Senior Executives auf Augenhöhe führen

Ein echter Meilenstein.

Endlich habt ihr die erfahrene Chief Operations Officerin (COO) gewonnen, nach der ihr so lange gesucht habt. Mit ihrer langjährigen Erfahrung bringt sie euch sicher auf das nächste Level. Außerdem passt sie mit ihrem Mindset zu 100% in eure Kultur. Endlich kannst du diesen Job abgeben.

Eigentlich kannst du dein Glück kaum fassen.

Wären da nicht all diese ambivalenten Gefühle:

„Ich gebe meinen Hauptjob ab – bin ich jetzt überflüssig?“

„Ist es nicht anmaßend, jemanden zu führen, der diesen Job so viel besser kennt als ich?“

„Was, wenn es die Neue auf meinen Job abgesehen hat?“

Und ja, die Einstellung der ersten Senior Hires verändert deine Führung radikal. Wie du diesen Gamechanger erfolgreich machst, ist das Thema dieses Blogartikels. (Wie immer auch zum Anhören: Spotify  Apple  Podigee).

Gamechanger Senior Executive

Einstellung der ersten Senior Executives ist ein riesiger Schritt für eure Company. Denn sie signalisiert: Wir sind kein wackeliges Startup mehr, sondern ein Scaleup, das fest im Markt verankert ist.

Das Signal ans Team:

Wir holen Erfahrungen und Kompetenzen ins Team, die wir selbst nicht schnell genug aufbauen können.

Ich gebe endlich ganze Bereiche ab und arbeite mit Führungskräften, für die ich nicht mehr mitdenken muss. Ich werde vom Macher und Manager zum Leader.

Die erfahrenen Manager sind ein echter Wissensbooster und Vorbilder für das Team. Sie helfen mir, die High Potentials zu halten und zu guten Leadern zu entwickeln.

Und ich habe endlich Zeit für all die CEO-Aufgaben, die bisher zu kurz kamen: Orientierung geben, Organisation bauen, Kultur schaffen, Stakeholder managen.

Das Signal an den Markt und die Investoren:

Schaut her!  Super erfahrene Manager glauben an unser Konzept. Sie „riskieren“ ihre Karriere und Lebenszeit für uns. Das machen sie nicht für jedes Startup.

Und ich bin als Leader und CEO auf Augenhöhe mit diesen Heavyweights. Ich spiele jetzt selbstbewußt in einer neuen Liga.

I hire people brighter than me and I get out of their way.

Lee Iacocca

Natürlich weißt du, wie wichtig erfahrene Manager für dich und den Erfolg deines Unternehmens sind. Und doch ist ihre Einstellung ein Schritt, der dich verunsichert.

Der Grund dieser Verunsicherung liegt in deiner eigenen Wertwahrnehmung.

Der Wert deiner Führung

Bisher wurde euer Unternehmen von deinen Ideen und deiner Energie angetrieben. Mit einem Team, das selbst relativ Junior ist. Nur wenige Teammitglieder hatten größere Vorerfahrungen. Eurer Team Leads sind mit euch in ihre Rollen hineingewachsen.

Du hast die Menschen in deinem Team angeleitet und sie haben deine Vorstellungen mehr oder weniger selbständig umgesetzt. Und gerne mal hast du selbst angepackt.

Bis zur Einstellung der ersten Senior Executives hat diese Selbstwirksamkeit dein Selbstwertgefühl geprägt. Du fühlst dich wertvoll und wirksam, wenn

  • du auf alles eine Antwort hast.
  • du weniger erfahrene Menschen anleitest.
  • du die großen Probleme löst, gerne auch mit harter Arbeit.

Jetzt ändert sich dein Spiel. Denn der erfahrene Manager

  • kommt mit Antworten, die du bisher nicht hattest.
  • übernimmt für Teile des Teams die Führung und Entwicklung.
  • löst Probleme, an denen du dir bisher die Zähne ausgebissen hattest.

Damit rutschst du von der Macher- in die Unternehmer-Rolle. Ein Job, der viel abstrakter ist als dein bisheriger Arbeitsalltag.

Die Wirkung deiner Aktivitäten ist künftig oft nur indirekt und verzögert spürbar. Aus der Selbstwirksamkeit der ersten Gründungszeit wird die Führungswirksamkeit eines Leaders und Unternehmers. (Mehr zu diesem Wandel findest du in diesem Blogartikel).

