Ein super Hebel für euer aktives Konfliktmanagement ist die Vertrauenspyramide von Patrick Lencioni. Diese Vertrauenspyramide zeigt, was Teams tun müssen, um zu einem High Performance Team zu werden.

Zur Erinnerung einmal im Schnelldurchlauf:

  • Grundlage von High Performance Teams ist das Vertrauen ineinander. In Konfliktteams ist das Vertrauen ineinander angegriffen. Man schottet sich gegenüber den anderen ab, defensives, reaktives Verhalten prägt das Miteinander.
  • Wenn wir uns vertrauen, bringen wir selbst schwierige Themen in einem kritischen Diskurs zur Lösung. In Konfliktteams herrscht dagegen of künstliche Harmonie, Konfliktthemen werden gemieden und unter dem Deckel gehalten.
  • Ein produktiver kritischer Diskurs bringt uns zu klaren Entscheidungen und gegenseitigen Verpflichtungen. Konfliktteams meiden typischerweise Committments und klare Verantwortlichkeiten. Das Resultat: Unzufriedenheit und Frustration.
  • Verpflichtung sind die Voraussetzung für gegenseitige Rechenschaft. In Konfliktteams fehlt Rechenschaft oft. Es wird schlecht oder gar nicht geliefert, aber keiner hält dagegen. Man kann sich nicht aufeinander verlassen.
  • Schließlich brauchen wir die gemeinsame Ergebnisorientierung. Jeder weiß, wie er oder sie zur Zielerreichung beiträgt. Erfolge werden gemeinsam wahrgenommen und gefeiert. Kein Raum für Egotrips und Selbstoptimierung.

Wie aber lassen sich diese Erkenntnisse für ein proaktives Konfliktmanagement nutzen?

Aufbau Vertrauen

Vertrauen entsteht, wenn ihr das Gefühl habt,

  • dass alle im gleichen Boot zu sitzen (Verbindung),
  • dass ihr mit dem, was ihr tut, bedeutsam für das Team seid (Bedeutung)
  • und wenn sich alle im Team sicher miteinander fühlen. Das umfasst sowohl die psychologische Sicherheit, also keine Angst davor zu haben, Fehler zu machen, Zuverlässigkeit, Aufrichtigkeit und Kompetenz in der jeweiligen Rolle.

Vertrauen passiert nicht einfach so, sondern entwickelt sich in der gemeinsam verbrachten Zeit und über gemeinsam durchgeführte Projekte.

In vielen Gründerteams, mit denen ich arbeite, kommt diese gemeinsame Zeit viel zu kurz. Jeder arbeitet in seinem Silo. Abstimmungen passieren nur noch zwischen Tür und Angel. Regelmäßige Jour Fixes, in denen auch mal Zeit für ein längeres Gespräch ist, entfallen dagegen häufig.

Das ist gleich doppelt schwierig: Zum einen fehlt es an der Zeit zur Beziehungspflege. Zum anderen entstehen ad-hoc-Lösungen immer in einem Klima des Stresses. Und unter Stress sind wir nicht besonders empathisch. Besser ihr habt ausreichend Zeit, um auch die tieferen Gründe hinter den Entscheidungen zu explorieren.

Hebel #1: Gemeinsamer Jour Fixe

Richtet einen regelmäßigen Gründer Jour Fixe ein. 1-2 Stunden pro Woche. Plant explizit Zeit für persönliche Gespräche und Updates ein. Am besten gleich am Anfang als Check-in. Stellt sicher, dass diese Jour Fixes absoluten Vorrang haben und nicht einfach ausfallen.

Kritischer Diskurs

Statt kritische Themen unter den Teppich zu kehren, solltet ihr Störungen frühzeitig adressieren. Sowohl sachliche als auch persönliche Störungen. Plant regelmäßig Zeit für gegenseitiges Feedback ein. 10 min in jedem eurer Jour fixe ist eine gute Basis. Am besten ergänzt durch regelmäßige, größere Retrospektiven eurer Zusammenarbeit.

Wartet mit schwierigem Feedback aber nicht, bis es wirklich knallt. Denn wenn Konflikte lange schmoren, brennen sie mit hoher Sicherheit an.

Hebel #2: „Störungen haben Vorrang“

Gebt euch die Policy: „Störungen haben Vorrang“. Beeindruckt hat mich hier das Vorgehen, das mir Maria Sievert, CEO von Inveox, geschildert hat:

Wir haben eine Grundregel: Bei Auftreten eines Konflikts zwischen uns beiden stoppen wir bis auf ganz wenige Ausnahmen alles. Dann werden im Zweifel auch mal Meetings abgesagt, bis das Problem gelöst ist und wir wieder „fit“ sind. Das ist eine Grundregel, die wir als Geschäftsführer seit Beginn befolgen. Bis zu einem gewissen Grad versuchen wir das auch an unsere Mitarbeiter weiterzugeben. Ihnen raten wir: „Wenn ihr vor einem Konflikt steht, dann unterbrecht die thematische Arbeit und löst erstmal den emotionalen Konflikt. Dadurch erlangt ihr wieder einen ganz anderen Blick auf das Problem”.

