Limitierende Glaubenssätze in 4 Schritten lösen

Letze Woche im Coaching.

„Ich bin SO WÜTEND auf mich. Es ist eine KATASTROPHE! Ich habe mich zu dieser Konferenz angemeldet. Und im letzten Moment wieder einen Rückzieher gemacht. Ich habe PANIK bekommen. Ich muss uns da PERFEKT vertreten. Aber ICH BIN VÖLLIG UNFÄHIG auf andere Menschen zuzugehen. Ich werde das NIE schaffen…“

Mein Klient war unglaublich enttäuscht von sich. Er weiss, wie wichtig Networking in seiner CSO-Rolle ist. Aber immer wieder macht er einen Rückzug. Dabei ist er eigentlich ein kluger und inspirierender Mensch, mit dem man gerne Gespräche führt.

Ein wunderbares Coachingthema. Denn extreme Reaktionen und Gefühle sind ein klares Signal: Hier blockiert uns ein tiefer, unbewusster Glaubenssatz.

Erst wenn wir diesen Glaubenssatz erkennen, können wir ihn überschreiben und frei agieren.

Zum Glück gibt es einen effektiven und einfachen Weg zu mehr Handlungsfreiheit.

Lies in diesem Blogartikel, wie du deine limitierenden Glaubenssätze identifizierst und dir neuen Handlungsspielraum schaffst.

Glaubenssätze: Das Grundmodell

Unsere Glaubenssätze sind die tiefen Routinen unseres Gehirns. Überzeugungen und Annahmen über uns selbst, andere Menschen und die Welt. Sie steuern unbewusst unsere Entscheidungen und unser Verhalten.

Viele unserer Glaubenssätze wurden schon in unseren ersten Lebensjahren geprägt und haben sich zunehmend verselbstständigt. Oft ist uns nicht gar mehr klar, wer da eigentlich für uns entscheidet. Wir selbst oder irgendein Glaubenssatz.

Das Problem: Nicht alle Glaubenssätze sind förderlich. Viele Glaubenssätze blockieren uns. Erst wenn wir sie aus dem Keller des Unterbewusstseins holen, können wir sie mit förderlichen Annahmen überschreiben und neue Handlungsspielräume schaffen.

Die Arbeit an limitierenden Glaubenssätzen ist ein wichtiger Teil meiner Coachingarbeit. Dabei arbeite ich mit einem Ansatz des amerikanischen Psychologen Albert Ellis.

Albert Ellis war zunächst ein klassischer Psychoanalytiker. Seine Arbeit frustrierte ihn jedoch zusehends. Denn das Verständnis, dass seine Klienten über den Hintergrund ihrer Störungen gewannen, resultierte kaum in Verhaltensänderungen. Im Gegenteil, viele entwickelten eine Haltung des „So bin ich nun mal. Daran kann ich nichts ändern.“

Die Wahrheit ist, dass die meisten Menschen sehr gut ausmachen können, welche schlimmen Dinge sie in ihrem Leben erlitten haben, aber dieses Wissen allein führt nur selten zu langfristigen positiven Veränderungen.

Albert Ellis

Das wollte Albert Ellis nicht so stehen lassen.

Sein Ziel: Eine Methode entwickeln, die es Menschen erlaubt, ihre limitierenden Glaubenssätze zu verstehen und sie so zu überschreiben, dass sie neue Handlungsräume gewinnen.

Seine Erkenntnis hat er mit der ABC-Theorie auf den Punkt gebracht:

Activating event x Belief system -> Consequences

Sprich: Aktivierende Ereignisse treffen auf unser Glaubenssystem und lösen verschiedene Konsequenzen aus: Emotionen und Verhaltensweisen. Diese Verhaltensweisen führen zu Resultaten, die wiederum unser Glaubenssystem stärken.

Und so funktioniert die ABC-Theorie in einem konkreten Beispiel.

Aktivierendes Ereignis. Das aktivierende Ereignis sind spezifische, neutrale Tatsachen. Zum Beispiel: „Ich habe ein Ticket für die nächste Bits&Pretzls-Konferenz.“

Mit deinen Gedanken bewertest du diese Situation. Sie repräsentieren dein aktuelles Überzeugungssystem und können positiv oder negativ sein. So kannst du denken:„Ich bin introvertiert und hasse Konferenzen.“ oder aber „Ich liebe Konferenzen, da treffe ich inspirierende Menschen.“

Deine Gedanken haben verschiedene Konsequenzen: Deine Gefühle, dein Verhalten und schließlich die Resultate deines Handelns.

