Selbst mit der besten positiven Haltung zu Konflikten und dem tiefen Verständnis eurer individuellen Konfliktstile bleibt es nicht aus, dass sich Konflikte auch mal verhärten, alle Seiten unbeweglich in ihren Positionen verharren. Zeit für ein strukturiertes Konfliktklärungsgespräch. Das Ziel: Die unterschiedlichen Positionen verstehen, klären und damit idealerweise neue, gemeinsame Wege finden.
Mit der Klärung der Positionen und der Auflösung der Verhärtung schafft ihr die Voraussetzung für die Entwicklung eines gemeinsamen Weges. Und vor allem: Ihr verhindert, dass der Konflikt eskaliert, sei es zu einem kalten Schwarzen Loch oder einem heissen Rosenkrieg.
Startet mit einer guten Vorbereitung
Ein erfolgsversprechendes Konfliktklärungsgespräch startet mit einer guten Vorbereitung. Idealerweise sollte sich jede Partei die folgenden Fragen stellen:
- Was ist der Anlass für das Gespräch? Was war passiert, mit wem?
- Was sind meine eigenen Interessen in diesem Konflikt?
- Wie könnte die Gegenseite den Konflikt betrachten? Welche Interessen und Erwartungen hat sie? Wie ist ihre Stimmung?
- Wie könnte das Gespräch laufen? Was kann alles passieren? Welche Reaktionen und Antworten kann ich erwarten?
- Was ist der richtige Rahmen für das Gespräch? Wann und wo führen wir es am besten?
- Wie lade ich ein? Spontan, oder geplant? Wie vermeide ich, dass sich die Seiten überrumpelt fühlen.
Mit diesen Vorbereitungsfragen schafft ihr eine grundsätzliche Haltung des Wollens und der gegenseitigen Offenheit und damit die Grundlage für ein konstruktives Gespräch.
Das Gespräch selber erfolgt dann nach SBID-Raster, dass du grundsätzlich bereits vom Feedback kennst. Zur Erinnerung: SBI-D steht für Situation, Behaviour, Impact und Development. Was natürlich auch nicht überrascht, denn auch beim Feedback geht es um die Darlegung einer konflikthaltigen Position. Der einzige Unterschied: Bei der Konfliktklärung geht es explizit um einen Abgleich von mindestens zwei unterschiedlichen Positionen, gefolgt von einer intensiven Exploration des möglichen Lösungsraums.
Die 4 Schritte der Klärung
Jetzt sitzt ihr zusammen. In einem Check-in sollet ihr erstmal für eine grundsätzlich offene Stimmung sorgen. Mit welchen Gedanken kommt ihr in dieses Gespräch, was braucht ihr, um wirklich ganz da zu sein?
Nach dem Check-in startet ihr mit der Konfliktbeschreibung. Entlang des SBI Rasters beschreiben die Parteien, wie sie den Konflikt erleben: Was war die Situation? Wie haben wir uns verhalten? Was für einen Impact hat dieser Konflikt auf mich? Einer nach dem anderen, ohne Diskussion. Im diesem zweiten Schritt baut ihr euer gegenseitiges Verständnis auf. Nehmt euch dafür Zeit, fragt nach, wenn etwas unklar ist. Lass euch ruhig auf den anderen ein. Verständnis ist nicht gleich Einverständnis: Nur weil du verstehst, was den anderen bewegt, hast du deine Position noch lange nicht aufgegeben.
Ein gutes Verständnis der gegenseitigen Konfliktwahrnehmungen ist die Basis für die dritte Phase des Gesprächs: Im Dialog versucht ihr zu den tieferen Ursachen des Konflikts vorzudringen. Welche unerfüllten Erwartungen, Bedürfnisse und Interessen stehen hinter dem Streit, was wollt und braucht ihr wirklich? Wichtig ist in dieser Phase der Wechsel der Perspektive: Weg von der Position, die ihr verteidigen wollt, hin zu den dahinterstehenden Interessen, die vielleicht viel besser zu vereinbaren sind, als ihr das denkt. Je tiefer ihr hier schürft, desto besser. Versucht nicht, vorschnell Lösungen zu finden, denn das werden dann oft Win-Loose Lösungen oder schlechte Kompromisse. Und beides wollt ihr nicht haben.
Erst wenn ihr verstanden habt, was euch jeweils wirklich bewegt, ist es Zeit für den vierten Schritt: Die Lösungssuche. Fasst erst mal alles zusammen, was ihr bisher voneinander verstanden habt. Überlegt dann, wie eure Zusammenarbeit in Zukunft aussehen soll und was eure Wünsche an die Zukunft sind. Versucht dabei alles auf den Tisch zu legen. Verschwiegene oder zurückgehaltene Erwartungen sind die Wurzel der nächsten Konflikte. Nun könnt ihr anfangen Lösungen zu sammeln und bewerten. Vielleicht entwickelt sich jetzt bereits ein passender Lösungsansatz. Die Verständnis der wirklichen Bedürfnissen kann dabei zu ganz überraschenden Lösungen führen. So, wie bei den viel zitierten zankenden Schwestern, die beide unbedingt eine Orange haben wollten. Die Orange in zwei Teile zu teilen wäre ein naheliegender, aber schlechter Kompromiss gewesen: Denn die eine Schwester brauchte die Schale, um einen Kuchen zu backen, das andere sollte den Saft zum Trinken.
