Diesen Text gibt es auch zum Hören! Spotify Apple Podcast Podigee
Ich arbeite gerade mit einem Coachee, nennen wir ihn Philipp. Anfang dreißig, das Unternehmen läuft super, das Team wächst – und doch werden die Aufgaben auf seinem Tisch halt einfach nicht weniger.
Im Gegenteil. Philipp hat das Gefühl, unter einem Berg von Arbeit begraben zu sein, die eigentlich sein Team übernehmen sollte.
Also haben wir mal angeschaut, was ihn an der Übergabe der Verantwortung blockiert. Und haben fünf typische Blocker identifiziert:
- Fehlende Klarheit
- Fehlendes Vertrauen
- Schnell und sofort
- Retter-Impuls
- Fehlende direkte Wirksamkeit
Das Verständnis dieser fünf Blocker war ein echter Eye Opener für Philipp.
Argh! So viel Selbstsabotage!
Super! Denn Probleme, die in uns selbst liegen, können wir auch selbst lösen.
Wie diese Blockaden im Detail aussehen und wie du sie lösen kannst – das ist der Schwerpunkt dieses Blogartikels.
Die größten Blockaden der Delegation liegen in dir
In meinem Buch „Vom Gründer zum CEO“ hat es Martin Giese, selbst erfahrener Leader, CEO Coach und Angel Investor wunderbar formuliert:
„Der schwierigste Schritt auf dem Weg vom Gründer zum CEO ist das Loslassen und das Vertrauen, da man sich nicht immer um alles selber kümmern kann.“
Ein schwieriger Schritt, weil er mit unserer Transformation vom Macher zum Leader verbunden ist.
? Macher-Mindset: Direkte Kontrolle, Intuitives Vorgehen
Als Macher sind wir ganz direkt an den Dingen dran. Wir
- wissen ungefähr, wohin wir wollen,
- haben ein Gefühl dafür, was wir können,
- haben die Kontrolle über unser Tempo,
- entscheiden über unsere eigene Arbeitslast,
- spüren die Wirkung unserer Arbeit unmittelbar.
Wir haben die volle Kontrolle über unser Tun. Wir starten einfach mal und adjustieren dann auf dem Weg.
? Leader-Mindset: Indirekte Kontrolle, explizites Vorgehen
All das ändert sich, wenn wir Verantwortung übergeben wollen. Dann müssen wir
- klare Ziele formulieren,
- anderen Vertrauen,
- ein realistisches Zeitgefühl entwickeln,
- Verantwortung zumuten,
- und die Wirksamkeit unserer Arbeit neu erfahren.
Klingt trivial, ist aber eine unglaubliche Umstellung. Und dagegen wehrt sich unser Unterbewusstsein mit Händen und Füssen.
Schon sind wir bei den fünf häufigsten Blockaden der Verantwortungsübergabe. Und wie Philipp sie im Alltag erlebt hat.
Klare Ziele formulieren
Blockade #1: Fehlende Klarheit
In der Hektik des Alltags fehlt Philipp die Zeit, sich zu überlegen, was er eigentlich delegieren will, und welches Ziel erreicht werden soll. Wenn er dann kleinere Themen unausgegoren über den Zaun wirf, geht es meist schief.
Lösung #1: Mache deine Ziele explizit
Wenn wir Dinge selbst tun, sind sie meist Work in Progress. Wir wissen so grob, was wir erreichen wollen und hangeln uns so durch. Bei der Delegation geht das nicht. Wenn du nur vage Erwartungen kommunizierst, ist ein gutes Ergebnis reiner Zufall.
Mach dir vorab klar, was das Ziel der Verantwortungsübergabe ist. Reflektiere die Rahmenbedingungen: Zeitrahmen, Stakeholder, verfügbare Ressourcen. Idealerweise schreibst du dein Briefing auf, denn das Schreiben offenbart die Lücken unserer Überlegungen. Lade über diese Links (deutsch, englisch) dein Briefing-Template herunter.