Gefühle sind die erste Konsequenz.

  • „Ich bin introvertiert und hasse Konferenzen.“ löst wahrscheinlich Gefühle der Angst, Panik oder Einsamkeit aus.
  • Ich liebe Konferenzen, da treffe ich inspirierende Menschen.“ ein Gefühl des Glücks, der Begeisterung und der Verbundenheit.

Dein Verhalten ist das, was du in Folge des Gefühls tust oder unterlässt.

  • So kann das Gefühl der Verzagtheit dazu führen, dass du die Konferenz schwänzt, wie mein Klient. Oder du gehst hin, zwingst dich aber nur mühsam zu Gesprächen oder versteckst dich in den Vorträgen.
  • Das Gefühl der Begeisterung kann dazu führen, dass du vor der Konferenz Menschen ansprichst, die du kennenlernen willst und Termine mit ihnen ausmachst.

Das Resultat ist das Ergebnis deines Handels oder Nicht-Handelns.

  • Im limitierenden Fall wirst du am Ende der Konferenz wahrscheinlich völlig erschöpft und frustriert sein und vor allem keine neuen Menschen getroffen haben.
  • Im förderlichen Fall bist du happy, weil du viele neue Menschen kennengelernt und neue Opportunities ausgelotet hast.

Das Resultat ist letztlich eine selbsterfüllende Prophezeiung.

Es stärkt den Glaubenssatz, der hinter deinen Gedanken steht:

  • Ich bin total unfähig, Kontakt mit anderen aufzunehmen.
  • Ich bin in der Lage, neue Menschen kennenzulernen.

Rationale und irrationale Glaubenssätze

Bevor wir in die praktische Umsetzung einsteigen, tauchen wir noch einen Schritt tiefer in die Systematik der förderlichen und limitierenden Glaubenssätze ein.

Förderliche Glaubenssätze sind selbstunterstützend und aktivierend. Ellis nennt sie rational. Sie machen uns produktiv und unterstützen unsere Anpassung an die Gegebenheiten. Sie äußern sich in Präferenzen, Wünschen und Bedürfnissen.

Rationale Glaubenssätze lösen gesunde positive und negative Gefühle aus, z.B. Freude und Begeisterung oder aber Sorge, Bedauern, Frustration und Ärger. Gesunde Gefühle sind angemessen für die jeweilige Situation und bringen uns ins Handeln. Wenn du vor einer Konferenz nervös und aufgeregt bist, kann das gesund sein: Diese Gefühle bringen dich dazu, dich besser vorzubereiten.

Limitierende Glaubenssätze sind selbstschädigend und blockieren uns. Ellis nennt sie irrational. Sie grenzen uns aus, sind rigide, ungesund und dogmatisch. Sie äußern sich in Ansprüchen, Müssen und Sollen.

Irrationale Glaubenssäte lösen ungesunde, negative Gefühle aus: Selbstmitleid, Wut, Panik, Niedergeschlagenheit. Ungesunde Gefühle sind übermäßig im Verhältnis zur Situation und resultieren in Passivität oder destruktiven Verhaltensweisen. Es ist unangemessen, vor einer Konferenz in Panik zu geraten. Denn: Was soll schon passieren?

Die irrationalen Glaubenssätze unterteilt Ellis in 3 Gruppen. Diese Gruppen klingen erst mal etwas absurd. Aber solchen Ansprüchen begegne ich in meiner Coachingarbeit fast täglich:

Extreme Ansprüche an uns selbst: Ich muss unbedingt und jederzeit wichtige Aufgaben perfekt erledigen und von anderen Personen geschätzt werden, sonst bin ich ein unzulänglicher, nicht liebenswerter Mensch. Typische Gefühle: Angst, Niedergeschlagenheit, Selbsthass, Vermeiden von Situationen, in denen man scheitern könnte.

Beispiele:

  • Ich bin ein grauenvoller Unternehmer, wenn ich nicht immer alles im Detail verstehe.
  • Ich muss bei Events immer der perfekte Small Talker sein, sonst habe ich da nichts zu suchen.

Extreme Ansprüche an andere: Andere Menschen müssen mich jederzeit und unter allen Umständen fair und gerecht behandeln, sonst sind sie verkommene, verdammungswürdige Personen. Typische Gefühle: Wut, übermäßige Aufsässigkeit, Abwertung anderer.

