Klare Konsequenzen – Geheimwaffe der effektiven Kommunikation

Sicher hast du das auch schon mal erlebt.

Ein Teammitglied von dir macht nicht, was du von ihm oder ihr erwartest. Irgendwann bist du am Ende deines Lateins.

„Ich muss jetzt endlich hart durchgreifen!

Eigentlich schätze ich Kati, aber sie bereitet die Kundenpräsentationen nie rechtzeitig vor. Jetzt ist es wieder passiert. Der Kunde kommt und ich muss mal wieder improvisieren!“

Max ist frustriert. Immer das Gleiche: All das gute Zureden, sein Verständnis für Kati, sein Feedback haben nicht gefruchtet. Sie macht einfach weiter wie gehabt.

Die einzige Chance, die er sieht: Drohungen, eine harte Ansage „Ab morgen läuft das so, sonst…“

Das Dumme: Drohungen sind keine Lösung. Wir können Menschen nicht anschieben, egal mit welcher Kraft. Das Einzige, was passiert: Die Fronten verhärteten sich, die Frustration steigt. Eine echte Sackgasse.

Zum Glück gibt es eine Alternative: Klare Konsequenzen. ⬅️➡️

Die Geheimwaffe der effektiven Kommunikation. ?

Die Quintessenz:

„Ich kann dich zu nichts zwingen. Aber ich sage dir, wie ich ab sofort agiere. Wenn du A machst, mache ich A´. Wenn du B machst, mache ich B´.  Entscheide dich, lebe dann aber auch mit den Konsequenzen.“

Klare Konsequenzen bringen uns raus aus dem Alltagsdrama und rein in die Eigenverantwortung.

Welche Power in klaren Konsequenzen liegt und wie du sie entwickelst, ist der Fokus dieses Blogartikels. Und wie immer auch als Podcast Aufnahme: Spotify Apple Podcast Podigee 

Das ewige Drama

Das Beispiel von Max und Kati ist ein super Beispiel für ineffektive Kommunikation und Drama. 

Eine Kommunikation ist effektiv, wenn die Information erfolgreich von einer Person oder Gruppe an eine andere Person oder Gruppe übertragen wird und dort das Gewünschte bewirkt.

Das ist hier nicht passiert.

Max hat Kati zwar immer wieder gesagt, dass ihn ihr Verhalten frustriert. Aber dabei nie klar gemacht, was passiert, wenn sie nicht liefert. 

Dabei meinte er es gut mit ihr. Er wollte keine Angstkultur schaffen, nicht drohen. Außerdem ist es ja ihr Job. Nach jedem Feedback hatte er gehofft, dass Kati nun endlich Verantwortung übernimmt. 

So geht es vielen von uns. Wir gehen vom Besten aus, wollen unser Gegenüber nicht unter Druck setzen. Bis das Fass überläuft und es wirklich knallt: Drohungen, Kündigung…

Willkommen im Drama-Dreieck (mehr dazu in diesem Artikel). 

Max hat alle Drama-Rollen durch. 

Wann immer Kati nicht lieferte, fühlte er sich als Opfer ?. Übernahm die Verantwortung, die eigentlich bei ihr liegen sollte. Er improvisierte und rettete ? damit sowohl sich als auch Kati. Leider war das nicht konstruktiv. Seine Termine fanden statt, aber das eigentliche Problem – Katis Unzuverlässigkeit – bleibt ungelöst. 

Jetzt ist Schluss damit. Am liebsten würde er mit Rausschmiss drohen. Und macht damit den Schritt zum Verfolger ?.

Hilft ihm das weiter? Wahrscheinlich nicht. Denn eigentlich schätzt er sie ja und würde gerne weiter mit ihr arbeiten.

Die Alternative: Klare Konsequenzen. Max macht Kati klar, was die Folgen ihres Handelns sind.

Klare Konsequenzen = Grenzen setzen, Verantwortung übernehmen 

Die Grundidee in der den Klaren Konsequenzen ist super einfach:

„Ich kann dich zu nichts zwingen. Aber ich sage dir, wie ich ab sofort agiere.

Wenn du beim nächsten Mal A machst (z.B. wieder nicht lieferst), werde ich A´ machen. Wenn du B (lieferst) machst, werde ich B´ machen. 