Vertrauen aufbauen
Problem #2: Fehlendes Vertrauen
Seine neueren Teammitglieder kennt Philipp nicht so gut, weiß nicht, wie sie ihren Job machen. Also traut er sich nicht, ihnen einzelne Projekte zu übergeben.
Lösung: Baue schrittweise Vertrauen auf
Projekte übergeben wir nur ungern an Menschen, deren Leistungsfähigkeit wir nicht kennen. Also müssen wir Vertrauen aufbauen. Im Großen und im Kleinen.
Vertrauen im Großen: Ich vertraue deiner grundsätzlichen Leistungsfähigkeit. Dieses Vertrauen entwickelt sich mit der Zeit. Startet eure Zusammenarbeit mit kleineren, weniger kritischen Projekten und baut die Zusammenarbeit schrittweise aus. Reflektiert bei jedem Schritt, wie gut die Zusammenarbeit funktioniert. Mehr zum Prozess des Vertrauensaufbaus in diesem Blog-Artikel.
Vertrauen im Kleinen: Ich vertraue deiner Leistungsfähigkeit bei diesem spezifischen Projekt. Dieses Vertrauen gewinnt ihr durch einen strukturierten Prozess der Verantwortungsübergabe (Mehr dazu hier). Der Startpunkt ist dein Briefing. Erklären deinem Gegenüber das Ziel und die Rahmenbedingungen und lass ihn dann beides mit seinen eigenen Worten erklären. Ein super Check, ob ihr das gleiche Verständnis habt oder ob es noch Klärungsbedarf gibt.
Lass deinen Kollege dann einen Vorschlag zur Umsetzung erarbeiten – erst mal nur für sich. Lass dir diesen Vorschlag vorstellen. Jetzt kannst du sehen, was er plant, ob das so passt oder wo ihr noch nachsteuern müsst. Erst wenn das geklärt ist, erfolgt die Verantwortungsübergabe. Mit diesem Prozess baut ihr Vertrauen ganz konkret auf. Ein Zeitinvest zu Beginn der Zusammenarbeit, der euch viel Zeit und Frustration erspart.
Realistisches Zeitverständnis
Blockade #3: Schnell und Sofort
Philipp möchte, das alles schnell geht und am besten sofort passiert. Aber die Übergabe braucht Zeit, und dann muss es ja auch erst mal passieren. Also macht er die Dinge lieber „mal eben selbst“.
Lösung: Langsam schneller ans Ziel
Viele von uns haben einen „Sei Schnell“-Antreiber. Ich kenne das selbst nur zu gut 😉 Dieser innere Antrieb möchte die Kontrolle über deine Arbeits-Geschwindigkeit haben. Er gaukelt uns vor, dass wir schneller sind, wenn wir es „mal eben selbst tun“.
Für einzelne Aufgabe mag das stimmen. Aber nicht für den Berg an „mal eben schnell“-Jobs, der sich auf unserm Schreibtisch türmt. Abgesehen davon, dass viele „mal eben schnell“ Aufgaben gut von anderen gemacht werden können.
Entwickle ein „realistische Zeitverständnis“
- Addiere die Zeiten der ganzen „mal eben“ Projekte zusammen. Autsch!
- Mach dir klar, wie viele dieser Projekte auf deinem Schreibtisch vergammeln und gar nicht passieren. Soweit zu „Schnell und Sofort“
- Reflektiere, inwieweit dich „mal eben“-Aufgaben von deinen eigentlichen Themen abhalten.
Und überlege dann, wie du all diese kleineren Jobs im Team verteilen kannst. Die Übergabe kostet dann zwar Zeit – aber sicher sehr viel weniger als der Zeitgewinn, denn du aus der Befreiung von diesen Jobs ziehst.