Beispiele:

  • Der CMO muss das doch alles wissen. Sonst kann ich ihn gleich feuern.
  • Die anderen Mitglieder des Konsortiums sind völlig verpeilt. Totale Idioten, denen jegliche Selbstreflektion fehlt.

Extreme Ansprüche an die Umstände: Die Umstände, unter denen ich lebe, müssen jederzeit perfekt sein. Sie müssen mir sofort Zugang zur Belohnung verschaffen. Sie dürfen nicht verlangen, dass ich hart arbeiten muss, um sie zu verändern oder zu verbessern. Ansonsten ist es schrecklich, ich halte es nicht aus und komme damit nicht zurecht. Typische Gefühle: Selbstmitleid, geringe Frustrationstoleranz, aber auch Wut und Niedergeschlagenheit.

Beispiele:

  • Dieser Stau ist völlig unerträglich. Ich halte das nicht aus.
  • Ich will diese Beförderung jetzt sofort. Es ist unverschämt, dass ich mich erst beweisen muss. Wenn es nicht sofort klappt, gehe ich.

In den Beschreibungen siehst du schon den gemeinsamen Nenner irrationaler Glaubenssätze: Sie sind extrem und absolut. Es geht um Müssen und Sollen, jederzeit, immer, sofort und unter allen Umständen.

Unsere Reaktion auf die Nichterfüllung unserer irrationalen Ansprüche ist genauso extrem:

  • Selbstherabwürdigung und Verdammung: Wenn ich diesen Anspruch nicht erfüllen kann, bin ich nichts wert. Wer meine Ansprüche nicht erfüllt, ist zu verdammen.
  • Verschrecklichung und niedrige Frustrationstoleranz: Wenn etwas diesen Glaubenssätzen widerspricht, ist das absolut schrecklich. Ich kann das nicht ertragen.
  • Übergeneralisierung: Wenn meine Ansprüche einmal nicht erfüllt wurden, wird das immer wieder passieren. Ich oder andere werden immer versagen, mein Leben wird immer hoffnungslos und freudlos sein.

Unser Eingangsbeispiel hat all das gezeigt:

  • Der extreme Anspruch: „Ich muss uns da perfekt vertreten.“
  • Der Selbsthass: „Ich bin so unglaublich wütend auf mich“.
  • Die Selbstabwertung: „Ich bin völlig unfähig,auf andere Menschen zuzugehen.“
  • Die übermäßige Angst: “Ich habe Panikbekommen.“
  • Die Verschrecklichung: „Es ist eine Katastrophe.“
  • Die Übergeneralisierung: „Ich werde das nieschaffen.“

Wann immer du in deiner Interaktion solche Übertreibungen erlebst – sei es bei dir oder anderen – ist das ein klares Signal: Hier ist ein irrationaler Glaubenssatz am Werk, der dich in deiner Handlungsfreiheit begrenzt.

Zeit ihn zu identifizieren und neu zu definieren.

Radikale Selbstverantwortung:

Die Situation ist, was sie ist. Was sie mit mir macht, bestimme ich.

Dorothea von Wichert-Nick

Arbeit mit Glaubenssätzen

Die wenigsten unserer Glaubenssätze sind offensichtlich – wohl aber unsere Reaktionen auf bestimmte Situationen.

Sind deine Reaktionen auf eine Situation angemessen und bringen dich ins Handeln? Super, hier wird dein Handeln von rationalen, förderlichen Glaubenssätzen geprägt.

Oder sind es übermäßige, negative Reaktionen, die dich aus dem Konzept bringen? Dann haben dich mit hoher Wahrscheinlichkeit irrationale Glaubenssätze im Griff.

Nutze nun die Kette „Ereignis-Gedanken-Gefühle-Verhalten-Resultat“, um zu deinen Glaubenssätzen vorzudringen.

Vorbereitung

Setze als erstes eine Tabelle mit 2 Spalten und 7 Zeilen auf oder nutze mein Template (DE EN):

Schritt 1: Ereignis identifizieren

Schreibe auf, was das Ereignis ist, auf das du besonders, vielleicht sogar unangemessen stark, reagierst. Was war passiert? So neutral wie möglich. Als hättest du es filmen können.