Und dieser Wandel löst Ängste aus. Das, was bisher deinen Wert prägt, gibst du ab, um eine neue Rolle auszufüllen. Kein Wunder, dass du dich als Imposter fühlst: „Wehe, die anderen sehen, dass ich eigentlich gar nichts kann und zu nichts nutze bin.“

Dein neues Selbstverständnis

Mit solchen Selbstzweifeln ist es schwer, selbstbewusst zu führen. Erst recht erfahrene Manager.

Gründer, die in der Macher-Rolle hängenbleiben, funken ihren Senior Executives gerne dazwischen. Sie versuchen zu beweisen, dass sie die Oberhand behalten und nehmen den erfahrenen Managern den Raum, den diese brauchen, um wirksam zu werden.

Du wirst erst dann ein guter Leader deiner erfahrenen Manager (und deiner Company), wenn du den Wert deiner neuen Rolle spürst.

Als Unternehmer und Leader bist du viel mehr als das Ergebnis deiner täglichen Arbeit. Du bist die DNA, das Herz und die Seele des Unternehmens.

Dein umfassendes Wissen, die moralische Instanz und deine totale, langfristige Verpflichtung – das macht den vielbeschworenen Unternehmergeist aus.

Dein Unternehmergeist ist der „unfaire“ Wettbewerbsvorteil deines Unternehmens.

Dorothea von Wichert-Nick

Du hast eine tiefe Intuition für die Bedürfnisse deines „Babys“. Du gibst die Orientierung und prägst eure Kultur. Mit deiner Energie und deinen Commitment motivierst du euer Team.

Und dieser Unternehmergeist ist dein Asset. Als Gründer bist du für dein Team immer etwas besonders. Wie in einer Familie: Kein noch so netter Onkel wird je so prägend sein, wie du als Vater oder Mutter.

Nimm dir Zeit, ein Gefühl für den Wert deiner Unternehmerrolle zu entwickeln:

  • Schreib auf, was dich – jenseits der Alltagsarbeit – für deine Company besonders macht. Wie sehr prägt deine Vision das Unternehmen und seine Kultur? Welche Stärken bringt du ein? Wie schaffst du es, dein Team immer wieder zu begeistern?
  • Spreche mit deinem Team über ihre Erwartungen an dich als Leader. Da hörst du sicher viel über eure Vision und Strategie, die Kultur, deine Beziehungen mit ihnen, deine Impulse. Und ganz wenig über deine operative Arbeit. Wahrscheinlich wünschen sich viele, dass du dich mehr auf deine echten CEO-Aufgaben konzentrierst.
  • Tausche dich mit erfolgreichen GründerCEOs aus. Höre dir Podcasts von Menschen wie Daniel Ek oder Frank Slootman an. Wie definieren sie heute ihren Wert? Wie führen sie erfahrene Manager?

Als Gründer deiner Company hast du einen Wert, der weit über die tägliche, operative Arbeit hinaus geht. Du bist absolut auf Augenhöhe mit deinen Senior Executives.

Und damit bereit für das…

Führen auf Augenhöhe

Echte Führung findet immer auf Augenhöhe statt. Du führst und wirst geführt.

Das gilt ganz besonders in der Führung erfahrener Manager. Eure Zusammenarbeit wird nur dann erfolgreich, wenn ihr euch als gleichberechtigte Partner wahrnehmt.

Die Voraussetzung dafür: Klarheit, Vertrauen und gegenseitiges Lernen.

Klarheit
Der Erfolg eurer Zusammenarbeit fängt bei deiner Klarheit an:

  • Was ist die Rolle des Managers bei uns?
  • Welche Ziele soll der neue Manager erreichen?
  • Wie sieht eine gelingende Zusammenarbeit aus?

Nur mit dieser inneren Klarheit kannst du deine Bedürfnisse gegenüber dem neuen Manager klar formulieren. Ohne innere Klarheit fühlst du dich ohnmächtig.

Klare Verantwortlichkeiten. Mach dir bereits vor der Einstellung klar, was du vom neuen Manager erwartest. Wie sieht seine Verantwortung aus? Formuliere auch das scheinbar Offensichtliche. Denn jedes Unternehmen ist anders. Es gibt nicht DEN CMO, CRO oder VP Engineering. Ohne diese Klärung redet ihr aneinander vorbei.

