Aimie-Sarah Carstensen hat 2016 ArtNight gegründet.
ArtNight ist ein echtes Herzensprojekt. Getrieben von der Vision, Menschen dazu zu inspirieren, ihre tägliche Routine zu durchbrechen und ihren kreativen Flow zu erleben – für mehr Glück und Lebensfreude im Alltag. In der Coronazeit dann auch im virtuellen Raum, aber nicht weniger kreativ.
Kreative Schaffenskraft ist einer meiner wichtigsten Werte. Und genau das lebt Aimie: In ihrem Leben dreht sich alles um Unternehmertum, persönliche Weiterentwicklung, Leadership und Kreativität. Growth Leadership at it’s best!
Um so mehr freue ich mich, Aimie meine 7 Leadership-Fragen zu stellen.
Danke Aimie, dass du dir die Zeit für die sieben Leadership-Fragen nimmst. Ich freue mich ganz besonders darauf, mit dir zu sprechen: Ich bewundere deine Arbeit, ein wirklich kreatives Unternehmen aufzubauen, und erlebe dich als eine Führungskraft, die eine große innere Freiheit gewonnen hat.
Meine erste Frage: Vom Macher zum Leader, was war dein größter Entwicklungsschritt?
Mein erster richtig großer Entwicklungsschritt war es, zu lernen loszulassen und nicht alles selbst machen zu müssen. Nicht alles immer kontrollieren zu wollen, sondern mich darauf zu konzentrieren, wie ich ein gutes Team aufbauen und die Stärken von jedem Einzelnen gut nutzen kann.
Ich sage immer: Die Richtung vorgeben und die Leitplanken setzen. Leitplanken setzen heißt nicht, jeden einzelnen Schritt wie ein Kontrolletti zu kontrollieren. Sondern ein Ziel zu geben, dass sehr klar ist.
Ziel und Leitplanken und dann ist der Weg klar. Wunderbares Bild. Spricht mir sehr aus dem Herzen. Als du dich selbst auf den Weg begeben hast, hattest du da Menschen, die dich inspiriert haben? Was genau hat dich da inspiriert?
Ich habe keine klassischen Vorbilder, sondern ich beobachte sehr gerne.
Ich war schon sehr jung Führungskraft, mit 24 bekam ich mein erstes Team. Schon da habe ich immer sehr viel beobachtet. Wie machen es andere? Wie gehen andere in der Situation mit gewissen Themen um? Dabei habe ich auch viele Negativbeispiele erlebt, wo ich immer dachte, nee, so will ich das nicht machen.
Und ich habe immer versucht, meine Beobachtungen mit meinen eigenen Werten und meiner eigenen Persönlichkeit zusammenzubringen. Und dabei überlegt: Hey, das fand ich cool, das fand ich irgendwie nicht so gut, wie würde ich in gewissen Situationen damit umgehen. Das war für mein persönliches Wachstum extrem hilfreich. Immer offen zu sein für Learnings, immer zu beobachten, mich selbst und andere, und daraus kontinuierlich zu lernen.
„Für mich ist Führung – also mich selbst zu führen und auch andere zu führen – wie ein Muskel, den man trainiert.“
Aimie-Sarah Carstensen
Das gilt auch für die schwierigen Situationen. Die erste Kündigung, die man aussprechen muss: Horror! Egal, wie gut du dich vorbereitest. So schlimm es sich anhört, aber man trainiert mit der Zeit, wie man selbst damit umgeht, wie andere damit umgehen, wie man auch das Gegenüber gut abholt. Das immer wieder zu üben und offen dafür zu sein, das hilft in der Entwicklung.
Und das macht auch die Führungskräfte aus, die ich bewundere: Menschen, die immer offen sind für Learnings, die permanent versuchen sich weiterzuentwickeln und aus Situationen zu lernen.
Guter Punkt. Ein Wachstums-Mindset ist eine der vier zentralen Eigenschaften von Growth Leadern. Wenn das Team wächst und du wächst nicht mit, dann hast du als Leader schlechte Karten. Das funktioniert einfach nicht.
Was ist deine Führungsvision? Was möchtest du schaffen?