Für mich sind diese beiden Optionen gleichwertig. Du kannst dich frei für A oder B entscheiden. Du musst dann aber auch mit den jeweiligen Konsequenzen leben.“

Die Kommunikation mit klaren Konsequenzen lebt von vier Grundüberzeugungen.

  • Ich bestimme, was ich tue. Du bestimmst, was du tust. Wir können nur über unser eigenes Tun entscheiden. 
  • Ich setze klare Grenzen, verbinde sie mit Konsequenzen und handle entsprechend: Ich entscheide, welches Verhalten meines Gegenübers ich akzeptiere und welches nicht. Und ich entscheide vorab, wie ich auf dieses Verhalten reagiere. Das gibt mir Sicherheit. Selbst in der akuten Stresssituation weiß ich jetzt, was ich tue. Das reduziert meine Frustrationen.
  • Ich kommuniziere die Grenzen & Konsequenzen. Unverhandelbar. Ich erkläre meinem Gegenüber, wie ich mich künftig in welcher Situation verhalte. Diese unverhandelbare „Vorhersage“ gibt meinem Gegenüber Sicherheit. Er oder sie weiss jetzt, welche Konsequenzen sein Handeln hat. Das schafft Entscheidungssicherheit. 
  • Mein Gegenüber agiert eigenverantwortlich und steht für die Konsequenzen ein. Mein Gegenüber entscheidet auf Basis dieser Informationen über sein eigenes Handeln. Die Verantwortung für die Konsequenz seines Handelns liegt zu 100% bei ihm.

Actions have consequences… first rule of life. And the second rule is this – you are the only one responsible for your own actions.

Holly Lisle

Die Arbeit mit klaren Kompetenzen ist der beste Weg aus dem Alltagsdrama.

Statt Opfer von Fehlverhalten zu sein, gestalten ? wir unseren eigenen Handlungsrahmen. Wir gehen in die Eigenverantwortung. 

Mit unserer Kommunikation: „Wenn A, dann A´ und wenn B dann B´“ werden wir zum Challenger ??‍♂️ und verzichten auf die Anklagen und Drohungen des Verfolgers. 

Das ist Verantwortung auf Augenhöhe.

In 4 Schritten zu klaren Konsequenzen

Das Modell der klaren Konsequenzen ist super simpel –  aber nicht unbedingt einfach umzusetzen. Gehe dabei in 4 Schritten vor:

Schritt 1: Problem verstehen. Ergründe zunächst, was dein eigentliches Problem ist. Reflektiere das Verhalten deines Gegenübers. Und reflektiere, wie du bisher dazu beigetragen hast, dass sich dieses Verhalten festgesetzt hat. Stell dir dazu folgende Fragen:

  • Was genau verschafft mir Probleme?
  • Was brauche ich, damit das Problem gelöst ist?
  • Was war bisher meine Reaktion?  Warum? 
  • Was hindert mich bisher, konsequent zu sein?

Beispiel. Max ärgert sich über Katis Unzuverlässigkeit. Nie konnte er sich in Ruhe vorbereiten. Wenn er die Präsentation einen Tag vor dem Kundentermin hätte, könnte er sich richtig vorbereiten. Bisher hat er über die Verspätungen gejammert, aber Kati nicht frühzeitig an die Präsentation erinnert. Kati ist super busy und er wollte sie nicht noch weiter überlasten. 

Schritt 2: Verhalten & Konsequenzen bestimmen. Im zweiten Schritt überlegst du dir, wie du künftig in welcher Situation agieren willst. Du solltest mindestens zwei Optionen haben, die für dich gleichwertig sind und die du auch wirklich, wirklich machen wirst. Leere Drohungen sind Schrott. Mit diesen Fragen kommst du zu guten Ergebnissen:

  • In welcher Situation will ich künftig wie agieren?
  • Welche Konsequenz ist gut und angemessen?
  • Was triggert mein neues Verhalten?
  • Bin ich zu 100% committed?

Bei Max könnte das so aussehen: „Wenn Kati nicht oder zu spät liefert, bekommt sie eine Verwarnung. Bei drei Verwarnungen erfolgt die Kündigung. Wenn Kati pünktlich liefert, nehme ich sie mit in den Kundentermin, damit sie lernt, wie ich Vertrieb mache. Und ja, nur so geht es weiter. 100%“

Wenn du die Konsequenzen entwickelt hast, lohnt sich der Gegencheck: Bin ich wirklich bereit, mich so zu verhalten? Bin ich bereit, die Wahl meines Gegenübers zu akzeptieren und mit den Konsequenzen zu leben?