Deine Rollenbeschreibung ist keine feste Vorgabe. Besprecht die gegenseitigen Erwartungen und entwickelt ein gemeinsames Rollenverständnis. Klärt in diesem Zuge auch deine Rolle. Was musst du tun, damit der Neue erfolgreich sein kann? Stellt sicher, dass jeder seine Verantwortlichkeiten versteht und respektiert.

Clarity accounts for probably 80% of success and happiness.

Brian Tracy

Klare Ziele. Klare gemeinsame Ziele sind die Voraussetzung einer High Performance Führungsbeziehung. Was soll die Senior Executive bei euch erreichen? Woran willst du ihren Erfolg messen?

Diskutiert die Ziele und entwickelt sie gemeinsamen weiter. Lass dein Gegenüber dann den Umsetzungsplan mit Meilensteinen erstellen. Das ist die Basis eurer gegenseitigen Accountability.

Klarheit über Zusammenarbeit. Besprecht konkret, wie eure Zusammenarbeit aussehen soll. Erstelle dafür eine „Anleitung für mich“, in der du definierst, was eine gute Zusammenarbeit für dich ausmacht (Hier findest du ein Template).

Bitte dein Gegenüber das Gleiche für sich zu schreiben und erarbeitet damit gemeinsam eure Arbeitsweise. Dieses Dokument und die Einigung über den Modus eurer Zusammenarbeit kann unglaublich viele Frustrationen vermeiden.

Eine gute gemeinsame Klarheit ist die Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Denn ein klarer Rahmen schafft Grundvertrauen.

Vertrauen

Ohne Vertrauen läuft nichts. Erst recht nicht, wenn du wichtige Teile deines Unternehmens in „fremde“ Hände legst. Schafft eine tiefe Vertrauensebene. Denn nur wenn du deiner Senior Executive vertraust, gibt du ihr den notwendigen Gestaltungsfreiraum.

Ihr baut Vertrauen auf, wenn eure Bedürfnisse nach Sicherheit, Verbundenheit und Bedeutung erfüllt sind. Gegenseitig.

Sicherheit. Ihr fühlt euch sicher, wenn eure Beziehung diese vier Eigenschaften hat:

  • Verlässlichkeit: Ihr könnt euch auf eure Zusagen und Verabredungen verlassen. Ihr haltet, was ihr versprecht, und versprecht nur, was ihr einhalten könnt.
  • Aufrichtigkeit: Ihr berichtet offen von Herausforderungen und Problem. Unangenehme Nachrichten werden nicht kaschiert.
  • Kompetenz: Ihr trefft jeweils durchdachte Entscheidungen. Und gebt offen zu, wenn etwas außerhalb eurer Kompetenz liegt.
  • Psychologische Sicherheit: Ihr könnt auch schwierige Themen ansprechen– ohne Angst vor patzigen Antworten oder Abwehrverhalten.

Verbundenheit. Lernt euch intensiv kennen. Baut eine positive Beziehung auf, die über das rein professionelle hinweg geht. Die gegenseitige Verbundenheit ist die heilende Säule des Vertrauens: Probleme und Fehler werden leichter verziehen, wenn wir uns verbunden fühlen. Ohne Verbundenheit wird jeder Fehler zum Desaster.

Bedeutung: Lernt euren Wert und eure Expertise schätzen, das schafft gegenseitigen Respekt. Nutze die Stärken und Fähigkeiten des erfahrenen Managers, um das Unternehmen voranzubringen – auch über seinen oder ihren Bereich hinweg. Stell aber auch sicher, dass er dich in deiner Rolle als Unternehmer respektiert und unterstützt.

Vertrauen schafft ihr am besten über einen offenen Kommunikationsstil. Hört euch gegenseitig viel zu und teilt eure Gedanken. Und stellt sicher, dass ihr euch auch nach der ersten, intensiven Einarbeitungszeit regelmäßig in 1:1-Meetings austauscht.

Gemeinsames Lernen

Führen auf Augenhöhe ist ein gemeinsamer Lernprozess.

Hilf dem Manager, dein Unternehmen und Team zu verstehen und sich in die Organisation zu integrieren. Nimm in den gemeinsamen Diskussionen die Rolle eines Challengers und Coaches ein.