Vier Werte sind mir sehr wichtig: Freiheit, Mut, Neugier und Mitgefühl. Das alles miteinander zu verbinden und immer wieder ein Check-in mit mir selbst zu machen.
Wie führe ich mich selbst? Damit fängt alles an. Wenn ich selbst unzufrieden und nicht richtig auf der Spur bin, dann kann ich keine gute Führungskraft sein.
Wenn ich nicht sortiert bin und mir das Ziel nicht klar ist, kann ich das auch meinem Team nicht richtig vorgeben.
Also immer wieder bei mir selbst anzufangen. Wenn etwas schiefgeht oder man sich aufregt, sage ich meinem Team: Du kannst nur dich selbst ändern, also fange genau da an.
Und dann radikal wertebasiert, Mindset-fokussiert zu arbeiten. Ein paar Sachen machen mich ganz fuchsig. Wenn man hinter dem Rücken über jemanden spricht und nicht direkt. Wenn man den Elefanten im Raum nicht anspricht, sondern drum herumredet. Ich sage dann immer: „State the obvious promptly“ – ein wunderschöner Satz!
Meine Führungsvision? Ich habe keine feste Vision, es ist eine kontinuierliche Entwicklung, ein ständiges Verbessern der Kommunikation und eine kontinuierliche Verbesserung der Zusammenarbeit mit verschiedenen Menschen.
Aimie-Sarah Carstensen
Und sich auch immer zu überlegen: In welchem Status ist das Unternehmen jetzt. Wenn man im Krisenmodus ist, braucht es viel mehr und engere Führung, engere Leitplanken. Wenn es supergut läuft und alle total motiviert sind, die Vision sehr klar ist, sind die Leitplanken breiter, man gibt wieder mehr Freiheiten und arbeitet auch selbst freier.
Und da sehr flexibel zu bleiben. Das ist der Schlüssel: Viele Learnings zu machen, flexibel zu bleiben und sich kontinuierlich der Situation anzupassen.
Du sprachst von den engeren Leitplanken in der Krise. Tatsächlich hat es euch in der Coronazeit ja Hardcore getroffen. Vor allem am Anfang. Ihr seid dann sehr kreativ damit umgegangen. Wirklich fantastisch, was ihr da geschafft habt. Aber was hat dich durch die schlimmsten Zeiten gebracht?
Ich stehe jeden Morgen auf und versuche einfach, mein Bestes zu geben.
Früher dachte ich regelmäßig: „Oh, das hätte ich noch besser machen können“ oder „Warum habe ich jetzt die Entscheidung getroffen und nicht eine andere?“
Das war nicht hilfreich. Irgendwann habe ich dann entschieden: Ich gebe einfach jeden Tag mein Bestes und das Beste ist gut genug. Das Beste ist jeden Tag anders. Je nachdem, wie viel Energie ich habe oder was mich im Moment gerade beschäftigt. Mehr kann ich dann an dem Tag nicht tun, das reicht. Diese Haltung hat mich sehr gut durch die Krise gebracht.
Ein Riesen-Learning war es auch, Flexibilität in der Führung zu gewinnen. Ich musste verstehen, dass in diesen Krisenzeiten oder auch jetzt mit meinem Management Team, eine ganz andere Rolle von mir erwartet wird, als ich sie davor hatte.
Vor der Krise haben viele Teammitglieder nach Empowerment gerufen, nach Freiheit und eigener Entscheidungsgewalt. Keiner sollte mitbestimmen.
In der Krise war das plötzlich ganz anders: Jetzt sollte ich die Entscheidungen treffen, ich sollte sehr dominant führen und sagen, wir laufen jetzt da lang und nicht da lang. Denn im Endeffekt nehmen nur wenige Menschen gerne ein Risiko auf sich.
Es war also eine ganz neue Rolle und anderer Führungsstil, der von mir verlangt wurde. Anfangs dachte ich: Das kann doch nicht sein, dass ich jetzt so bossy sein soll. Kann ich aber. Auf meine Art und Weise.
Das hat mir extrem geholfen: Zu verstehen, in welcher Unternehmensphase welche Art von Führung von mir verlangt wird. Und explizit danach zu fragen. Wie oft haben wir ein Bild davon im Kopf, wie wir sein sollten. Ich habe dann einfach nachgefragt: Was erwartet ihr in dieser Situation von mir? So, und dann habe ich die knallharte Antwort bekommen und wusste ganz genau, was zu tun ist.