Verantwortung zumuten
Blockade #4: Retter-Impuls
Nicht nur Philipp ist überlastet, auch das Team ächzt unter der Arbeit. Weitere Belastungen will Philipp dem Team nicht zumuten, lieber macht er es selbst.
Lösung: Nimm dein Team ernst
Beim Retter-Impuls schlägt ein weiterer innerer Antreiber zu: „Machs allen recht.“
Wir möchten unserem Team helfen und entscheiden, sie nicht mit noch mehr Aufgaben zu belasten. Damit werden wir zu ihrem „Retter“. Meist ohne ihr Wissen.
Augenhöhe sieht anders aus. Denn die wohlmeinende Unterstützung hat eine massive Downside: Als „Retter“ sprichst du deinem Team die Kompetenz ab, über die eigene Arbeit zu entscheiden. Vielleicht wäre ja mehr gegangen? Oder ihr hättet gemeinsam neu priorisieren können?
Diskutiere künftige die zusätzlichen Aufgaben mit deinem Teammitglieder oder dem Team. Entscheidet gemeinsam, wie ihr sie umsetzt. Lass dich von der Einsatzbereitschaft deines Teams überraschen. Du wirst dich wundern, wie viel da geht.
Wirksamkeit neu erfahren
Blockade #5: Direkte Wirksamkeit fehlt
„Verantwortungsübergabe ist ja nur Gelaber, da mache ich nichts.“ Philipp hat das Gefühl, dass ihn die Abstimmungen Zeit kosten, die er für seine eigentlichen Aufgaben braucht. Und schwupp fällt sie hinten über.
Lösung: Erlebe die Wirksamkeit der Verantwortungsübergabe bewusst.
Definiere deine Wirksamkeit neu. Als Leader bist du wirksam, wenn du immer mehr deiner Aufgaben in dein Team gibst und es in die Lage versetzt, diese Aufgaben so gut wie du oder sogar besser zu erfüllen. Andy Grove bring es auf den Punkt: „Dein Output als Leader ist der Output deines Teams.“
Mach die Wirksamkeit deiner Verantwortungsübergabe messbar. Wunderbare KPI sind:
- Projekte, die du erfolgreich an Dritte übergeben hast.
- Steigende Produktivität deines Teams
- # der Stunden / Woche, die du jetzt für strategische Themen hast.
5 Blockaden und 5 pragmatische Lösungen. Wenn du diese Prinzipien in deine Verantwortungsübergabe einbaust, wird es dir immer leichter fallen, loszulassen. Und du gewinnst Zeit für deine eigentlichen Führungsaufgaben. Was eine Erleichterung!
Key Take Aways
Wir möchten so gerne loslassen und sabotieren uns doch selbst. Verantwortungsübergabe wird leicht, wenn du diese 5 Prinzipien verfolgst.
- Mache deine Ziele explizit. Werde dir klar, was das Ziel und die Rahmenbedingungen der Verantwortungsübergabe sind. Nutze dafür das Briefing Template.
- Bau schrittweise Vertrauen auf: Vertrauen ist die Grundlage jeder erfolgreichen Verantwortungsübergabe. Betrachte sie als einen expliziten Prozess.
- Langsam schneller ans Ziel. Eine gute Verantwortungsübergabe kostet Zeit. Aber viel weniger, als wenn du weiterhin alles selbst machst.
- Mute deinem Team was zu. Du musst hier keinen retten. Traue der Kompetenz deiner Teammitglieder, binde sie aktiv in die Verteilung der Verantwortung ein.
- Erlebe deine Wirksamkeit neu. Wenn du Verantwortung übergibst, hast du viel mehr Impact, als wenn du alles selbst machst. Nimm diesem Impact bewusst wahr.
Und nun zu dir!
Reflektiere, was du brauchst, um loszulassen
- Welcher dieser Blockaden erlebst du besonders stark?
- Was wäre möglich, wenn du diese Blockaden überwindest?
- Was wirst du ab morgen anders machen?
Viel Erfolg!