Wie schaffe ich eine Accountability-Kultur, die mein Team zu Höchstleistungen bringt?
Wie sollte sie damit umgehen?
Eine Erinnerungsmail schreiben? Aber zeigt das nicht Misstrauen und Mikromanagement?
Ist Nachhalten überhaupt ihr Job? Chris hat ein Top Gehalt, dass muss doch auch so laufen.
Außerdem kostet das Nachhalten Zeit. Dann kann sie ja gleich alles selbst machen…
Rechenschaft ist für viele ein äußerst unangenehmer Akt. Das zeigt sich schon in den Formulierungen: Man ist Rechenschaft schuldig, sie wird eingefordert oder verlangt, man wird zur Rechenschaft gezogen.
Gleichzeitig wissen wir: Ohne gelebte Rechenschaft kein High Performance Team.
Höchste Zeit, für eine starke und positive Accountability Kultur. Wie du sie schaffst, ist das Thema dieses Blogartikels.
Rechenschaft. Das Schwarze Loch in der Führung.
Der Duden definiert Rechenschaft als „Auskunft, die man jemandem über etwas gibt, wofür man verantwortlich ist.“
Rechenschaft ist kommunizierte Verantwortung:
Ich übergebe Verantwortung, mein Gegenüber verpflichtet sich zu seiner Aufgabe und berichtet, wie und mit welchem Ergebnis diese Verantwortung erfüllt wurde.
Wenn alles passt: Super, weiter so! Wenn nicht, dann reflektieren wir, was schiefgelaufen ist, und überlegen, wie das verbessert werden kann. Damit setzen wir einen Lernzyklus in Gang, der uns immer weiter nach vorne bringt.
Gelebte Rechenschaft schafft High Performance Teams, die
- ihre Termine einhalten und konsequent exzellente Qualität liefern.
- systematisch lernen und immer besser werden.
- in einem Klima des Vertrauens und der emotionalen Sicherheit arbeiten.
Rechenschaft ist der Missing Link zwischen der Übernahme von Verantwortung und exzellenten Ergebnissen.
Dorothea von Wichert-Nick
Und doch ist es eine Kompetenz, die vielen Führungskräften fehlt.
Laut einer Studie von Overfield & Kaiser halten 46% aller Führungskräfte Rechenschaft kaum nach. Keine andere zentrale Führungskompetenz war in der Studie von über 5.400 Top Level Führungskräften so wenig ausgeprägt wie diese Fähigkeit.
Das Ergebnis ist fatal: Terminverfehlungen, immer wieder die gleichen Fehler, schlechte Arbeitsqualität, Frustration und Schuldzuweisungen. Gefolgt vom Rückfall der Führungskräfte in enge Kontrolle und Rücknahme der Verantwortung.
Höchste Zeit, die Rechenschaft zu einer großartigen Erfahrung für alle zu machen.
Mit diesen vier Bausteinen schaffst du eine starke Accountabililty-Kultur:
- Positives Accountability-Mindset
- Vollständige Verpflichtungen
- Explizite Rechenschafts-Routinen
- Definierte Accountability-Eskalation
Schafft ein positives Accountability-Mindset
Eine starke Accountability-Kultur beginnt mit dem richtigen Mindset. Rechenschaft als Chance statt Bedrohung. Die Schlüsselgedanken:
- Beste Intentionen. Ich gehe davon aus, dass mein Gegenüber immer sein Bestes gibt. Wenn etwas schief geht, liegt das selten am fehlenden Willen.
- Begegnung unter Erwachsenen. Mein Gegenüber ist eine Verpflichtung eingegangen, ich halte sie nach. Wie vereinbart. Ich bin weder Retter noch Verfolger.
- Gemeinsame Verantwortung. Wir sind gemeinsam verantwortlich, das unsere Ziele erreicht werden. Mein Gegenüber informiert mich proaktiv, ich unterstütze ihn.
- Wirksamkeits-Booster. Rechenschaft stellt sicher, dass wir unsere Ziele erreichen. Oder, dass wir aus Fehlern lernen. Ohne Rechenschaft kein Fortschritt.
- Rechenschaft motiviert. Accountability zeigt: Deine Arbeit ist mir wichtig. Nicht die Rechenschaft frustriert das Team, sondern zu sehen, dass andere mit Nichtleistung durchkommen.