Every choice comes with a consequence. Once you make a choice, you must accept responsibility. You cannot escape the consequences of your choices, whether you like them or not.

Roy T. Bennet

Schritt 3: Verhalten und Konsequenzen kommunizieren. Du weißt jetzt, was du brauchst und tun willst. Jetzt geht es an die effektive Kommunikation. So bald wie möglich; nicht erst, wenn das Kind mal wieder in den Brunnen gefallen ist. Erkläre dabei auch, warum du jetzt zum Mittel der klaren Konsequenzen greifst und das deine „Vorhersage“ unverhandelbar ist:

Max kommuniziert im nächsten 1:1: „Du hast immer wieder zu spät geliefert. Diese Unzuverlässigkeit frustriert mich, denn ich bin nie optimal auf die Sales-Meetings vorbereitet. Deshalb werde ich in Zukunft so agieren:

Wenn du beim nächsten Mal (siehe Schritt 2)… . Mein Verhalten ist unverhandelbar. Du kannst entscheiden, was du tust – musst dann aber auch mit den Konsequenzen leben.“

Schritt 4: Konsequenzen umsetzen. Jetzt musst du natürlich tun, was du versprochen hast. Im Guten wie im Schlechten. Sonst bist du unglaubwürdig und euer Drama geht weiter. Also agierst du beim Triggerpunkt ohne Verzögerung, genau wie versprochen. Bleib stark, wenn dein Gegenüber mit Jammern oder Drohungen versucht, dich umzustimmen. Mache klar: Du wusstest, was passiert. Du hast dich selbst entschieden.

Was gute, angemessene Konsequenzen ausmacht

Klingt alles super. Leider ist es aber nicht so leicht, gute Konsequenzen zu definieren. Gute, klare Konsequenzen sind

  • Prädizierbar: Sie zeigen klare Folgen des Tuns auf, machen Reaktion prädizierbar und schaffen damit Entscheidungsfreiheit. Kein Interpretationsspielraum.
  • Neutral: Definiere Optionen, die für dich gleichwertig sind und die du neutral vortragen kannst. Mach dir bei negativen Konsequenzen klar: Sie sind Reaktionen auf Grenzüberschreitungen. Ohne sie machst du dich selbst zum Opfer.
  • Stabil: Gute Optionen sind vollständig, genau und wiederholbar. Damit schaffen sie Vertrauen. Klarer Auslöser, klares Handeln. Kein Nachkarten.
  • Zweiseitig: Definiere mindestens zwei Optionen. Manchmal ist die zweite Option nur ein Halbsatz, er sollte aber trotzdem ausgesprochen werden: „Wenn du mich künftig unterbrichst, werde ich unser Gespräch unterbrechen. Wenn nicht, dann nicht.“
  • Minimalinvasiv: Gestalte die Konsequenzen so klein wie möglich und nötig, damit sie dein Bedürfnis erfüllen. 

Auf in die Umsetzung!

Klare Konsequenzen sind ein machtvolles Instrument der effektiven Kommunikation. 

  • Sie sind per se „effektiv“, denn sie verbinden Aktionen mit einem klaren Effekt.
  • Sie schaffen Klarheit und Augenhöhe.
  • Sie holen uns aus dem Alltags-Drama und bringen alle Parteien in die Eigenverantwortung. Aus Opfern, Rettern und Verfolgern werden Gestalter und Challenger.

Sie eignen sich für alle Situationen, in denen ihr wie Max und Kati in langwierigen Mikrokonflikten verhangen seid.

Du kannst sie aber auch nutzen, um in einer neuen Führungsbeziehung frühzeitig klar zu machen, was dir wichtig ist, welches Verhalten du unterstützt und was passiert, wenn deine Grenzen überschritten werden. 

Key Take Aways

Klare Konsequenzen sind die Geheimwaffe der effektiven Kommunikation. Besonders geeignet sind sie für die aktive Gestaltung schwieriger Situationen. Dort stellen sie sicher, dass jeder in die Eigenverantwortung geht. Empowerment Pur. 