Ich finde deine Erfahrung unglaublich spannend. Es zeigt, wie wichtig psychologische Sicherheit für das Team ist. Wenn es gut läuft, ist die Grundsicherheit im Team groß. Dann werden Freiräume geschätzt. Wenn die Grundsicherheit aber gering ist, wie in der Coronakrise, dann musst du als Leader diese fehlende Sicherheit kompensieren.
Sich klar zu sein: Als gute Führungskraft bin ich ein Secure Leader. Und die Sicherheit, die ich geben muss, hängt von den Umfeldfaktoren ab. Du hast das fantastisch beschrieben. Ich glaube, das sollten sich Führungskräfte noch viel klarer machen.
Absolut! Gleichzeitig, nicht zu glauben, dass man das alles selbst definieren muss. Für mich war es eine totale Erleichterung, einfach nachzufragen, was meine Teammitglieder von mir erwarten. Aber wie oft fragt man wirklich: „Was erwartet ihr jetzt von mir in dieser Situation?“ Oft hat man Schiss, was dann als Antwort kommt. Denn das muss man ja dann auch abliefern.
Aber es ist erstaunlich, wie oft ich in der Vergangenheit, was ganz anderes im Kopf hatte als das, was dann wirklich erwartet wurde. Diese Klarheit zu schaffen gibt so viel Frieden. Dann ist das einfach geklärt und steht nicht im Raum.
Das zu fragen finde ich super. Bei unseren Kunden tun wir das ja auch. Da fragen wir regelmäßig: Was wollt ihr eigentlich? Als Gründer hat man aber zwei Gruppen von Kunden. Die da draußen, aber auch die Kollegen, die genauso Kunden von einem sind und die man auch nach ihren Bedürfnissen fragen sollte. Das bringt einen wirklich weiter!
Kommen wir zur nächsten Frage: Du strahlst eine unglaubliche Energie aus. Was gibt dir diese Energie?
Ich mache mir schon immer viel Gedanken darüber, was mir Energie gibt und was mich Energie kostet. Und ich versuche, viele Energiekiller aus meinem Leben zu verbannen.
Wie schon gesagt: Wenn man etwas verändern will, muss man immer bei sich selbst anfangen. Und das dann verändern.
Ich brauche beispielsweise viel Schlaf. Mindestens sieben, siebeneinhalb Stunden. Ich halte schon mal mehrere Tage mit weniger Schlaf durch, merke dann aber, dass ich eine niedrige Grundenergie habe. Da steuere ich bewusst dagegen. Ich gehe früher aus dem Büro oder ich lasse Veranstaltungen aus. Vor allem, wenn ich genau weiß, dass ich eine anstrengende Woche vor mir habe, in der ich viel Energie brauche. Sich dessen sehr bewusst zu sein – das hilft.
Ein weiterer Hebel ist der Umgang mit Zeit. Wie oft sagen wir: Ich habe keine Zeit. Das stimmt aber nicht, wir nehmen uns keine Zeit. „Ich habe keine Zeit!“ habe ich aus meinem Wortschatz verbannt. Stattdessen sage ich: „Dafür will ich mir keine Zeit nehmen“ oder „Dafür nehme ich mir gerne Zeit“. Das ist ein kompletter Mindset Shift.
Zeit passiert mir nicht. Ich treffe eine aktive Entscheidung, mir für etwas Zeit zu nehmen und ich bin mir dann auch darüber bewusst, dass ich mir für andere Themen keine Zeit nehme. Damit aktiv umzugehen, hilft mir sehr, meinen Energiehaushalt zu managen.
Aimie-Sarah Carstensen
Schließlich liebe ich das, was ich tue. Ich gehe darin total auf, habe eine riesige Leidenschaft dafür und das gibt mir per se sehr viel Energie. Eigentlich habe ich immer viel Energie, schon beim Aufwachen. Für mich ist jeder Tag ein Geschenk, jeder Tag bietet die Möglichkeit, etwas zu verändern. Ich nutze mein Leben und meine Energie – wofür, das ist natürlich auch immer ganz unterschiedlich.