Schritt 2: Exploration der irrationalen, limitierenden Glaubenssätze

Starte dann die Exploration:

  • Welche Gedanken löst dieses Ereignis aus?
  • Welche Gefühle kommen mit diesen Gedanken?
  • Wie verhalte ich mich angesichts dieser Gedanken und Gefühle?
  • Welche Resultate erlebe ich und was steht dahinter?

Nutze dafür die linke Spalte der Tabelle.

Du wirst schnell sehen: Das Niederschreiben hilft dir, zu verstehen, wie deine Gedanken, Gefühle und Aktionen zusammenhängen und dich unbewusst limitieren.

Überlege zuletzt, was wohl der Glaubenssatz ist, der hinter dieser Schleife steht.

Schritt 3: Erarbeitung einer rationalen, förderlichen Alternative

Zum Glück hast du die Wahl. Denn alles außer dem auslösenden Ereignis ist deine Entscheidung. Du kannst alles ändern: Deine Gedanken, deine Gefühle, dein Verhalten und damit das Resultat deines Tuns.

Bei der Entwicklung der aktivierenden Sichtweise startest du am besten mit dem gewünschten Resultat.

  • Welches Resultat würde ich gerne erreichen? In diesem Fall z.B. 10 neue Menschen kennenlernen.
  • Was müsste ich dafür tun (Verhalten)? Hier solltest du deinen eigenen Weg definieren. Mir würde es z.B. helfen, bereits vorher Termine zu machen. Wenn ich bereits ein paar Termine habe, bin ich viel entspannter unterwegs. Bei dir kann das aber etwas anderes sein.
  • Welche Gefühle würden mich zu diesem Verhalten bringen?
  • Welche Gedanken schaffen diese Gefühle?

Schritt 4: Förderlichen Glaubenssatz erarbeiten

Übersetze die neue Handlungsweise in einen neuen, rationalen Glaubenssatz. Und mache damit die einmalige Handlung zu einem neuen, förderlichen Handlungsgrundsatz.

Hier nochmal die Schritte im Überblick:

Ich mache diese Übung regelmäßig mit meinen Klienten.

Der Effekt ist immer der gleiche: Totale Begeisterung!

Wow, es gibt eine Alternative. Ich kann anders Denken, Fühlen und Handeln. Ich kann mich selbst aus dem Gefängnis meiner limitierenden Glaubenssätze befreien – und es ist gar nicht mal schwer.

Natürlich reicht es nicht, ein neues Modell zu haben, es muss dann auch noch gelebt werden. Aber wenn du mal verstanden hast, wo du dich selbst blockiert und wie cool die Alternative sein kann, fällt es dir viel leichter, dein Handeln anzupassen.

Key Take Aways

Unsere Glaubenssätze sind die tiefen Routinen unseres Gehirns: Überzeugungen und Annahmen über uns selbst, andere Menschen und die Welt. Sie steuern unbewusst unsere Entscheidungen und unser Verhalten.

Das Problem: Viele Glaubenssätze blockieren uns. Limitierende Glaubenssätze zeigen sich in negativen Denkweisen, unangemessenen Gefühlen und irrationalen Handlungsweisen.

Mit dieser Methode hinterfragst du deine limitierenden Glaubenssätze und schaffst dir neue Handlungsoptionen:

Schritt 1: Schreibe das Ereignis auf, das deine negativen Gedanken und Gefühle auslöst

Schritt 2: Dechiffriere dein Verhalten: Welche Gedanken habe ich zu dieser Situation? Welche Gefühle lösen sie aus? Wie verhalte ich mich dann? Was ist das Resultat dieser Schleife? Welchen Glaubenssatz bestätigt das negative Resultat?

Schritt 3: Schaffe eine alternative Handlungsweise. Starte dabei am besten von hinten: Was für ein Resultat will ich eigentlich haben? Wie müsste ich mich verhalten, damit ich es erreiche? Welche Gefühle würde mein Verhalten auslösen? Welche Gedanken hätte ich dann in dieser Situation?

Schritt 4: Überlege schließlich, wie ein neuer, förderlicher Glaubenssatz aussieht.

Hier findest du das passende Template (DE EN).

Viel Erfolg bei der Umsetzung.

Und nun zu dir!

  • Gibt es Situationen, die regelmäßig negative Gedanken und Gefühle auslösen?
  • Wie verhältst du dich dann? Ist das produktiv für dich?
  • Wie sehr bestätigt das Ergebnis deine Denkweise über die Welt?
  • Wie könntest du anders über diese Situationen nachdenken?
  • Was würde dann möglich werden?