Die Grundidee: „Ich weiss, dass ich dich zu nichts zwingen kann. Ich kann dir aber sagen, wie ich ab sofort agiere. Wenn du A machst, mache ich A´; wenn du B machst, mache ich B´. Entscheide selbst, lebe aber auch mit den Konsequenzen.”

Dahinter stehen vier Überzeugungen: 

Ich bestimme, was ich tue. Du bestimmst, was du tust. 

Ich setze klare Grenzen, verbinde sie mit Konsequenzen und handle entsprechend. 

Ich kommuniziere die Grenzen & Konsequenzen. Unverhandelbar. 

Mein Gegenüber agiert eigenverantwortlich und steht für die Konsequenzen ein.

Führe die klaren Konsequenzen in 4 Schritten ein:

  • Problem verstehen: Verstehe, was das Problem hinter eurem Verhalten ist und inwiefern du bisher Komplize einer Situation bist, die du eigentlich nicht haben willst.
  • Verhalten & Konsequenzen bestimmen. Was wirst du künftig in welcher Situation machen? Schaffe mindestens zwei Alternativen. Teste dein eigenes Commitment.
  • Verhalten & Konsequenzen kommunizieren. Frühzeitig, bevor das Kind wieder in den Brunnen gefallen ist. Mache klar, dass die Konsequenzen unverhandelbar sind.
  • Konsequenzen umsetzen. Tue genau das, was du versprochen hast. Auch, wenn es deinem Gegenüber nicht passt. Er oder sie hatte die Wahl.

Und nun zu Dir!

  • Welche frustrierenden Arbeitsbeziehungen hast du? Wo schaffst du durch fehlende Klarheit eine Situation, die du so nicht willst?
  • Wie kommunizierst du bisher die Konsequenzen auf dein Verhalten? Bist du klar? Hälst du deine Versprechen ein?
  • Welche Konflikte und Frustrationen könntest du mit dem Instrument der „Klaren Konsequenzen“ lösen?

Viel Erfolg bei der Umsetzung!

Weiterführende Artikel

Raus aus dem Alltags-Drama. Wir hassen sie alle: Köchelnde Konflikte. Kleine Dramen mit den immer gleichen Rollen. Lerne sie zu verstehen und brich selbstbewusst aus.

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Vertrauen ist machbar. Baue auf diese 6 Säulen

„Denke an zwei Menschen in deinem Team.
An einen, zu dem du tiefes Vertrauen hast, und an einen, zu dem du eine schwierige Beziehung hast.

Reflektiere deine Gefühle, deine Kommunikation und dein Verhalten gegenüber jedem von ihnen. Wie unterscheiden sie sich?“

Mit dieser Übung starte ich gerne die Diskussion zum Thema Vertrauen.

Und bekomme immer das gleiche Bild gespiegelt.

Menschen, denen wir vertrauen, trauen wir mehr zu. Wir geben ihnen gerne Verantwortung. Die Zusammenarbeit fühlt sich richtig gut an. Offen, entspannt und zielorientiert. 
Gemeinsam bekommen wir richtig viel gerockt.

Wenn es nur bei jedem so wäre!

Tut es aber nicht.

Sobald das Vertrauen leidet, wird es schwierig. Jede Interaktion ist anstrengend. Wir fühlen uns unsicher. Wir geben genaue Anweisungen, meiden den direkten Austausch. Und schwächen das Vertrauen immer weiter.
Ein echter Teufelskreis.

Ohne tiefes Vertrauen keine High Performance.

Die gute Nachricht: Vertrauen ist machbar.

Was Vertrauen im Detail ausmacht und wie du es gezielt aufbaust, ist der Fokus dieses Blogartikels.

Vertrauen ist Leadership Kompetenz Nr. 1

Wir alle wissen: Vertrauen ist essentiell für den Erfolg unserer Zusammenarbeit und die Verantwortungsübergabe (Mehr über den Zusammenhang von Vertrauen und High Performance findest du hier).

Wenn wir einander vertrauen, arbeiten wir besser, schneller und mit mehr Spaß. Der gezielte Vertrauensaufbau und -erhalt sind die Kernkompetenz von Leadern.

Leadership is not taken, it is given. People give leadership to those that they trust. They allow people that they trust to have influence over their lives.

Henry Cloud

Leider machen wir das selten bewusst. Wir erleben Vertrauen als etwas, das irgendwie entsteht, das aber auch ganz schnell wieder in sich zusammenbricht. 