Geht vollständige Verpflichtungen ein
Die Voraussetzung von gelebter Rechenschaft ist eine vollständige und klare Verpflichtung zur Verantwortungsübergabe:
„Ich verspreche, X bis Y zu liefern. Zu folgenden Check-in Zeitpunkten überprüfen wir den Fortschritt.“
Nur wenn dein Gegenüber weiß, was ihre Verantwortung ist, kann sie Rechenschaft darüber ablegen. Ohne vollständige Verpflichtung habt ihr keine Vereinbarung, die gebrochen werden kann.
Distinguish between a failure in which someone broke their „contract“ and a failure in which there was no contract to begin with.
Ray Dalio
Nehmt euch im Rahmen der Verantwortungsübergabe Zeit, diese Klarheit herzustellen und zu dokumentieren.
Genau das fehlte bei Anna. Sie hatte Chris nur grob gesagt, was sie wollte: „Machst du nächste Woche die Beiratspräsentation?“ Und Chris hatte engagiert geantwortet: „Ja, mache ich gerne.“ Damit schien für Anna und Chris die Sache klar.
Aber ein „Ist alles klar?“, gefolgt von einem „Ja, mache ich“ ist keine vollständige Vereinbarung. Erst recht kein „Über den Zaun schmeißen“. Wie du Verantwortung richtig übergibst, erfährst du in diesem Artikel.
Gebt euch explizite Rechenschafts-Routinen
Klare Accountability-Prozesse machen die Rechenschaft zur Normalität.
Definiert, wie Rechenschaft bei euch im Team gelebt werden soll. Gerne schriftlich. Und so könnte eure Accountability-Routine aussehen:
Basisroutine:
- Wir stellen gemeinsam sicher, dass wir ein vollständiges Verständnis deiner Verpflichtung haben.
- Du informierst mich proaktiv über die Umsetzung der Aufgabe. Dazu nutzen wir unsere 1:1-Meetings oder Meilenstein-Meetings. Ich halte nach und unterstütze dich bei der Umsetzung deiner Aufgaben.
- Nach Abschluss der Verantwortungsübernahme reflektieren wir, was du aus dieser Erfahrung lernen kannst.
Idealerweise geht alles gut und Vereinbarungen werden wie geplant eingehalten.
Hold yourself and your people accountable and appreciate them for holding you accountable.
Ray Dalio
Leider ist das nicht immer so.
Der besprochene Zeitplan ist nicht zu halten, die Aufgabe ist schwieriger als erwartet, andere Prioritäten funken dazwischen.
So wie bei Chris und Anna. Aufgrund seiner hohen Workload konnte Chris kam die Präsentation nur fehlerhaft und viel zu knapp liefern.
Das ist kein Beinbruch, solange wir das frühzeitig und offen kommunizieren und gemeinsam mit dem Betroffenen eine Lösung erarbeiten.
Das ist der Hebel für die zwei weiteren Routinen (super beschrieben bei der Conscious Leadership Group):
Zur Neuverhandlung kommt es, wenn die Verpflichtung absehbar nicht eingehalten werden kann, es aber noch Spielraum zur Korrektur gibt.
- Informiere die Betroffenen, sobald du weißt, dass du deine Vereinbarung nicht einhalten kannst.
- Geht dann in die Neuverhandlung der Vereinbarung und dokumentiert die Ergebnisse: Anderer Umfang, anderer Zeitpunkt oder Aufgabe der Verpflichtung.
- Erlaube den Betroffenen, ihre Gedanken und Gefühle zu äußern. Höre zu und zeige dein Verständnis. Teile auch deine Gedanken und Gefühle.
Idealerweise hätte Chris Anna frühzeitig auf seine Probleme mit der Priorisierung angesprochen. Gemeinsam hätten sie überlegen können, welche Teile jemand anders übernimmt.
Aufräumen ist angesagt, wenn die Verpflichtung gebrochen wurde.
- Gehe auf die Betroffenen zu und übernimm proaktiv die Verantwortung. Sei dabei so knapp wie möglich und vermeide Rechtfertigungen: „Ich habe vergessen, das zu machen.“ „Ich hatte die Zeit falsch eingeschätzt. “
- Frage die Betroffenen, was du tun kannst, um diesen Vertrauensbruch wiedergutzumachen.