Mach deinen Beirat zum High Performance Team

In meiner Arbeit mit Unternehmern bin ich immer auf der Suche nach den Geheimnissen des Erfolgs.

Allmählich kristallisiert sich ein Muster heraus:

Langfristig erfolgreiche Unternehmer sind Menschen, die sich und ihr Handeln tief reflektieren und sich für ihre Entscheidungen accountable halten lassen.

Eines ihrer wichtigsten Selbstführungs-Instrumente:

Ein hervorragend besetztes und aktives Advisory Board.

Das deutsche Wort „Beirat“ ist Programm: Sei bei mir und berate mich.

Mit ihrem Beirat schaffen sich starke Unternehmer einen virtuellen Chef. Ein Team, das sie herausfordert und Rechenschaft von ihnen verlangt.

Ihre Einladung an das Board: Stellt mir die unangenehmen Fragen und haltet meine Entscheidungen nach. Helft mir, immer besser zu werden.

Lies in diesem Blogartikel, wie du deinen Beirat zur Geheimwaffe auf dem Weg zum Erfolg machst.

Was bedeutet dein Beirat für dich?

Kürzlich habe ich mit einer neuen Klientin über ihren Beirat gesprochen.

Die Frage: „Habt ihr einen Beirat und wie arbeitet ihr mit ihm?“

Die Antwort kam schnell und lakonisch:
„Klar, haben wir, müssen wir ja. Da sind die Vertreter unserer Investoren drin. Keiner von denen ist so richtig interessiert. Eigentlich geht es da nur um Reporting.“

Sorry, wenn ich das so hart sage: What a waste of time!
Für dich als Unternehmer und für die Investoren, die ihre Meetings absitzen müssen.

Leider bleiben viele Beiräte weit unter ihrem Potenzial. Und das hat fünf Gründe:

  • Falsches Mindset: Der Beirat wird als notwendiges Übel betrachtet. Eine Pflichtveranstaltung, auf die man gerne verzichten könnte.
  • Unerfahrener Chair: Die unabhängige Chair-Position bekommt ein vertrauter Buddy, dem die Erfahrung in der Moderation komplexer Interessenlagen fehlt.
  • Lose Beziehungen: Beziehungspflege wird als Zeitverschwendung gesehen. Das gegenseitige Vertrauen fehlt, die Mitglieder sind unmotiviert.
  • Pseudoteam: Im Beirat vertritt jeder nur seine eigenen Interessen. Gemeinsame Ziele und gegenseitige Accountability fehlen. Die Verbundenheit ist gering.
  • Unproduktive Meetings: Beiratsmeetings sind dröge Pflichtveranstaltungen. Tribunale, in denen es nur um Reporting und Rechtfertigung geht.

As the founder and CEO, I get to built two teams to help me – my leadership team and my board.

Jeff Lawson, Mitgründer und ex-CEO von Twilio

Es geht aber auch anders: Ein starker Beirat kann unglaublich viel bewegen.

Mit diesen fünf Hebeln machst du deinen Beirat zu deiner Geheimwaffe..

  • Das richtige Mindset
  • Unabhängiger, erfahrener Chair
  • Motivierte Beiräte, gegenseitiges Vertrauen
  • Der Beirat als High Performance Team.
  • Produktive Beiratsmeetings

Mindset Shift: Lernchance statt Beweisdruck

Die erste Voraussetzung für einen erfolgreichen Beirat ist das richtige Mindset: Du lässt dich voll und ganz auf die Beiratsarbeit ein und nutzt sie optimal für deine Entwicklung und die deines Unternehmens.  

Hinterfrage dich kritisch, wenn du aktuell keinen Beirat hast:

Welche innere Blockade führt dazu, dass ich auf einen starken Beirat verzichte?  

  • Habe ich Angst vor kritischen Nachfragen und einem hohen Beweisdruck?
  • Traue ich den Beiräten keine gute Einschätzung meines Unternehmens vor?
  • Bin ich zu sehr Macher, um die strategischen Impulse des Beirats aufzunehmen?

Unternehmer, die einen aktiven Beirat schaffen, arbeiten aus einer Haltung des Growth Mindsets: Sie wissen, was sie erreichen wollen. Sie sind im besten Sinne des Wortes Selbst-Bewußt: Sie kennen ihre Stärken und Schwächen und wissen, dass sie den Weg vom Gründer zum CEO nicht alleine gehen können.

