„Der muss doch wissen, dass mir das wichtig ist.“
Ist das so? Weiß dein Team wirklich, was du brauchst?
Viele Missverständnisse in der Führung entstehen, weil wir glauben, dass unser Gegenüber genau weiß, was uns in der Zusammenarbeit wichtig ist.
Das „Wichtige“ kann alles Mögliche sein. Bei mir sind das Themen wie
- Pünktlich zu Meetings erscheinen,
- Meetings vorbereiten und nachhalten,
- Schnell auf den Punkt kommen, statt alles endlos zu erklären,
- Keine Termine in meine Fokuszeiten legen,
- Usw.
Jeder hat seinen eigenen inneren Kompass mit Anforderungen und Bedürfnissen, die uns in der Zusammenarbeit wichtig sind.
Wenn diese Themen verletzt werden, ärgern wir uns. Und landen dann im Drama: „Dem ist es doch egal, was ich brauche.“ „Die ist einfach total rücksichtslos.“
Das Problem: Die meisten unserer Bedürfnisse haben wir nie offen kommuniziert. Sie stehen als implizite Annahmen im Raum – und in unseren Gedanken.
Denn tatsächlich machen auch wir uns selten klar, was eine gute Zusammenarbeit mit uns ausmacht. Und wenn wir uns schon nicht klar sind, wie sollen wir es dann erst an unsere Teammitglieder kommunizieren?
Vorhang auf für eines der effektivsten Instrumente der (Selbst-)Führung:
Die Anleitung für Mich.
In dieser Anleitung reflektierst du, was eine gute Zusammenarbeit für dich ausmacht. Wie denkst du über die Welt? Was brauchst du, damit ihr gemeinsam erfolgreich sein und Spaß haben könnt?
Was diese „Anleitung für Mich“ umfasst und wie du sie schreibst, ist der Fokus dieses Blogartikels. Hier kommst du direkt zum Template de en
Wie funktioniere ich eigentlich?
Auf das Thema „Anleitung für Mich“ bin ich erstmals im „High Growth Handbook“ von Elid Gil gestoßen. In diesem Buch wird der „Working with me-Guide“ von Claire Hughes Johnson, damals Chief Operating Officer of Stripe, vorgestellt.
Claire war als neue Führungskraft zu Stripe gekommen und wollte sicherstellen, dass jeder im Team weiss, wie sie sich die Zusammenarbeit vorstellt. Also verteilte sie ihre „Anleitung für Mich“. Alle waren begeistert. Schnell machte das Dokument die Runde und ging viral.
Kein Wunder. Es ist unglaublich produktiv, wenn wir unseren Kollegen klar kommunizieren, was wir brauchen, um erfolgreich zu sein und Spaß zu haben.
Und es macht auch uns selbst produktiver, wenn wir uns im Zuge der Erarbeitung dieses Dokuments klar darüber werden, wie wir eigentlich arbeiten und was wir von unserem Gegenüber erwarten.
Inzwischen kursiert eine ganze Reihe unterschiedlicher „Anleitungen für mich“ im Netz. Hier ein Beispiel:
Quelle: Cassie Robinson, Medium
Für mein Coaching habe ich ein Format entwickelt, dass sich besonders gut für Führungskräfte eignet. Die Fragen könnt ihr hier (deutsch englisch) als Word-Template herunterladen.
Und so sieht es aus…
Anleitung für Mich in 13 Punkten
Präambel
Das bin ich…
Beginne mit einem Überblick darüber, wer du bist, einschließlich deiner persönlichen Werte, Mission und Vision.
Bin ich eher introvertiert oder extrovertiert? Was sind meine Werte? Was bedeutet für mich Erfolg? Wofür trete ich in diesem Leben an? Was ist meine eigene Vision und Mission?
#1 Meine Führungshaltung
Das ist meine Führungsphilosophie….
Mit diesem Absatz stellst du einen Link zu eurem Leadership Manifest her, dem Dokument in dem du beschreibt, was Führung bei euch im Unternehmen bedeutet. (Wie ihr das erstellt, kommt im nächsten Newsletter).
Was bedeutet Führung für mich? Was für ein Menschenbild habe ich? Aus welcher Haltung führe ich?
#2 Vertrauen & Wertschätzung
So gewinnst du mein Vertrauen und meine Wertschätzung am schnellsten…
Mit welchen Qualitäten und Verhaltensweisen gewinnen Menschen mein Vertrauen? Womit verlieren sie es? Was schätzt du besonders an den Menschen, die mit dir arbeiten?
#3 Zusammenarbeit
Das sind meine grundsätzlichen Arbeitspräferenzen…
Was ist mein grundsätzlicher Arbeitsstil? Arbeite ich lieber im Team oder allein? Bin ich Frühaufsteher oder Nachteule? Was für eine Arbeitsumgebung gibt mir Aufwind? Wann bin ich besonders kreativ? Top Level vs. Detail?
#4 Kommunikation
So kommuniziere ich gerne…
Was ist mein Kommunikationsstil – und mit welchem Stil erreicht man mich am besten? Welche Kanäle nutze ich für welche Art von Information? Welche nutze ich nur selten? Wie erreicht man mich am besten in kritischen Situationen? Wie sollen schlechte Nachrichten an mich kommuniziert werden?