Traue vor allem deiner Intuition. Du hast bei einer Entscheidung der Managerin ein komisches Bauchgefühl? Nicht einfach wegdrücken, frei nach dem Motto „Die weiss schon, was sie tut.“  Du kennst dein Unternehmen vom ersten Tag an. Intuitiv nimmst du schwache Signale wahr, die ein Neuer nicht erkennen kann. Nutze dein Bauchgefühl als Impuls, um die Entscheidungen deines Gegenübers zu hinterfragen.

Nutze gleichzeitig die Chance, von den Erfahrungen der neuen Managerin zu lernen. Dies zeigt nicht nur Demut, sondern erweitert deine Führungskompetenz. Lass dir vom ihr genau erklären, wie sie Entscheidungen trifft und Strukturen aufbaut.

Gebt euch regelmäßig und offen Feedback und bringt euch damit gegenseitig auf das nächste Level.

Gute partnerschaftliche Führung zwischen dir als Gründer und euren Senior Executives bringt dein Unternehmen auf das nächste Level und kann euer Unternehmen über Jahre prägen. So wie die Partnerschaft von Sheryl Sandberg und Mark Zuckerberg bei Meta.

Key Take Aways

Die Einstellung der ersten Senior Executives ist ein Gamechanger, der viele Gründer verunsichert. Denn die Führung erfahrener Manager verlangt ein neues Selbstverständnis.

  • Als Gründer und Macher fühltest du dich wirksam, wenn du Antworten geben und konkrete Probleme lösen konntest. Das übernimmt jetzt der Senior Executive.
  • Als Leader und Unternehmer hast du einen Wert, der weit über deine tägliche, operative Arbeit hinaus geht. Du bist das Herz und die Seele deines Unternehmens.

Nur aus dieser Haltung heraus kannst du auf Augenhöhe führen. Und das ist bei erfahrenen Managern besonders wichtig. Die Voraussetzung dafür: Klarheit, Vertrauen und gegenseitiges Lernen.

  • Klarheit. Werde dir klar, was du vom deinem Senior Executive erwartest: Wie sieht seine Rolle aus, welche Ziele hat er, wie willst du mit ihm zusammenarbeiten? Kläre das erst für dich selbst und stimme es dann mit dem Betreffenden ab.
  • Vertrauen. Arbeitet konkret am Aufbau des gegenseitigen Vertrauens. Schaut immer wieder, wie gut die drei Säulen ausgebaut sind: Sicherheit, Verbundenheit und gegenseitige Bedeutung.
  • Gegenseitiges Lernen. Führung auf Augenhöhe ist ein gemeinsamer Lernprozess. Unterstützt euch gegenseitig in euren Rollen und helft euch immer besser zu werden.

So bringt ihr euer Unternehmen gemeinsam auf das nächste Level.

Und jetzt zu dir

  • Wie definierst du aktuell deinen Wert für das Unternehmen? Durch deine konkreten Einsätze oder spürst du bereits den Wert deiner übergreifenden Führung?
  • Was genau erwartest du von Senior Executive? Was ist seine Verantwortung, seine Ziele, wie willst du mit ihm zusammenarbeiten?
  • Wie sehr vertraust du deinen Senior Executives? Woran solltet ihr arbeiten?
  • Wie sieht euer gegenseitiger Lernprozess aus?

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7 Prinzipien starker Gründerteams

Gründerteams und Start-ups sind wie Eltern mit Kindern. Gemeinsam bringt ihr ein Unternehmen in die Welt. Ihr verwirklicht eure Lebensträume, schafft etwas, das euch idealerweise überlebt.

Und wie Familien funktioniert ihr als Team nur gut, wenn zwischen euch eine lebendige Verbundenheit herrscht, gegenseitige Wertschätzung und Vertrauen. Nur dann strahlt ihr die Einigkeit aus, die eurem Team Sicherheit gibt.

Leider leben sich viele Gründerteams im Alltagsstress mit der Zeit auseinander, irgendwann werden nur noch die Sachfragen geklärt. Wie in einer Ehe, die mit der Zeit erkaltet ist. Dann ist die “Gründer-Scheidung” nicht mehr fern.

Die Lösung: Baut gemeinsam ein Haus. Euer solides Beziehungshaus. Lernt euch umfassend kennen, geht aufeinander zu, stärkt euer Vertrauen. Und entwickelt damit die lebendige Verbundenheit, die euch und euer gemeinsames Unternehmen trägt.