Daher suchen sie sich einen Beirat, der ihr Profil ergänzt und ihnen hilft, die richtigen Fragen zu stellen. Für sie ist der Beirat ein Must Have.

René Ruhland hat das in einem LinkedIn-Post wunderbar auf den Punkt gebracht.

Für mich als extrem risikobereiten Gründer und Unternehmer hilft es extrem, ein Kollektiv zu haben, das mich einbremst oder es zumindest versucht.

René Ruhland, Gründer und CEO von My Poster

Finde einen unabhängigen und erfahrenen Chair

Der zweite Erfolgshebel ist die Auswahl der richtigen Beiräte. Die wichtigste Entscheidung: Die Wahl des Beiratsvorsitzenden oder Chair(wo)man (kurz Chair).

Der Chair ist idealerweise eine unabhängige Person, die keinen Investor vertritt und sich damit voll auf die Rolle als Leader des Beirats und Sparringspartner eures Leadership Teams konzentrieren kann.

Die Rolle des Chairs ist umfangreich und herausfordernd. Er stellt sicher, dass das Board effektiv arbeitet und die langfristigen Ziele der Organisation im Auge behält. Er managt die Board Meetings und vermittelt zwischen euch Gründern und den Vertretern der Investoren.

Es macht einen wesentlichen Unterschied, wenn man mindestens eine unabhängige Person im Beirat hat. Ich selbst trenne ganz strikt zwischen Board Engagements und meine Investitionen.

Oliver Busch, Partner bei Mawave, Beirat

Eine gute Beiratsvorsitzende führt nicht nur den Beirat, sondern ist auch eure enge Vertraute und Sparringspartnerin. Sie unterstützt euch oft weit über die Beiratsmeetings hinweg in der Unternehmensführung.

Top Unternehmer besetzen diese Rolle sehr bewusst.

Sie suchen nach

  • einem erfahrenen Unternehmer, der ihnen zwei Schritte voraus ist, und mit großer Gelassenheit auf ihre aktuellen Herausforderungen schaut.
  • einen echten Leader und Teamplayer, der gut mit den Alpha-Tieren im Beirat umgehen und sie zusammenhalten kann.
  • einem Menschen, mit einem großen Netzwerk: Potenzielle Kunden, Partner, Investoren, Industriekontakten …  
  • einem guten Kommunikator mit einem ausgeprägten Gefühl für zwischenmenschliche Themen.

Motivierte Beiräte, gegenseitiges Vertrauen

Der dritte Hebel guter Beiratsarbeit sind tiefes Vertrauen und motivierte Beiräte.

Natürlich sollten die Beiräte das selbst mitbringen. Aber überlass es nicht dem Zufall, sondern lerne deine Beiräte als Menschen mit ihren Bedürfnissen und Zielen kennen.

Mit meinen Coachees mache ich dafür eine einfache Übung.

Wir schauen uns die Grundbedürfnisse an, die Vertrauen und Motivation auslösen (hier im Detail beschrieben):

  • Vertrauen: Bedeutung, Sicherheit und Verbundenheit.
  • Motivation: Sinn, Meisterschaft und Autonomie.

Dann stellen wir uns zu jedem Beiratsmitglied zwei Fragen:

  • Wie zeigen sich die sechs Bedürfnisse bei diesem Menschen konkret und wie stark sind sie?
  • Was kann ich tun, um die verschiedenen Bedürfnisse zu erfüllen und sie so zu kanalisieren, dass es für unseren Beirat produktiv wird?

Stell dir z.B. eine Beirätin vor, die gerne im Mittelpunkt steht und ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Bedeutung hat. Wenn du dafür keinen Rahmen schaffst, wird sie die Diskussionen immer wieder mit ihren Beiträgen sprengen.

Eine mögliche Lösung: Nutze das spezifische Wissen dieser Beirätin und beteilige sie an einem Projekt, in dem sie ihre Kompetenz zeigen kann. Damit signalisierst du: Ich sehe dich und du bist wichtig für mich.

Diese Übung ist ein echter Augenöffner. Oft verstehen wir erstmals, warum es in bestimmten Beziehungen immer wieder hakt. Und wir werden aus dem Opfer, dem eine schwierige Beziehung passiert, zum aktiven Gestalter.

Entwickle euren Beirat zum High Performance Team.

Erfolgreiche Unternehmer betrachten den Beirat als ihre zweites „First Team“ neben ihrem Gründer- oder Leadership Team. Und sie führen dieses First Team mit der gleichen Sorgfalt wie ihr Leadership Team.