Wie oft höre ich in meinen Sessions: „Ich habe kein Vertrauen mehr in X.“, „Y hat das Vertrauen gebrochen. Da ist nichts mehr zu holen.“

Fatalistisch und endgültig. Klassische Opferhaltung. Vertrauen passiert uns.

Die kalte Wasserprobe

Wir kennen oft nur einen einzigen Tipp zum Vertrauensaufbau: „Gib Vertrauen, dann bekommst du es auch zurück.“ Also geben wir unseren Kollegen einen Vertrauensvorschuss. Wir schmeißen sie ins kalte Wasser und schauen, was passiert. 

Schwimmen sie: Super, unser Vertrauen hat sich gelohnt. Gehen sie unter: Schade, das Vertrauen war wohl nicht gerechtfertigt. Hätte ich mir ja gleich denken können.

Diese Heuristik der Vertrauensbildung erinnert schon vom Namen her an eine grausame Foltermethode aus dem tiefsten Mittelalter. Die „kalte Wasserprobe“ wurde von Papst Eugen II. (824–827) eingeführt. Die mutmaßlichen Hexen wurden gefesselt und in einen See geworfen. Schwammen sie oben, hatten sie magische Kräfte. Gingen sie unter – Pech gehabt.

Genau das hat Alex, eine meiner Coachees erlebt. Nach einem langen, sorgfältigen Recruitingprozess hatte sie die perfekte Besetzung für das Influencer Marketing gefunden – ein Schlüsselbereich des Unternehmens. 

Sie wollte alles richtig machen und ließ Carl schnell die ersten Kampagnen machen. Allein.

Frei nach dem Motto: Vertrauen schafft Vertrauen.

Leider schwamm Carl nicht sofort. Die Kampagnen funktionierten nicht richtig, kosteten mehr, als sie brachten. Alex war tief verunsichert. Und machte immer detailliertere Vorgaben. Mikromanagement pur. 

Besser wurde es damit nicht. Im Gegenteil: Das gegenseitige Misstrauen wuchs, der Kollege verlor seine anfängliche Begeisterung.

Nach nur 2 Monaten war das Vertrauen gebrochen. Viele hätten jetzt die Schlussfolgerung der kalten Wasserprobe getroffen: Er schwimmt nicht, also fehlen wohl die magischen Kräfte. Raus mit ihm, Kündigung in der Probezeit.

Die Grafik unten veranschaulicht, was mit dem Vertrauen passiert, wenn wir und nicht die Zeit zum systematischen Aufbau nehmen. 

Werde zum Vertrauensgestalter!

Zum Glück blieb Alex an diesem Punkt nicht stehen. Mit dem verbliebenen Grundvertrauen starteten sie einen zweiten Anlauf.

Bei der nächsten Kampagne arbeiteten Alex und Carl Seite an Seite. Diskutierten alle Entscheidungen. Carl verstand immer besser, was Alex wichtig war. Und Alex war begeistert von seinen klugen Fragen und spannenden Ideen. Nach der ersten, gemeinsam realisierten Kampagne war das Vertrauen bereits signifikant gestiegen.

Bei der zweiten Kampagne waren Alex und der Neue schon etwas mutiger. Carl bekam ein kleines Budget, über das er frei entscheiden konnte. Das Ergebnis: Die Kampagne war so erfolgreich wie nie zuvor. Große Begeisterung! Und mit dem gemeinsamen Erfolg kehrte auch Motivation zurück.

Die dritten Kampagne übernahm Carl schließlich komplett. Das Vertrauen war wieder hergestellt. Und Alex spürt erstmals die Entlastung, die sich aus einer echten Verantwortungsübergabe ergibt.

Die nächste Grafik zeigt ihren Ansatz: Start mit einem guten Grundvertrauen. Dann erste gemeinsame Aufgaben, klein anfangen und mit dem wachsenden Vertrauen immer mehr Freiraum geben.

In diesem Prozess passierten zwei wesentliche Dinge:

  • Vertrauen wurde nicht als 1 oder 0 Entscheidung betrachtet, sondern als ein Prozess des gegenseitigen Kennenlernens. 
  • Es wurde gezielt an verschiedenen Säulen des Vertrauens gearbeitet. 