In diesem Blogartikel stelle ich 7 Prinzipien vor, mit denen ihr eure lebendige Verbundenheit im Team pflegen könnt. (wie immer auch zum Anhören: Spotify  Apple  Podigee).

Von der Gründerscheidung zur Beziehungspflege

In den vergangenen Jahren wurde ich immer gebeten „Gründer-Scheidungen“ zu begleitet. Die Wertschätzung war verloren gegangen, der ständige Konflikt zermürbte alle.

Alle diese Scheidungen hatten das gleiche dysfunktionale Beziehungsmuster:

  • Die Gründer wussten, dass ihre Beziehung nicht mehr funktionierte
  • Sie arbeiteten nur noch nebeneinanderher. Der letzte persönliche Austausch war oft Monate her.
  • Jeder versuchte die Probleme allein zu lösen. Gerne auch mal die Probleme im Aufgabenfeld des Mitgründers. Massive Übergriffigkeit!
  • Alle fühlten sich alleingelassen. Unter dem Deckmantel der „Professionalität“ wurden alle Emotionen weggeblockt.

Mein Job in diesem Fall: Einen sicheren Raum schaffen, in dem die Trennung gesichtswahrend besprochen werden konnte. Zu retten war da nichts mehr. Wie frustrierend.

Nur der Mediator einer Scheidung zu sein, macht mich nicht glücklich.

Meine Frage: Wie entwickeln Gründerteams lebendige Beziehungen, die auch in schwierigen Zeiten tragfähig bleiben?

Fündig wurde ich beim amerikanischen Paartherapeuten John Gottman. Er hat Tausende von Paaren begleitet und die Dynamiken des Scheiterns von Beziehungen genau beschrieben.

Nicht zuletzt das dysfunktionale Beziehungsmuster, das ich bei den Gründerteams entdeckt hatte. Gottman nennt es: Die Totenglocke der Beziehung.

Als Paartherapeut blieb John Gottman nicht bei der Analyse stehen. Sondern entwickelte eine Methode zur Propylaxe. Das Ergebnis:

Das Haus der soliden Beziehungen

Das Haus der soliden Beziehungen besteht aus sieben Stockwerken 1️⃣ –  7️⃣  und zwei tragenden Wänden 🧱.  

Die tragenden Wände sind Vertrauen und Verpflichtung. Ohne sie bricht der Rest wie ein Kartenhaus zusammen.

Die Stockwerke bauen aufeinander auf. Ohne das Fundament tiefer gegenseitiger Kenntnis fällt es schwer, sich gegenseitige Wertschätzung zu zeigen. Konflikte lassen sich schwer managen, wenn es am gegenseitigen Wohlwollen fehlt. Und so weiter…

Haus Solider Beziehungen. In Anlehnung an John Gottman

🧱Vertrauen

Ohne Vertrauen geht nichts. Menschen, denen wir vertrauen, trauen wir mehr zu. Wir teilen gerne unsere Verantwortung mit ihnen. Die Zusammenarbeit fühlt sich richtig gut an. Offen, entspannt und zielorientiert. Gemeinsam bekommen wir richtig viel gerockt.

Ohne Vertrauen ist jede Interaktion anstrengend. Wir fühlen uns unsicher und meiden den direkten Austausch. Damit schwächen wir das Vertrauen immer weiter.

Reflektiert im Gründerteam immer wieder, wie gut euer Vertrauen ist. Dazu könnt ihr das Modell der 6 Säulen des Vertrauens nutzen, dass ich in diesem Blogartikel beschrieben habe.

🧱Verpflichtung

Wir sind uns verpflichtet, wenn wir willens sind, uns gegenseitig überall mit hinzunehmen. Die Verpflichtung übersetzt das Vertrauen in konkretes Handeln.

Das ist in schwierigen Beziehungen oft nicht der Fall. Erst letzthin sprach ich mit einem Gründer, der versuchte seinen Mitgründer aus den Investoren-Meetings rauszuhalten. Seine Begründung: „Mit seiner Art zu kommunizieren, macht der alles kaputt.“ Das fehlende Vertrauen manifestierte sich in der fehlenden Verpflichtung.

Stellt euch die Frage: Bin ich bereit, meine Mitgründer in jedes Investoren- oder Kundenmeeting mitzunehmen? Wie verhalte ich mich, wenn er oder sie dabei ist? So wie immer oder anders? Gibt es da etwas, was mich stört, oder wofür ich mich schäme? Wovor schütze ich mich / uns dann?