Klare Verpflichtung

In konfliktreichen Teams erlebe ich es immer wieder, dass die Gründer nur ein unklares Verständnis ihrer jeweiligen Rollen und Verantwortlichkeiten haben.

Oft manifestiert sich das bereits bei den Titeln der Gründer. Sind alle Co-CEOs, so steht dahinter oft die Vermeidung einer schwierigen persönlichen Diskussion um die ganz persönlichen Bedürfnisse: Bedeutung, Fairness, Kompetenzen…

Ähnliches gilt für die Sprüche „Wir entscheiden ad hoc, wer was übernimmt.“ oder „Wir entscheiden alles gemeinsam.“. Wenn man dann nachbohrt, wird klar, dass Ziele nur grob definiert und Entscheidungen nicht wirklich getroffen, geschweige denn festgehalten wurden. Das echte Committment fehlt. Der Raum für Interpretation ist riesig, Konflikte sind vorprogrammiert.

Hebel #3: Klare Rollen, klare Entscheidungen

Definiert eure Rollen und Verantwortlichkeiten klar und eindeutig. Redet in diesem Zuge auch darüber, was euch jeweils persönlich wichtig ist, wo eure Stärken und Schwächen liegen. Vor allem die Diskussion über die CEO-Rolle ist sicher eine der schwierigsten in Gründer Teams. Schließt alle eureDiskussionen mit klaren Entscheidungen ab und dokumentiert sie: Wer, was, warum, bis wann. Damit ist auch die Basis für die Rechenschaft gelegt.

Gegenseitige Rechenschaft

Laut einer Studie von Overfield & Kaiser halten 46%, sprich fast die Hälfte aller Führungskräfte, Rechenschaft viel zu wenig nach.  Rechenschaft für die meisten von uns ein äußerst unangenehmer Akt, der eine unglaubliche Abwehr bis hin zu Angst auslöst. Eine Abwehr, die sich schon in den Formulierungen zeigt: Man ist Rechenschaft schuldig, sie wird eingefordert oder verlangt, man wird zur Rechenschaft gezogen.

Diese Angst führt gerade in Konfliktteams zu einem dysfunktionalen Umgang mit Rechenschaft. Entweder fällt sie einfach flach. Oder sie wird aggressiv als Waffe eingesetzt. Das Ergebnis: Gegenseitige Vorwürfe und Unterstellungen, Frustration, das Gefühl fehlender Fairness…

Hebel #4: Rechenschaft als Routine

Schafft Routinen für die gegenseitige Rechenschaft. Denn was Routine ist, ist Normalität. Die Angstgefühle fallen weg. Idealerweise berichtet ihr proaktiv, was ihr erreicht habt und wo es Probleme gibt. Hakt aber auch aktiv nach, wenn euer Gegenüber im Verzug ist. Wie auch bei den anderen Themen sind eure Jour Fixes ein guter Rahmen für die gegenseitige Rechenschaft.

Zielorientierung

Der Streit um akute Fragen der Unternehmensführung ist in den meisten Konfliktteams nur die Spitze des Eisbergs. Die eigentlichen Treiber der Konflikte liegen in sehr persönlichen, grundsätzlichen Fragen. Damit ihr gemeinsam in eine Richtung steuert, ist es wichtig, dass ihr euch regelmäßig auch zu diesen Grundsatzfragen abstimmt und einen Weg findet, der die Bedürfnisse aller befriedigt.

Hebel #5: Persönliche Bedürfnisse verstehen

Sprecht regelmäßig, zumindest einmal im Jahr, über eure persönlichen Ziele, Bedürfnisse und Werte, die ihr mit eurem Unternehmen verfolgt. Wann ist das Unternehmen aus meiner Sicht erfolgreich / erfolglos? Welche Bedürfnisse befriedige ich mit dem Unternehmensaufbau? Was motiviert mich, weiterhin mit voller Energie am Aufbau zu arbeiten? Was brauche ich in der Zusammenarbeit? Und überlegt dann, wie euer Unternehmen und eure Zusammenarbeit gestaltet sein müssen, damit sie eure persönlichen Ziele und Bedürfnisse optimal erfüllen. Wenn ihr euch auf dieser grundsätzlichen Ebene einig seid, fällt euch der Rest der Entscheidungen viel leichter.

Mit diesen 5 Lösungsansätzen schafft ihr eine hervorragende Konflikt-Vorsorge:

  • Mit dem Abgleich eurer persönlichen Ziele, Bedürfnisse und Werte ist das größte verdeckte Konfliktpotenzial schon mal aus dem Weg geräumt.
  • Die regelmäßigen Jour-Fixes stärken eure Beziehungen.
  • Klare Rollen und klare Entscheidungen reduzieren unnötige Missverständnisse.
  • Rechenschaft als Routine nimmt die Angst vor schwierigem Feedback.
  • Und mit dem Motto „Störungen haben Vorrang“ räumt ihr Probleme schnell auf.

Viel Erfolg bei der Umsetzung!

Volate – Fliegt!