Die Basis dafür: Das Verständnis der fünf Disziplinen der Teamführung

Aktive Prozesssteuerung. Auch wenn du einen guten Chair hast: Du holst nur dann das Optimum aus dem Beirat, wenn du ihn selbst aktiv führst. Mach dir klar, was für einen Beirat du haben willst und gestalte den Prozess gemeinsam mit eurem Chair.

Zum echten Team werden. Nutzt eure Beiratsmeetings, um euch immer besser kennenzulernen. Je stärker das Vertrauen, desto offener und konstruktiver ist euer Diskurs. Macht euch gemeinsam klar, wer sich wie einbringt. Jeder Beirat sollte neben der Vertretung der Investoren-Interessen eine feste Team-Verantwortlichkeit haben.

Um ein Board ordentlich zu strukturieren, mache ich mir über fünf Dinge Gedanken. Den Purpose des Boards, die People, die ich brauche, die Charter, also mit welcher welche Mission, in welche Weise gehen wir da rein? Die Formate und der Rhythmus.

Oliver Busch, ex Facebook, Beirat

In den Groove kommen. Legt mit einer gemeinsamen Beirats-Charta die Grundstrukturen eurer Arbeit fest. Beantwortet dabei die folgenden Fragen:

Das Unternehmen entwickeln. Die eigentliche Beiratsarbeit. Ihr diskutiert offene Themen, trefft Entscheidungen, löst Konflikte, definiert die Strategie und Ziele des Unternehmens. Der Schlüssel dazu: Produktive Beiratsmeetings.

Gemeinsam immer besser werden: Nehmt euch Zeit zum Lernen. Gebt euch regelmäßig Feedback. Macht alle halbe Jahr eine Retrospektive eurer Zusammenarbeit. Habt ihr die Ziele der Beirats-Charta erreicht? Wie effektiv ist die Zusammenarbeit? Was könnt ihr verbessern?

Produktive Beiratsmeetings

Die Beiratsmeetings sind der Container eurer Zusammenarbeit.

Wie alle Meetings werden sie produktiv, wenn sie gut vorbereitet sind und zu wohlinformierten Entscheidungen führen, die konsequent umgesetzt werden.

Gute Vorbereitung. Der wichtigste Teil deines Meetings ist vor dem Meeting.

Überraschungen sind selten gut. Stell sicher, dass der Beirat vorab über alle kritischen Themen informiert ist. Hole jeden mit einem PreMeeting Call ab. Versende frühzeitig – gerne 2-3 Wochen vorher – deinen Agendavorschlag und gib den Beiräten die Möglichkeit, Themen zu ergänzen.

Nutze die Erarbeitung der Beiratspräsentation, um deine eigene Arbeit kritisch zu hinterfragen. Starte die Präsentation mit den strategischen Themen und gehe erst danach auf die Zahlen ein. Damit machst du klar: Ich will eine strategische Diskussion, keine Reportingschlacht. Ende die Präsentation mit 2-3 Fragen, zu denen du gerne Feedback aus dem Board hättest.

Die Präsentation sollte mindestens eine Woche vor dem Meeting versandt werden. Macht es zum Arbeitsprinzip, dass sich jeder vor dem Meeting mit den Inhalten auseinandersetzt.

Der Mehrwert eines top besetzten Beirats ist unschlagbar! Allein beim Vorbereiten und Beschäftigen mit den kommenden Themen lernt man schon super viel und bekommt meistens auch nochmal eine andere Erkenntnis!“

René Ruhland, Gründer und CEO von My Poster

Beiratsmeeting. Startet mit einem persönlichen Check-in. Nehmt euch dann Zeit für Fragen zu den Zahlen. Wenn jeder die Zahlen kennt, könnt ihr direkt mit der Diskussion starten. Der Zahlenblock sollte maximal 25% der Zeit des Beirats einnehmen.

Den größten Zeitblock, ca. 50% des Meetings, solltet ihr für die Diskussion der strategischen und operativen Fragen blocken. Strebt an, jede Teildiskussion mit klaren Entscheidungen abzuschließen. Das macht das Meeting produktiv und motiviert alle.

Nehmt euch zum Ende der Session Zeit für die Dokumentation der Entscheidungen und Feedback: Wie war die Zusammenarbeit der letzten Monate und das Meeting heute? Was können wir beim nächsten Mal besser machen?