- Nimm dir Zeit, deine Gegenüber zu verstehen und teile deine Gedanken und Gefühle. So schafft ihr einen reinen Tisch und verhindert, dass sich Frustration und Misstrauen einschleichen.
Das mit der Präsentation war schief gegangen. Offen spricht Chris es gegenüber Anna an: „Es tut mir leid, dass du jetzt Teile übernehmen musst. Ich habe mich mit der Zeit verschätzt. Was kann ich tun, damit unser Vertrauen nicht beeinträchtigt ist? Für das nächste Mal habe ich mir folgendes überlegt…“
Definiert die 5 Stufen der Accountability-Eskalation
„Und was mache ich, wenn dann immer noch nichts passiert?“
Selbst die besten Routinen können nicht verhindern, dass einzelne Kollegen ihrer Verantwortung wiederholt nicht nachkommen. Dann braucht es die Möglichkeit der Eskalation.
Ein super Modell dafür ist der „Accountability Dial“ von Jonathan Raymond. Eine Folge von fünf Gesprächen, mit denen du immer klarer machst: Du musst hier in die Verantwortung gehen.
Es ist wie es ist: Chris hat die Beiratspräsentation zu spät und fehlerhaft abgeliefert.
Schritt #1: Die Erwähnung
- Adressiere das betroffene Verhalten, ohne ein großes Aufheben daraus zu machen. Nur ein sanfter Stups. Dein Signal: Ich sehe dich.
- Dauer: Kurze Interaktion, wenige Sekunden
- Formulierung: „Mir ist aufgefallen [Beobachtung über die Arbeit]… Ist alles klar?“
- Beispiel: „Deine Präsentation hat ein paar Fehler. Schaust du da nochmal drüber? Aber zeitnah, ich habe nur noch 3 Tage.“
Schritt #2: Die Einladung
Im nächsten Monat das gleiche Spiel. Wieder wird die Präsentation fehlerhaft und zu knapp geliefert.
- Starte ein informelles Gespräch. Zeig, dass es dir wichtig ist, dass er fehlerfrei und pünktlich liefert, ohne ihn in die Defensive zu bringen. Gib ihm Raum, seine Wahrnehmung zu teilen.
- Dauer: 10-15 Minuten
- Formulierung: „Ich habe dich jetzt schon ein paar Mal auf [Verhaltensweisen] angesprochen… Lass uns gemeinsam eine Lösung finden.“
- Beispiel: „Das ist die zweite Präsentation, die spät und mit Fehlern kommt. Lass uns gemeinsam überlegen, wie du daran arbeiten kannst.“
Schritt #3: Das Gespräch
Beim 3. Mal passiert leider wieder das Gleiche. Langsam wird es richtig ärgerlich. Selbst der Wink mit dem Zaunpfahl half nichts. Jetzt wird aus dem offenen Gespräch ein formelles Feedback.
- Nutze euer 1:1 für ein Feedback nach dem SBI-D Prinzip. Zeige die Dringlichkeit und eröffne einen offenen und lösungsorientierten Dialog. Protokolliert die Lösung.
- Dauer: 30-60 Minuten
- Formulierung: „Deine [Verhaltensweise] wiederholt sich. Das frustriert mich / beeinträchtigt das Team. Wie willst du das lösen?“
- Beispiel: „Deine Präsentation kommt zu spät und fehlerhaft. Die Unsicherheit beschädigt mein Vertrauen in dich. Wie löst du das?“
Schritt #4: Die Grenze
Leider ändert sich nicht viel. Chris merkt nicht, dass Anna ihm eigentlich helfen will. Im 4. Schritt wird aus dem Dialog eine klare Ansage.
- Verdeutliche die Ernsthaftigkeit des Problems. Definiere explizite Standards und Konsequenzen, wenn das Problem nicht behoben wird. Erarbeitet einen gemeinsamen Plan. Nutze dafür das Format des Performance Improvement Plans (PIP)
- Dauer: 1-2h, inkl gemeinsame Erarbeitung des Plans.