Ich hatte Phasen, in denen ich alles Mögliche probiert habe, vom 5am-Club bis zur Produktivitätsoptimierung. Heute glaube ich, man muss einfach nur auf sich selbst hören: Was tut mir gut, was nicht? Worauf habe ich jetzt Lust, worauf nicht? Und sich dann die Freiheit nehmen, danach zu agieren. Wenn ich merke, heute ist ein Tag, an dem ich mich nur im Bett vergraben will, dann muss ich mich an diesem Tag nicht durch alles durchboxen und es im Zweifelsfall doppelt machen. Dann akzeptiere ich das. OK, heute ist halt so ein Tag. Dann ist es halt so.
Das Gute: Und du hast es in der Hand. Selbst wenn du das Gefühl hast, andere saugen Energie von dir, dann sind es eigentlich nicht die anderen, sondern du lässt es zu. Sich dieser Möglichkeit der Selbstbestimmung bewusst zu sein und dementsprechend zu agieren, das gibt mir Energie.
Ja, super. Was ist denn das letzte gute Buch, was du gelesen hast?
Das ist „The Effektive Exekutive“ von Peter Drucker? Ein faszinierendes Führungs-Buch. Auch da geht es ganz viel um Selbstführung.
Dass man sich überlegt: Wie kann ich sinnlose Aktivitäten aus meinem Leben verbannen? Solche, die einfach nur die Zeit töten. Wie kann ich mich in der Arbeit auf meine Stärken konzentrieren, wie werde ich effektiv, in dem ich meine Stärken gut einsetze? Wie schaffe ich ein effektives Team, das gut mit mir zusammenarbeitet? Und wie entwickle ich mich kontinuierlich weiter, wie lerne ich?
Ein sehr, sehr schönes Buch mit auch sehr vielen pragmatisch guten Tipps darin. Für ein relativ altes Buch (Anmerkung: 1. Auflage in 1967) ist es ganz schön aktuell. Interessant, dass bei uns Menschen eigentlich immer wieder die gleichen Themen aufpoppen.
Und dass wir immer noch nicht verstanden haben, dass sich Produktivität nicht unbedingt an Zeit oder langen Arbeitstagen misst. Wie oft sprechen wir davon, effizient zu arbeiten. Aber was heißt das eigentlich? Und was heißt es, effektiv zu arbeiten? Eben nicht nur meine Zeit optimal einzusetzen, sondern uns an den richtigen Ergebnissen zu messen. Das fand ich ganz, ganz hervorragend.
Super, danke für den Tipp. Ich habe es auch schon gelesen und finde es großartig. Zum Abschluss: Welchen Rat würdest du einem First Time Leader geben?
Seinen eigenen Werten treu zu bleiben und authentisch zu bleiben.
Wenn Dinge echt schiefgelaufen sind, in meinen Teams oder unternehmerisch, dann hatte das meistens die Ursache, dass ich das Gefühl hatte, ich muss jetzt eine andere Rolle spielen oder dass ich andere nachgemacht habe.
Das führt dann manchmal dazu, dass man Menschen nicht gut behandelt, dass man Fehlentscheidungen trifft und dass man sich selbst ein bisschen verliert.
Ich glaube, ich bin dann die beste Führungskraft, wenn ich bei mir selber bleibe und meinen Werten treu bin. Dafür muss man sich intensiv Gedanken machen: Was ist mir wichtig, was akzeptiere ich, was akzeptiere ich nicht?
Es gibt immer wieder Unternehmer, die haben eine „Manager on one page“, auf der die zusammenfassen: Was ist mir wichtig? Wie ticke ich? Wie agiere ich? Warum tue ich das so? Ich arbeite auch gerade daran.
Sich seiner selbst bewusst zu werden, authentisch zu sein und seinen Werten treu zu bleiben. Das ist mein großer Tipp and First Time Leader.
Aimie-Sarah Carstensen
Wow, großartig. Kann ich nur so unterschreiben. Toller Ratschlag. Genau da zu starten: Wer bin ich eigentlich? Was ist mir wichtig?
Aimie, vielen, vielen Dank für dieses inspirierende Gespräch, denn da kommt wunderbar durch, wie ich dich erlebe! Vielen, vielen Dank.