Und überlegt dann, was es braucht, damit ihr euch mit einem guten Gefühl überall mit hinnehmt. Egal wo ihr seid.

1️⃣ Tiefe gegenseitige Kenntnis

Das Fundament jeder guten Beziehung ist die tiefe gegenseitige Kenntnis.

Nehmt euch Zeit, euch richtig gut kennenzulernen. Ein guter Startpunkt dafür sind die „50 Questions to Explore with a Potential Co-Founder”, von Gloria Lin, Mitgründerin von  Siteline.

Lernt eure jeweilige Vergangenheit und familiäre Prägung verstehen, eure Stärken und Schwächen, gleicht eure Arbeitsweisen und persönlichen Träume miteinander ab.

„Stepping outside of your comfort zone. If you’re willing to be honest about who you really are, and open-minded about who your partner is, your relationship will grow stronger. Your understanding of each other will be deeper. Your life together will be happier.“

John Gottman

Persönlichkeitsprofile wie der Clifton Strength Finder und der 16 Personalities-Test helfen euch beim gegenseitigen Verständnis. Tipp: Zum 16-Personalities Test gibt es auch Beschreibungen, was die Beziehung jeweils unterschiedlicher Profile prägt (truity.com).

Idealerweise kennt ihr euch im Gründerkreis genauso gut wie eure jeweiligen Partner oder Partnerinnen.

2️⃣  Zuneigung und Wertschätzung teilen

Jeder Mensch braucht Bestätigung. Am meisten von seinem Partner. Das gilt auch in der Gründerbeziehung.

Sprecht regelmäßig aus, was ihr aneinander besonders schätzt. Das regelmäßige Teilen der gegenseitigen Wertschätzung ist ein probates Gegenmittel gegen einen der größten Beziehungszerstörer: Die Verachtung.

Fragt euch: Was schätze ich besonders an meinen Mitgründern? Wo ergänzen sie mich? Wofür bin ich dankbar? Wann habe ich ihnen das zum letzten Mal gesagt?

Und zeigt euch dann ganz bewusst und spezifisch eure Zuneigung und Wertschätzung:

„Ich bin so stolz darauf, wie du…“, „Mich beeindruckt, wie du…“, „Ich mag, wie du…“, „Ich bin dankbar, dass du…“

Spart nicht mit positivem Zuspruch. Das ist Balsam für die Seele gerade in stressigen Zeiten.

3️⃣ Gegenseitige Zuwendung

Wenn wir Aufmerksamkeit oder Beistand von unserem Gegenüber brauchen, machen wir ein Bid, ein Angebot zur Verbindung, wie Gottman es nennt.

Hier ein paar Beispiele für Bids unter Gründern:

  • Bitte um Aufmerksamkeit: “Kannst du mir kurz Feedback zu … geben?“
  • Bitte um Unterstützung: „Kannst du mir einen Rat geben…“
  • Wunsch nach Austausch: „Ich muss dir unbedingt erzählen…“
  • Unterstützung im Stress: “Mit ist das gerade alles zu viel, lass uns einen Weg finden…“

In starken Beziehungen erkennt das Gegenüber dieses Verbindungsangebot und reagiert positiv darauf. Damit wendet er sich seinem Gegenüber zu. Das stärkt die Beziehung und schafft einen sicheren Raum, in dem alle Parteien offen ihre Bedürfnisse artikulieren.

„How people reacted to their partner’s bids for connection was in fact the biggest predictor of happiness and relationship stability. These fleeting little moments, it turned out, spelled the difference between happiness and unhappiness, between lasting love and divorce.“

John Gottman

In schwierigen Beziehungen werden diese Angebote oft abgelehnt. Oder, noch schlimmer, gänzlich überhört. Das Signal: Ich wende mich von dir ab. Du bist mir nicht wichtig. Das verunsichert und führt dazu, dass sich die bittende Person immer weiter zurückzieht.

Der hektische Gründeralltag bietet den idealen Nährboden für verpasste Bids. Das Tempo ist groß, jeder hat unglaublich viel zu tun. Alle sind im Stress-Tunnel. Da noch die feinen Signale der anderen zu hören – echt schwierig. Zudem haben viele Gründer das Bedürfnis, stark und perfekt zu sein, und bitten nur sehr „leise“ für sich.