- Formulierung: „Ich erwarte bis zum [Zeitpunkt] diesen [Standard]. Wie besprochen sollen dir folgende [Maßnahmen] dabei helfen. Wenn sich nichts ändert, hat das [Konsequenzen].“
- Beispiel: „Ich erwarte, dass du mir künftig 5 Tage vor den Versandtermin eine saubere Präsentation schickst. Lass die Korrektur von Steffen machen. Wenn das nicht klappt, machst du künftig keine Beiratsarbeit mehr.“
Schritt #5: Letzte Chance
Ihr sitzt im 1:1. Chris hat noch 3 Tage, bis er Anna die Präsentation schicken soll. Leider steht gerade mal das Gerüst. Das kann nur noch mit ein paar Nachtschichten klappen…
- Bevor du aufgibst: Mach klar, dass es seine letzte Chance ist. Halte das Gespräch knapp. Jetzt gibt es nichts mehr zu diskutieren.
- Dauer: 3-5 Minuten
- Formulierung: „Das ist deine letzte Chance. Lass mich das klarstellen…“
- Beispiel: „Du hast nur noch 3 Tage. Lass mich klarstellen: Wenn du diese Präsentation nicht pünktlich lieferst, ziehe ich dich von der Beiratsarbeit ab.“
Zum Glück gehen die wenigsten Eskalationen bis zu diesem letzten Schritt. Aber es ist unglaublich hilfreich, wenn dein Team weiß, was passiert, wenn nichts passiert.
Formuliert aus allen 4 Bausteinen eine Accountability-Policy für euer Team. Das macht aus unausgesprochenen Hoffnungen explizite, nachhaltbare Erwartungen.
Die Policy zeigt dem Team: So funktioniert Rechenschaft bei uns. Und sie gibt dir die Klarheit über die jeweils nächsten Schritte.
Win Win Win.
Key Take Aways
Rechenschaft ist der Missing Link zwischen der Verantwortungsübernahme und exzellenten Ergebnissen.
Eine gelebte Accountability-Kultur mit diesen 4 Bausteinen macht euch zum High Performance Team:
1️⃣ Positives Accountability-Mindset: Geht von besten Intentionen aus, begegnet euch auf Augenhöhe und geht in die gemeinsame Verantwortung. Genießt den Wirksamkeits-Boost.
2️⃣ Vollständige Verpflichtungen: Rechenschaft funktioniert nur mit einer vollständigen, klaren Verpflichtung zur Verantwortungsübergabe: „Ich verspreche, X bis Y zu liefern. Zu folgenden Check-in Zeitpunkten überprüfen wir den Fortschritt.“
3️⃣ Explizite Rechenschafts-Routinen: Macht Rechenschaft mit 3 Routinen zur Gewohnheit:
- Die Basisroutine: Vollständige Verpflichtung → Proaktives Informieren und Nachhalten → Lernen aus den Erfahrungen.
- Neuverhandlung. Die Verpflichtung kann absehbar nicht eingehalten werden kann, aber es gibt Spielraum zur Korrektur. Proaktives Informieren → Neuverhandlung der Verpflichtung → offene Aussprache.
- Aufräumen. Die Verpflichtung wurde gebrochen. Informieren und Verantwortung übernehmen → Vertrauensbruch heilen → offene Aussprache.
4️⃣ Definierte Accountability-Eskalation: Nutzt die 5 Stufen des „Accountability Dials“, wenn die Rechenschaftsroutinen versagen: Von der kurzen Erwähnung (1), über die erste Diskussion des Problems (2), ein formelles, dokumentiertes Feedback (3), den Performance Improvement Plan (4) bis zur letzten Chance (5).
Viel Erfolg bei der Umsetzung.
Und nun zu dir!
- Was löst der Gedanke an Rechenschaft in dir aus? Chance oder Bedrohung?
- Wie klar formuliert ihr die Verantwortungsübergaben?
- Weiss jeder im Team, wie Rechenschaft bei euch funktioniert?
- Was passiert bei euch, wenn nichts passiert? Wie gehst du künftig damit um=
Wenn du tiefer eintauchen willst
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Ein gutes Feedback ist ein Feed Forward. Gutes Feedback ist wie ein kleines Coaching und bringt euch einen gewaltigen Schritt nach vorne. So geht es!
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