Mit Vertrauen zur High Performance

Veröffentlicht von Dorothea 15/06/2020

Als Gründer- oder Leadership Team seid ihr eine klasse Truppe. Ihr versteht euch super, seid beste Freude und habt gemeinsam schon richtig viel geschafft. So geht es den meisten Teams mit denen ich arbeite. Eigentlich ist alles super…

Eigentlich, denn ganz tief im Herzen wabert das Gefühl, dass da noch mehr gehen müsste. Woran liegt es, dass wichtige Themen immer wieder nicht durchgezogen werden? Dass Dinge nicht zu Ende diskutiert werden? Und was ist eigentlich die Wurzel dieser Probleme?

Besonders praxisnah und eingängig wird das im Modell der „5 Dysfunktionen eines Teams“ von Patrick Lencioni dargestellt. Das Modell der Vertrauenspyramide erklärt, wann Teams gut und erfolgreich werden, und was ihr tun könnt, um ein echtes High Performance Team zu werden.

Quelle: Patrick Lencioni (2014): Die 5 Dysfunktionen eines Teams

Vertrauen vs. Unverletzlichkeit

Die absolute Grundlage exzellenter Teams ist Vertrauen in all seinen Dimensionen. Ich erlebe Vertrauen im Team, wenn ich

  • mich auf die anderen verlassen kann,
  • weiss, was ich von den anderen erwarten kann,
  • psychologische Sicherheit empfinde und mir keiner etwas Böses will.

In einem solchen Klima des Vertrauens fühle ich mich frei. Ich bringe mich voll und ganz ein, und bin bereit, mich verwundbar zu zeigen, gebe Fehler oder Unwissenheit zu und ermögliche damit Lernerfahrungen für mich und das Team.

Richtig gute Teams halten nichts voneinander zurück. Sie haben keine Angst, sich zu entblößen. Sie geben ihre Fehler, ihre Schwächen, ihre Sorgen zu, ohne dabei Angst vor Vergeltungsmaßnahmen zu haben.

Patrick Lencioni (2014): Die 5 Dysfunktionen eines Teams

In vielen Teams fehlt es oft schon an dieser ersten essenziellen Stufe. Eigentlich seid ihr Best Buddies. Aber sprecht ihr wirklich alle kritischen Themen offen an? Wie selbstkritisch bist du in euren Teammeetings? Zeigst du dich immer von deiner Schokoladenseite, oder kannst du frei darüber reden, wenn etwas nicht gut läuft? Tatsächlich erlebe ich viele Teams, die Vertrauen mit Vertrautheit verwechseln. Ja, man ist eng miteinander, alle verstehen sich gut. Und doch kommt die Verletzlichkeit zu kurz. Alle machen sich unverwundbar und legen die „Alles ist gut“-Rüstung an. Das ist die erste Dysfunktionalität.

Vertrauen schafft ihr im Team, wenn ihr euch gegenseitig kennen und schätzen lernt. Nutzt Teammeetings, um euch wirklich als ganze Menschen kennenzulernen – mit euren Stärken und Schwächen. Schafft ein Klima, in dem es ok ist, Fehler zu machen und sie zuzugeben. Ganz wichtig ist dabei dein Verhalten als Leader: Sei selber nahbar, gib Fehler zu und zeige, wenn du etwas nicht weißt. Das signalisiert allen: Es ist ok, nicht perfekt zu sein.

Kritischer Diskurs vs. künstliche Harmonie

Teams, in denen starkes Vertrauen herrscht, sind in der Lage angstfrei in den kritischen Diskurs zu gehen. Ihr erzielt exzellente Ergebnisse, wenn ihr mit einer gesunden Streitkultur um die beste Lösung ringt und alle Facetten und Perspektiven möglicher Lösungen diskutiert. Das funktioniert, wenn ihr Vertrauen ineinander habt und den kritischen Diskurs als positiven Beitrag zu Entwicklung gemeinsamer Lösungen betrachtet.