Da sich Beiräte nur selten persönlich sehen, solltet ihr zumindest bei jedem zweiten Beiratstreffen einen persönlichen Austausch anschließen und so am Teamspirit arbeiten.

Systematisches Nachhalten. Erst die Umsetzung macht eure Beiratsarbeit effektiv. Halte deinen Beirat über die Umsetzung der Entscheidungen proaktiv auf dem Laufenden. Das schafft Sicherheit und Vertrauen.

So macht Beiratsarbeit Spaß: Mit dem richtigen Mindset, einem erfahrenen Chair, motivierten Beiräte, die sich vertrauen, einem Beirat, der sich als Team fühlt und produktiven Beiratsmeetings.

Wenn du da angekommen bist, wirst du dir nicht mehr vorstellen können, ohne Beirat zu arbeiten und Rene Ruhland zustimmen: „Beirats-Pflicht für Startups!“

Key Take Aways

Aktive gemanagte Beiräte sind ein Muss für Unternehmer, die langfristig erfolgreich sein wollen. Mit ihrem Beirat schaffen sich starke Unternehmer einen virtuellen Chef. Ein Team, das sie herausfordert und accountable hält.

Deine Einladung an das Board: Stellt mir die unangenehmen Fragen und haltet meine Entscheidungen nach. Helft mir, immer besser zu werden.

Mit diesen 5 Hebeln schafft du einen Beirat, der euch auf das nächste Level bringt.

  • Das richtige Mindset: Mein Beirat hilft mir, meine Arbeit zu reflektieren und zu besseren Entscheidungen zu kommen. Ich liebe es, hinterfragt und accountable gehalten zu werden. So werde ich immer besser. Ein echtes Must Have für mich.
  • Finde einen erfahrenen Chair. Der ideale Chair ist eine unabhängige Person, die keinen Investor vertritt und sich auf die Rolle als Leader des Beirats und Sparringspartner eures Leadership Teams konzentriert. Suche nach einem erfahrenen Manager mit ausgeprägten zwischenmenschlichen Kompetenzen.
  • Motivierte Beiräte, gegenseitiges Vertrauen: Baue bewusst das Vertrauen und die Motivation der Beiräte auf. Verstehe deine Beiräte: Was sind ihre Ziele und was brauchen sie? Steuere deine Zusammenarbeit so, dass ihre Bedürfnisse erfüllt sind.
  • Entwickle euren Beirat zum High Performance Team. Nutze dafür die 5 Disziplinen des Teamführung: Steuere den Prozess aktiv, gerne zusammen mit dem Chair. Macht aus dem Beirat ein echtes Team. Definiert mit eurer Team Charta eure Mission und klare Arbeitsregeln. Habt produktive Meetings und macht eure Arbeit Schritt für Schritt immer besser.
  • Produktive Beiratsmeetings: Weg von Reportingschlachten, hin zu intensiven Diskussionen eurer Strategie und Herausforderungen. Die Voraussetzung: Gute Vorbereitung. Das Reporting sollte jeder vorher gelesen haben. Nutzt in den Meetings mindestens 50% der Zeit für echte Diskussionen und Entscheidungsfindung. Halte den Beirat proaktiv auf dem Laufenden. Das schafft Vertrauen.

Viel Erfolg bei der Umsetzung.

Und nun zu dir!

  • Habt ihr einen Beirat und welche Rolle hat dieser Beirat bei euch?
  • Aus welcher inneren Haltung arbeitest du mit dem Beirat?
  • Wie arbeitest du aktuell mit dem Chair zusammen? Ist er hinreichend unabhängig?
  • Wie aktiv steuerst du deinen Beirat? Seid ihr ein echtes Team?
  • Wie führst du eure Meetings?

Wenn du tiefer eintauchen willst

Mehr Motivation & Engagement mit bedürfnisorientierter Führung: Vertrauen, Motivation und Engagement sind wesentliche Treiber von Wachstum. Lerne hier, wie du sie gezielt fördern kannst.

Bring dein Team in den Groove: Jazz Combos sind die perfekten High Performance Teams. Klein, divers, selbstorganisiert. Lerne vom Jazz –  bringe dein Team zum Grooven.

Schluss mit unproduktiven Meetings. Wie war deine Woche bisher? Zu viele unproduktive Meetings? Mit diesen 4️ Schritten bringst du deine Meetings auf das nächste Level. Schritt 1: Liebe deine Meetings ♥️