Die 6 Säulen des Vertrauens

Vertrauen entsteht auf der Basis von 6 Verhaltensweisen und Eigenschaften:

Verbindung. Ich fühle mich dir persönlich verbunden. Ich bin nicht nur ein Rädchen in der Maschine, sondern werde als Mensch wahrgenommen. Eine starke Verbindung kann leichte Risse in den anderen Säulen ausgleichen. Es ist die verzeihende Säule. Wenn sie schwächelt, werden auch die anderen Säulen mürbe.

Psychologische Sicherheit. Ich kann zwischenmenschliche Risiken ohne Angst vor negativen Konsequenzen eingehen: Kritik üben, Fehler machen, ausgefallene Ideen einbringen.

Aufrichtigkeit: Ich weiss, dass mein Gegenüber sagt, was er meint, und meint, was er sagt. Er ist konsistent und glaubwürdig in seinem Verhalten.

Verlässlichkeit: Mein Gegenüber hält Zusagen und Versprechen ein. Die Verantwortungsübergaben sind komplett und klar. Die jeweiligen Commitments auch. Jobs werden nicht einfach über den Zaun geworfen.

Kompetenz: Ich weiss, dass mein Gegenüber die Kompetenzen, Fähigkeiten, Ressourcen und Kapazitäten hat, die sie braucht, um zu leisten, was sie verspricht. Wenn sie etwas nicht kann, gibt sie direkt Bescheid. Zur Messung der Kompetenz gibt es klare Standards.

Bedeutung. Der Wert meines Beitrags wird gesehen, und auch ich erkenne den Wertbeitrag der anderen an. Wir begegnen uns auf Augenhöhe. Gemeinsam stellen wir sicher, dass unsere gegenseitigen Interessen gewahrt werden.

Tiefes Vertrauen entsteht, wenn alle sechs Säulen voll ausgebaut sind. Vertrauen wird instabil oder bricht, wenn einzelne oder mehrere Säulen einbrechen.

Ein Totalversagen ist zum Glück selten. Statt unserem Gegenüber also sofort das komplette Vertrauen zu entziehen, lohnt es sich, zu schauen, wo es eigentlich hakt. Und dann ganz gezielt an diesem Problem zu arbeiten.

Vertrauen ist machbar. Baue auf diese 6 Säulen: Verbindung, psychologische Sicherheit, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Kompetenz und Bedeutung.

Dorothea von Wichert-Nick

Im Fall von Alex und Carl waren drei Säulen beschädigt:

  • Verbindung. Carl war noch neu, man kannte sich kaum. Das hat sich mit diesem Prozess geändert. Alex und Carl sind sich nicht nur inhaltlich, sondern auch persönlich näher gekommen.
  • Bedeutung. Anfangs wollte Carl seinen Wert mit eigenständigen Aktionen beweisen. An sich gut gemeint – aber die fehlende Absprache ging nach hinten los. Die Alleingänge gaben Alex das Gefühl, dass Carl ihre Vorschläge und Kommentare nicht ernst nahm. Und ihr Pushback gab dann Carl das Gefühl fehlender Wertschätzung. Ein Teufelskreis. Durch die gemeinsame Arbeit lernen beide Seiten ihren jeweiligen Wert erkennen und schätzen. Jetzt begegnen sie sich auf Augenhöhe.
  • Kompetenz. Carl hatte eine grundlegende Kompetenz im Influencer Marketing, war aber noch relativ neu im Geschäft. Die gemeinsamen Kampagnen halfen ihm, seine Kompetenz aufzubauen, und Alex, seiner Kompetenz zu vertrauen.

Die Reflektion der Vertrauenshebel erlaubte es Alex und Carl, das Vertrauen ganz bewusst wieder herzustellen. Für jede Säule entwickelten sie passende Restaurierungsmaßnahmen.

Ihr gemeinsames Learning: Vertrauen ist machbar. 

Wir können Vertrauen durch bewusste Führung aktiv gestalten, statt Opfer eines „Vertrauensbruches“ zu werden. Und werden damit Meister in der zentralen Aufgabe echter Leader: Im aktiven Management von Beziehungen.

Vertrauen herstellen in 3 Schritten

Sicher hast auch du Führungsbeziehungen, in denen das Vertrauen zumindest mal wackelig ist. Mit diesen 3 Schritten kannst du das Vertrauen wiederherstellen.