Fehlt das Vertrauen, wird der Diskurs schnell zum politischen Minenfeld. Da aber keiner in dieses Minenfeld treten will, kommt es zu zweiten Dysfunktionalität: der künstlichen Harmonie. Die kritischen und gefühlt gefährlichen Diskussionen werden einfach ausgelassen. Das Team strebt zu vorschnellen Konsenslösungen. Lieber stimmen alle zu oder schweigen, als offen die Meinung zu sagen. Hinzu kommt, dass uns von klein auf beigebracht wurde, dass Streit etwas Negatives ist. Das „Streitet euch nicht“ unserer Eltern ist so tief eingebrannt, dass viele von uns Konflikte meiden, wie der Teufel das Weihwasser.

Künstliche, unproduktive Harmonie erlebe ich in vielen der Leadership Teams, mit denen ich arbeite. „Wir streiten eigentlich nie!“ wird mir am Anfang der Zusammenarbeit oft als Zeichen für die Qualität des Teams präsentiert. Um dann nach den ersten Gesprächen schnell festzustellen, dass ganz viele Probleme verdrängt und unausgesprochen bleiben.

Eine gesunde Streitkultur lässt sich gut lernen. Der erste wichtige Schritt: Kritik und kritischen Diskurs positiv bewerten. „Streitet euch!“ sollte die neue Grundregel sein. Findet Spaß an euren Diskussionen und macht es euch zum Sport, Gegenargumente auszuloten, bevor ihr entscheidet! Definiert einen „Chef Streithammel“, dessen Job es ist, vor schnellen Konsenslösungen explizit nach möglichen Konfliktfeldern zu suchen.

Stelle sicher, dass in Diskussionen alle Teammitglieder „ihren Senf“ dazugeben und sich keiner versteckt. Und setzt den HIPPO vor die Tür. HIPPO steht für HIghest Paid Persons Opinion und das Phänomen, dass sich in unsicheren Entscheidungssituationen Teams oft einfach auf die Meinung des Menschen mit der meisten Erfahrung und Macht verlassen, statt die notwendigen Informationen und Diskussionen zu suchen. Den gesunden kritischen Diskurs übt ihr auch über gegenseitiges Feedback und gemeinsame Retrospektiven auf eure Zusammenarbeit. Wenn ihr lernt, mit der richtigen Methode auch kritische zwischenmenschliche Themen anzusprechen, wird sich Konflikt bald schon nicht mehr so gefährlich anfühlen.

Klare Verpflichtung vs. Zweideutigkeit

Die nächste Stufe der Vertrauenspyramide ist die Verpflichtung. Ich committe mich zur gemeinsamen Entscheidung, wenn meine Einschätzung zu einer Entscheidung wahrgenommen und reflektiert wurde. Und das im Sinne vom „Fight & Unite“ auch in Situationen, in denen eine andere als meine Idee zum Zuge kam. Ich verpflichte mich auch leichter, wenn es ein starkes gemeinsames Ziel gibt, dass meine individuellen Anliegen in den Hintergrund treten lässt.

Leider ist oft das Gegenteil der Fall. „Die sind alle nicht committed“ ist einer der Sprüche, die ich mit am häufigsten höre, wenn Gründer über die Probleme in ihren Teams sprechen. Da stimmen alle zu, machen am Ende aber doch, was sie wollen. Gemeinsame Ziele fehlen, Selbstoptimierung siegt. Keiner weiss woran er ist, Zweideutigkeit statt Klarheit. Eine beliebte Variante der Zweideutigkeit ist die übermäßige Analyse und Diskussion. Auch nicht hilfreich.

Ihr fördert die Verpflichtung im Team, wenn ihr sicherstellt, dass Diskussionen wirklich mit einer klaren Entscheidung abgeschlossen werden. Gebt euch Ziele, an denen jeder sein Handeln orientieren kann. Dokumentiert die Entscheidungen und definiert gemeinsame Arbeitspläne. Dazu gehört auch, dass ihr regelmäßig reflektiert, ob ihr euch so verhaltet, wie ihr euch das vorgenommen habt. Wenn du die ersten beiden Ebenen, Vertrauen und kritischen Diskurs, hergestellt hast, gibt es eigentlich keinen tieferliegenden Grund für mangelndes Commitment. Wer sich dann nicht zu gemeinsamen Beschlüssen verpflichtet, hat keinen Platz im Team. Besonders wichtig ist die Verpflichtung zur gemeinsamen Sache, wenn du vor einer größeren Transformation stehst. Sie gelingt nur, wenn alle mit an Bord sind, keiner die gemeinsame Sache hintertreibt.