#5 Zeitmanagement
So teile ich meine Zeit ein und priorisiere ich Verantwortlichkeiten…
Was ist der generelle zeitliche Rahmen meiner Arbeit? Wie bin ich außerhalb der Arbeitszeit verfügbar? Wie offen ist mein Kalender? Habe ich so etwas wie Sprechstunden? Wann sind meine Fokuszeiten? Was sind meine wichtigsten Routinen? Wie definiere ich meine Prioritäten und wie bilden sich diese Prioritäten in meinem Zeitbudget ab?
#6 Meetings
So werden meine Meetings produktiv…
Was sind meine Erwartungen an die Vorbereitung, Pünktlichkeit, Teilnahme und Nachbereitung von Meetings? Wie häufig mache ich welche Meetings? In welcher Form (persönlich, virtuell, unter vier Augen, Gruppe)? Wie sieht die typische Agenda aus? Hänge ggf. die Agenda deines Standard 1:1 Meetings an.
#7 Verantwortungsübergabe & Rechenschaft
So übergebe ich Verantwortung und so halte ich sie nach…
Wie gehe ich bei der Verantwortungsübergabe vor (Briefing – Backbriefing, gemeinsame Abstimmung Vorgehen, Vollständige Verpflichtung: Ja, ich verspreche, X bis Y zu liefern. Zu folgenden Check-in Zeitpunkten können wir den Fortschritt überprüfen.) Das ist meine Erwartung an deine Accountability (Proaktiv Informieren, Lösungsvorschläge bei Problemen, Lernen aus Fehlern)
#8 Entscheidungen
So treffe ich am liebsten Entscheidungen…
Wie bereite ich Entscheidungen vor? Wann entscheide ich allein, wann im Team? Wie überzeugt man mich am besten von einer Entscheidung (z.B. Daten, Social Proof, Frameworks)? Brauche ich viel Kontext oder will ich nur die Optionen verstehen? Bei welchen Entscheidungen will ich nur informiert werden? Wie sollen Entscheidungen dokumentiert werden?
#9 Feedback Geben und Nehmen
So gehe ich mit Feedback und Performance-Problemen um…
Wann und wie gebe ich typischerweise Feedback (z.B. in jedem 1:1. Meeting)? Wie und wann bekomme ich am liebsten Feedback? Wie gehe ich mit anhaltenden und grundsätzlichen Performance Problemen um?
#10 Motivationen und Demotivatoren
Das gibt und das nimmt mir Energie…
Welche Tätigkeiten, Situationen, Verhaltensweisen und Menschen machen mir gute Laune und laden mich positiv auf? Was nimmt mir Energie und ärgert mich? Welche Situationen würde ich gerne vermeiden?
#11 Stärken und Entwicklungsfelder
Das sind meine Stärken und Entwicklungsfelder – und so können wir uns gegenseitig unterstützen…
Was sind meine persönlichen und fachlichen Stärken? Wie unterstütze ich mein Team damit? Was kann es von mir lernen? Wo habe ich Entwicklungsbedarf? Wie kann mir mein Team helfen, besser zu werden? In welchen Bereichen kann mein Team meine Schwächen ausgleichen (z.B. Liebe zu Detail)?
#12 Stressverhalten
So bin ich in meinem Besten-Ich und in meinem Stress-ich…
Wie verhalte ich mich an meinen besten Tagen? Wie an meinen schlechten Tagen? Wie verändert sich meine Führung, wenn ich gestresst bin (z.B. werde direktiver, werde still)? Was zeigt, dass ich überfordert bin?Wie kann mich mein Team im Stress am besten unterstützen?
#13 Krisenmanagement
So gehe ich mit Krisen und Druck um…
Wie will ich, dass wir in Krisen miteinander kommunizieren? Was ändert sich dann in meiner Führung? Wie treffen wir dann Entscheidungen?
#14 Fun Fact & Missverständnisse
😀 Und das solltest du auch noch über mich wissen …
Missverständnisse: Welche Verhaltensweisen von mir führen immer wieder zu Missverständnissen? Was an meinem Führungs- oder Arbeitsstil wird regelmäßig kritisiert oder missverstanden? Welche meiner Macken und Eigenarten verärgern Menschen ungewollt?
Fun Facts: Welche lustige Anekdote beschreibt mich am besten? Was sind meine Hobbies und Interessen außerhalb der Arbeit?
Puh. Eine ganz schön lange Beschreibung. Und sicher gar nicht so einfach zu erstellen. Denn über die meisten dieser Punkte haben wir noch nie so richtig nachgedacht.
Das schafft einen riesigen Raum für Missverständnisse. Denn wie soll unser Gegenüber wissen, was uns in der Zusammenarbeit wichtig ist, wenn wir das selbst nicht wissen.
Tatsächlich ist das die große Power der ”Anleitung für Mich“: Wir machen uns selbst klar, wie wir arbeiten wollen. Und schaffen damit erst die richtige Basis für eine exzellente Zusammenarbeit.