In besonders hartnäckigen Konflikten kann es sinnvoll sein, nicht gleich einen Beschluss zu fassen, sondern erst mal drüber zu schlafen und zu sehen, ob nicht doch noch andere Erwartungen und Wünsche hoch kommen. Wenn ihr schließlich eine Lösung gefunden habt, solltet ihr sie gut dokumentieren und final beschließen. Wenn in dieser Konfliktklärung wirklich alle Seiten gehört und verstanden worden sind, sollte es den Parteien leichtfallen, sich zur gemeinsamen Lösung zu verpflichten und sich im Nachgang auch gegenseitige zur Rechenschaft zu ziehen. Nach besonders schwierigen Konflikten lohnt es sich, ein Check-up zu vereinbaren: Überprüft nach einer Woche, ob diese Lösung weiterhin für alle funktioniert, oder ob etwas nachjustiert werden muss. Schließlich lernt ihr aus gemeinsam durchgestandenen Konflikten, wenn ihr im Rahmen einer Retro reflektiert, wie dieser Konfliktlösungsprozess für euch funktioniert hat, Wie ist es euch im Gespräch gegangen? Was habt ihr übereinander gelernt? Wie werdet ihr solche Situationen in der Zukunft lösen?
Eine gute Konfliktklärung ist SPITZE
Ein guter Prozess der Konfliktklärung ist die halbe Miete. Die andere Hälfte ist die richtige Haltung der Konfliktparteien. Wie beim Feedback sollten die Konfliktparteien mit den „SPITZE“- Prinzipien in die Klärung gehen:
- Spezifische Situation, subjektive Wahrnehmung. Stellt euer individuelles Erleben dar, so konkret wie möglich. Verzichtet auf Generalisierungen.
- Positive, partnerschaftliche Haltung: Gute Lösungen findet ihr nur, wenn ihr an eine gemeinsame Zukunft glaubt, den anderen respektiert und seine Position als gleichberechtigt und bereichernd anseht. Betrachte deine Position als eine von vielen Möglichkeiten. Vertraut darauf, dass auch der andere mit seinen Entscheidungen und Aktivitäten immer nur das Beste will.
- Gemeinsame Intention: Ihr wollt gemeinsam etwas bewegen, nicht nur Ärger abladen und Anschuldigungen los werden. Ihr sucht eine Alternative, die für alle Seiten gut funktioniert. Oder wie es Reinhard K. Sprenger so schön formuliert „Wo ist der Punkt, an dem wir beide weiter machen können.“
- Bezieht euch auf Transaktionen bzw. das konkrete Verhalten der Teammitglieder. Diskutiert das Problem und nicht die Menschen.
- Seht zu, dass Konflikte zeitnah geklärt werden, bevor sich negative Gefühle aufstauen und generalisiert werden. Verhärtungen basieren oft auf langen Historien gegenseitiger Verletzungen und Missverständnisse. Der Ärger über „Kleinigkeiten“ wird so lange unterdrückt, bis man platzt. Lebt nach der Regel: Nur frische Konflikte werden adressiert. Alte Kamellen sind alte Kamellen. Wer sie nicht auspackt, wenn sie frisch sind, ist selber schuld. Er muss sie eingepackt lassen und sich von ihnen lösen. Wichtig ist auch der richtige Zeitpunkt: Eine Konfliktklärung gelingt nur mit freiem Kopf und offenem Herzen. Schau darauf, dass alle Seiten in der Lage sind, offen aufeinander zuzugehen. Außerdem sollte die Klärung zukunftsorientiert sein. Sucht nicht nach Schuldigen, das hält euch in der Vergangenheit und bringt euch nicht weiter. Ziel ist die Entwicklung gemeinsamer, alternativer Wege in die Zukunft.
- Empathisch: Lasst euch respektvoll auf eure jeweiligen Bedürfnisse und Gefühle ein. In Konflikten gibt es nichts Dümmeres als den Spruch „Nothing Personal“. Denn die meisten Konflikte drehen sich nicht um Sachthemen, sondern eigentlich um enttäuschte Erwartungen. Wenn ihr euch im wahrsten Sinne des Wortes gut versteht, dann verlasst ihr das „ich gegen dich“ und kommt zu einem „ich verstehe dich“.
Mit einer Konfliktklärung nach diesen Prinzipien schafft ihr die Voraussetzung für die Lösung der meisten Konflikte. Gleichzeitig arbeitet ihr an eurem gegenseitigen Verständnis, kommt euch näher und wachst als Team.
Sei Moderator oder Entscheider, aber nie Schlichter!
Deine Rolle in der Konfliktklärung ist die des Moderators: Du steuerst den Prozess und sicherst die Einhaltung der „SPITZE“-Prinzipien. Als Moderator bleibst du in einer neutralen Position. Überlasse die Verantwortung für die Lösungsfindung den Konfliktparteien – selbst wenn es dich in den Fingern juckt, aktiv zu schlichten und einen Kompromiss vorzuschlagen. Sobald du das machst, nimmst du dem Team die Verantwortung und hast den Affen wieder auf den Schultern.
Nur wenn sich die Parteien gar nicht einigen können, obliegt es dir, eine Entscheidung zu treffen. Die sollte dann aber nicht als Kompromisslösung rüberkommen (dann wärst du ja Schlichter), sondern von dir als unabhängige Entscheidung auf Basis der zur Verfügung stehenden Informationen getroffen werden.
Und nun zu Dir!
Gibt es einen schwelenden Konflikt, den du mit diesem Ansatz klären kannst? Wie würde hier die Vorbereitungsphase aussehen? Was bringt die Nutzung der SPITZE-Prinzipien für deine Moderation? Wie kannst du verhindern, zum Schlichter zu werden?
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Damit du dein Unternehmen und dein Team weiterhin mit all deiner Energie in den Höhenflug führen kannst!
Viel Spaß dabei
Dorothea