Schritt 1. Vertrauensbruch identifizieren. Reflektiere, welche der sechs Säulen des Vertrauens angeschlagen ist. Meist hakt es nur an ein oder zwei Stellen, der Rest ist eigentlich ok. Bewerte dazu jede der Säulen auf einer Skala von 1-sehr gering bis 5-super.

Überlege, was dir jeweils fehlt, und welche Maßnahme das Vertrauen wieder herstellen können. Reflektiere auch, welchen Anteil du selbst an der Vertrauenskrise hast. 

Hast du dich z.B. über ihn geärgert, diesen Ärger aber runtergeschluckt, und so getan, als wäre alles ok (fehlende Aufrichtigkeit)? Oder nimmst du dir nur wenig Zeit zum Kennenlernen (Verbindung)? Gibt du unklare Anweisungen und änderst ständig deine Anforderungen (Verlässlichkeit)? Habe ich alles schon erlebt.

Bereite auf Basis dieser Erkenntnisse ein Feedback vor. Orientiere dich gerne am SBI-D-Feedback-Format

Schritt 2. Feedback & Entwicklungsplan. Führe nun ein ausgiebiges Feedbackgespräch mit der oder dem Betroffenen. Mach deinem Gegenüber als erstes klar, dass dieses Gespräch von dem Wunsch getrieben ist, tiefes Vertrauen zu etablieren.

Nutze das Feedbackformat, um deine Beobachtungen zu teilen. Überlegt, wie ihr die wackeligen Säulen gemeinsam repariert. Es ist selten nur ein einseitiges Problem. Und macht euch dann einen gemeinsamen Entwicklungsplan. Fangt mit kleinen, wenig riskanten Schritten an und traut euch dann immer mehr zu.

Schritt 3. Umsetzung & Retrospektive. Setzt nun eure Überlegungen um. Macht spätestens alle 4 Wochen eine Retrospektive: Was haben wir bereits erreicht? Verbessert sich das Vertrauen? Wo gibt es noch Anpassungsbedarf?

Wenn alles gut läuft, geht es euch bald schon wie Alex und Carl:

Das Vertrauen ist wieder hergestellt und ihr erreicht in der Zusammenarbeit die Performance, von der ihr eigentlich träumt.

Key Take Aways

Vertrauen ist die Basis von High Performance. Bewusster Vertrauensaufbau ist die wichtigste Kompetenz eines Leaders. 

Vertrauensvorschuss und ins kalte Wasser werfen klingt gut, ist aber hochriskant. Startet lieber mit einem guten Grundvertrauen und baut das Vertrauen dann quer über alle sechs Säulen auf: Verbindung, psychologische Sicherheit, Aufrichtigkeit, Verlässlichkeit, Kompetenz und gegenseitige Bedeutung.

Und geht doch mal was schief, könnt ihr das Vertrauen mit drei Schritte wieder kitten:

  • “Vertrauensbruch” identifizieren: Welche der Säulen ist angeschlagen? Was ist dein Anteil daran? Was brauchst du zur Heilung?
  • Feedback & Entwicklungsplan. Gib deinem Gegenüber Feedback zu deiner Erfahrung. Höre dir an, wie er oder sie euer Vertrauen erlebt. Und entwickelt dann Ideen zum Vertrauensaufbau. 
  • Umsetzung & Retrospektive. Setzt euren Entwicklungsplan um und überprüft alle 4 Wochen in einer kleinen Retrospektive, wie sich das Vertrauen entwickelt.

Und nun zu Dir!

  • Wie sehr vertraust du deinen Kolleg:innen? Wie stabil sind die verschiedenen Säulen?
  • Hast du Vertrauensprobleme im Team? Welchen Impact hat das auf eure Performance?
  • Überlege dir für jeden Problemfall eine vertrauensbildende Maßnahme.

Viel Erfolg bei der Umsetzung!

Weiterführende Artikel

Mit Vertrauen zur High Performance. Ihr seid ein tolles Team, seid Best Buddies – und trotzdem nicht zufrieden, mit dem was ihr erreicht. Lernt mit dem Modell der Vertrauenspyramide gezielt zum High Performance Team zu werden.

Ein gutes Feedback ist ein Feed Forward. Gutes Feedback ist wie ein kleines Coaching und bringt euch einen gewaltigen Schritt nach vorne. So geht es!

Photo by Nick Fewings (Unsplash)