5 Schritte zur Anleitung für Mich
Die „Anleitung für Mich“ erstellst du am besten in 5 Schritten
Schritt 1 – Selbstreflexion. Beginne mit einer gründlichen Selbstreflexion. Reflektiere deinen Führungsstil, Kommunikationspräferenzen, Entscheidungsprozesse und wie du mit Zeit und Stress umgehst. Reflektiere deine Werte, was dich motiviert und demotiviert und welche Aspekte deiner Arbeit du als besonders lohnend oder herausfordernd empfindest.
Setze dich mit deinen Stärken und Entwicklungsfeldern auseinander, z.B. indem du den 16Personalities Test oder den CliftonStrengths Finder machst. Reflektiere deine inneren Antreiber und das daraus resultierende Beste- und Stress-Ich.
Frage Menschen in deinem Umfeld, wie sie dich erleben: Was muss man tun, um erfolgreich mit dir zusammenzuarbeiten? Was ist davon explizit, was eher implizit?
Schritt 2 – Erster Draft. Schreibe einen ersten Draft. Sei dabei so klar und transparent wie möglich, nur dann wird es eine sinnvolle Anleitung. Vermeide Fachjargon und schreibe in einfacher, eher unterhaltsamer Sprache. Auch wenn es sich erst mal komisch anfühlt, scheinbar Offensichtliches auszuformulieren – diese Klarheit wird euch das Leben erheblich leichter machen.
Clear is kind, unclear is unkind.
Brené Brown
Schritt 3 – Feedback einholen. Teile deinen ersten Draft mit ausgewählten Menschen in deinem Umfeld: Teammitgliedern, direkten Kollegen, Beiräten. Lass sie deinen Draft kommentieren: Passt das, oder erleben sie andere Seiten von dir? Was sollte man ihrer Meinung nach wissen, wenn man mit dir zusammenarbeitet?
Dieses Feedback gibt dir sicher weitere spannende Impulse zu deinem Arbeits- und Führungsstil.
Schritt 4 – Finalisieren. Mit dem Feedback erarbeitest du nun das finale Dokument. Mach es konkret, aber auch nicht zu lang. 2000-2500 Worte ist gut.
Schritt 5 – Umsetzung und Aktualisierung. Verwende die „Anleitung für Mich“ im Führungsalltag und beziehe dich in relevanten Situationen darauf. Mach regelmäßige Updates. Lass die Anleitung mit dir wachsen, vor allem wenn sich deine Rolle und Verantwortungen ändern.
Stelle sicher, dass die Anleitung leicht zugänglich ist. Und mache sie zu einem zentralen Teil im Onboarding neuer Kollegen. Idealerweise lädst du auch deine Teammitglieder und Kollegen ein, eine vergleichbare Anleitung zu erstellen.
Schließlich solltest du das leben, was du in deiner „Anleitung für Mich“ niedergelegt hast: Die Feedbacks, Meetings, Kommunikationswege… Nur dann wird es glaubwürdig und produktiv für eure Zusammenarbeit.
Viel Spaß beim Erstellen deiner ”Anleitung für Mich“.
Key Take Aways
Viele Missverständnisse in der Führung entstehen, weil wir unsere Erwartungen an die Zusammenarbeit mit dem Team nicht klar kommunizieren. Frei nach dem Motto: Der muss das doch wissen….
Ein super Tool, um all die impliziten Erwartungen auf den Punkt zu bringen ist die „Anleitung für Mich“. Ein Dokument, in dem wir explizit machen, wie wir uns die Zusammenarbeit im Team vorstellen.
Adressiere dabei die folgenden 13 (+1) Punkte
- Präambel: Das bin ich…
- Das ist meine Führungsphilosophie….
- So gewinnst du mein Vertrauen und meine Wertschätzung…
- Das sind meine grundsätzlichen Arbeitspräferenzen…
- So kommuniziere ich gerne…
- So teile ich meine Zeit ein und priorisiere ich Verantwortlichkeiten…
- So werden meine Meetings produktiv…
- So übergebe ich Verantwortung und halte sie nach…
- So treffe ich am liebsten Entscheidungen…
- So gehe ich mit Feedback und Performance-Problemen um…
- Das gibt und das nimmt mir Energie….
- Das sind meine Stärken und Entwicklungsfelder – und so können wir uns gegenseitig unterstützen…
- So bin ich in meinem Besten-Ich und in meinem Stress-Ich…
- So gehe ich mit Krisen und Druck um…
- Und das solltest du auch noch über mich wissen 😀…
Gehe in dich und bringe alle deine Erwartungen auf den Punkt. Transparent und klar. Oder wie es Brené Brown sagt: „Clear is kind, unclear is unkind.“
Und nun zu dir!
- Wie oft hast du in der Vergangenheit Probleme mit Kollegen gehabt, weil eure gegenseitigen Erwartungen unklar waren?
- In welchen Bereichen deiner Arbeitsweise bist du dir selber noch nicht klar, was am besten für dich funktioniert?
- Welche Rückmeldungen bekommst du aus dem Team zu deinen Arbeitspräferenzen?
Weiterführende Artikel
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