Missverständnisse sind so vorprogrammiert. Ihr fühlt euch nicht gesehen und gehört. Das frustriert und unterminiert das gegenseitige Vertrauen.

Die Lösung: Beobachtet, wie jeder von euch seine „Bids“ formuliert. Überlegt gemeinsam, wie ihr sicherstellt, dass sie von eurem Gegenüber verstanden werden. Und haltet den Anteil abgelehnter Bids möglichst gering.

4️⃣ Wohlwollen

Gelingende Beziehungen leben vom gegenseitigen Wohlwollen. „Ich bin ok, Du bist ok“ ist die Grundhaltung gesunder Beziehungen. Ihr betrachtet euch als ein starkes Team, in dem jeder sein Bestes gibt.

In schwierigen Beziehungen fehlt das Wohlwollen. Wenn etwas schief geht, wird dem Gegenüber nachlässiges oder sogar böswilliges Verhalten unterstellt.

Da hat der eine Gründer in der Hektik der Funding-Runde vergessen, wichtige Information weiterzuleiten. Und schon wird gemutmaßt: „Der will mich hier ausbooten.“ Das Tech Team kämpft mit Problemen und der Sales-Gründer unterstellt fehlendes Committment zur gemeinsamen Sache. „Denen ist doch völlig egal, was unsere Kunden brauchen.“

Das gegenseitige Wohlwollen könnt ihr erhalten, in dem ihr eure schwierigen Gefühle offen aussprecht und euch damit die Chance gebt, sie aufzuklären.

5️⃣ Konfliktmanagement

Konflikte lassen sich nicht vermeiden. Erst recht nicht beim Aufbau von Unternehmen. Euer Job: Werdet Meister in der konstruktiven Konfliktlösung.

Der erste Schritt dazu ist die Anerkennung des gegenseitigen Einflusses. Konflikte lassen sich nur dann lösen, wenn euch klar ist: Es gibt nicht nur den einen Weg. Jede Konfliktpartei trägt mit wertvollen Beiträgen gleichberechtigt zur Lösung bei.

In schwerwiegenden Gründerkonflikten ist die Annahme des gegenseitigen Einflusses verloren gegangen. Der Beitrag des Gegenübers wird kleingeredet. Nur einer hat Recht. Ich habe mir schon unglaubliche Tiraden über die fehlende Kompetenz der Mitgründer angehört. Ein klares Zeichen, dass es hier nicht viel weiter geht.

Hilfreich ist die Unterscheidung zwischen lösbaren und dauerhaften Konflikten.

Lösbare Konflikte sind meist situativ. Es geht um Sachfragen, nicht um eure grundsätzliche Haltung. Unter Austausch der jeweiligen Wahrnehmungen und Informationen lassen sich diese Konflikte zügig lösen.

Dauerhafte Probleme basieren auf Unterschieden in der Persönlichkeit oder den Lebensbedürfnissen. Ein Gründer hat eine junge Familie, der er auch Zeit widmen will, während ein anderer Gründer noch völlig offen in seiner Zeitgestaltung ist. Ein Gründer ist ein ausgeprägter Perfektionist, während es dem anderen nicht schnell genug gehen kann.

Dauerhafte Probleme haben per se keine finale Lösung. Hier ist euer Wohlwollen gefragt. Etabliert zu diesen Konflikten mit einem offenen Diskurs und findet immer wieder situative Teillösungen. Gelingt das nicht, rutscht ihr in eine gegenseitige Blockade, die mittelfristig eure Beziehung zerstört.

6️⃣ Lebensträume realisieren

In einer starken Gründerbeziehung verfolgt ihr gemeinsame Ziele, die auf eure individuellen Lebensträume einzahlen.

Schwierig wird es, wenn die Lebensträume und damit die Ziele stark voneinander abweichen. Ein Gründer träumt von der finanziellen Freiheit. Sein Ziel: Mit Hilfe von VCs schnell groß werden und dann verkaufen. Die Mitgründerin sieht sich als Gründerin einer Familiendynastie. Ihr Ziel: nachhaltiges Wachstum, keine Abhängigkeit von Investoren.

Ein solch massiver Zielkonflikt hat das Potenzial zur Blockade der Beziehung. Nicht ohne Grund ist der Austausch über die Lebensziele ein wesentlicher Fragenblock in den 50 Fragen an potenzielle Co-Founder.

Sprecht regelmäßig über eure persönlichen Ziele und Lebensträume. Gebt euch Updates, wenn sich etwas ändert und entwickelt eure gemeinsame Vision immer weiter.

7️⃣ Gemeinsame Kultur schaffen

Das letzte Stockwerk des Hauses solider Beziehungen ist die Schaffung einer gemeinsamen (Beziehungs-)Kultur.

Etabliert als Gründerteam gemeinsame Rituale der Verbundenheit. Die „Gründer Date Night“ in der ihr auch mal über persönliches sprecht. Eine besondere Art, eure Erfolge zu feiern und Misserfolge zu reflektieren. Der persönliche Check-in am Anfang jedes Gründermeetings. All diese Rituale festigen eure Beziehung und geben ihr einen besonderen Stellenwert. Je stärker eure Rituale, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass ihr sie auch in Krisenzeiten lebt und sie euch dann stärken. Und überlegt dann, wie ihr das Gesamtteam in diese Rituale mit einbezieht: Die gemeinsame Weihnachtsrede vor dem Team, die Glocke für die Vertriebserfolge, gemeinsame Frühstücke, in denen ihr die Verdienste des Teams feiert. Denn im Business ist es wie in der Familie: Das Team übernimmt die Beziehungsdynamiken, die das Gründerteam vorlebt.

„Tiny little doses, every day, is what it takes to make a healthy relationship. Why? Because that’s exactly what a relationship is – not one big thing, but a million tiny things, every day, for a lifetime.”

John Gottman

Gut Gründerbeziehungen entstehen nicht auf den wenigen Offsites. Integriert die Prinzipien des Hauses solider Beziehungen in euren Alltag. Dann schafft ihre die lebendige Verbundenheit, die euer ganzes Team trägt.

Key Take Aways

Das Haus der soliden Beziehungen zeigt wie ihr lebendiger Gründerbeziehungen gestalten könnt. Es besteht aus 7️⃣ Stockwerken und zwei tragenden Wänden 🧱. Ohne die tragenden Wände bricht der Rest wie ein Kartenhaus zusammen. Die Stockwerke 1 bis 7 bauen aufeinander auf.

🧱 Vertrauen. Ohne Vertrauen geht nichts. Arbeitet als Gründerteam systematisch am gegenseitigen Vertrauen

🧱Verpflichtung. Wir sind uns verpflichtet, wenn wir willens sind, uns gegenseitig überall mit hinzunehmen. Die Verpflichtung übersetzt das Vertrauen in konkretes Handeln.

1️⃣ Tiefe gegenseitige Kenntnis ist das Fundament jeder guten Beziehung. Idealerweise kennt ihr euch im Gründerkreis genauso gut, wie eure jeweiligen Partner.

2️⃣ Zuneigung & Wertschätzung teilen. Zeigt euch bewusst eure Zuneigung und Wertschätzung. Das ist Balsam für die Seele gerade in stressigen Zeiten.

3️⃣ Gegenseitige Zuwendung. Hört genau hin, wen jemand aus eurer Runde ein Verbindungsangebot macht, und wendet euch eurem Gegenüber zu.

4️⃣ Wohlwollen. „Ich bin ok, Du bist ok“ ist die Grundhaltung gesunder Beziehungen. Betrachtet euch als ein starkes Team, in dem jeder sein Bestes gibt.

5️⃣ Konfliktmanagement. Konflikte lassen sich lösen, wenn euch klar ist: Es gibt nicht nur den einen Weg. Jede Konfliktpartei trägt mit wertvollen Beträgen gleichberechtigt zur Lösung bei.

6️⃣ Lebensträume realisieren. Verfolgt gemeinsame Ziele, die auf eure individuellen Lebensträume einzahlen.

7️⃣ Gemeinsame Kultur schaffen. Eure Rituale der Verbundenheit prägen eure Kultur. Je stärker die Rituale, desto besser helfen sie euch durch Krisenzeiten.

Integriert den Bau und die Pflege eures „Beziehungs-Hauses“ in euren Alltag und schafft damit eine starke Kultur der lebendigen Verbundenheit.

Und jetzt zu dir

  • Wie bewusst pflegt aktuell eure Beziehungen im Gründerteam?
  • Wie gut ist euer Gründerteam auf den verschiedenen Stockwerken des Beziehungshauses unterwegs?
  • Wo sind die größten Defizite? Was könnt ihr dagegen unternehmen?

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