Rechenschaft vs. schlechte Qualität

Wenn sich ein Team auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt hat, ist es völlig legitim, sich auch gegenseitig an die gemachten Versprechen zu erinnern und deren Umsetzung zu diskutieren. Erst das gegenseitige Einfordern von Rechenschaft macht die gegenseitige Verpflichtung und die Verantwortungsübernahme richtig produktiv. Die zentrale Grundhaltung: Wie haben als Team entschieden und wir als Team stellen die Umsetzung sicher.

Oft genug passiert genau das nicht. Mit der Übernahme der Verantwortung durch ein Teammitglied fühlt sich der Rest des Teams nicht mehr für das Gesamtergebnis verantwortlich. Es wird zwar gesehen, dass ein Teamkollege seine Commitments nicht einhält oder nicht die optimale Qualität liefert. Aber dass auch wirklich zu adressieren, die Ergebnisse einzufordern, das ginge dann doch zu weit. „Ich möchte dem anderen ja nicht zu nahe treten…“ Das Ergebnis: Die Qualität und Produktivität der gemeinsamen Arbeit sinken, Dinge werden angefangen, aber nicht fertig gestellt. Exzellente Ergebnisse entstehen so nicht.

Das Einfordern von Rechenschaft wird ein ganz normaler Bestandteil der Teamarbeit, wenn ihr Transparenz über die Umsetzung der Entscheidungen und Arbeitspläne schafft und bei Verzögerungen oder Problemen genau nachhaltet, was passiert ist und wie das Problem gelöst wird. Tools dazu sind gemeinsame Projektübersichten, z.B. OKR oder Kanbanboards.  Macht Updates zu den wesentlichen Commitments und offene Diskussionen etwaiger Probleme zum festen Bestandteil eurer Teammeetings. Auch klares Feedback zu Defiziten fördert die Rechenschaft.

Zielorientierung vs. Selbstoptimierung

Nun steht nur noch ein letzter Schritt auf dem Weg zum High Performance Team an: Die gemeinsame Zielorientierung. High Performance Teams zeigen: Wir setzen uns anspruchsvolle Ziele und erreichen diese gemeinsam. Ohne gemeinsame Zielorientierung verpufft die Energie schnell Richtung Status und Ego.

Leadership Teams, die sich klar darüber sind, was ihre Mission ist und wie sich diese in konkrete Ziele umsetzt, entwickeln eine starke Eigendynamik. Vor allem wenn sie gleichzeitig wissen, wie ihre Arbeit auf das Gesamtziel des Unternehmens einzahlt. Achte als Leader darauf, dass über gemeinsame Leistungen auch immer in Wir- und nicht in Ich-Form erzählt wird – das gibt den Egomanen das Signal: Heldenstories sind hier nicht gefragt. Schließlich fördert auch das gemeinsame Feiern wichtiger Meilensteine die gemeinsame Zielorientierung.

Die Vertrauenspyramide ist ein unglaublich mächtiges Modell zur bewussten Entwicklung von High Performance Teams. Es hilft euch zu verstehen, warum eure Teams oft nicht so funktionieren, wie ihr es gerne hättet und was ihr tun könnt, um das zu ändern.

Besonders mächtig ist dieses Modell, wenn ihr es gemeinsamen mit euren Teams diskutiert. Bewertet doch mal gemeinsam, wo ihr auch den verschiedenen Stufen steht. Entweder einfach so in der offenen Diskussion oder auch gestützt durch einen Test, den ihr z.B. unter http://www.marketraining.ch/files/mt-article/Team-Diagnose-Fragebogen_Dysfunktionen.doc.pdf  findet. Wenn ihr regelmäßig überprüft, wo ihr auf den verschiedenen Stufen steht und dann gemeinsam Maßnahmen zur Verbesserung der Teamarbeit entwickelt. Dann zahlt ihr direkt auf die Vertrauenspyramide ein: Du stellst dich der offenen Diskussion der Teamdynamik inkl. deines Verhaltens, gibst Vertrauen und zeigst dich verletzlich. Du startest den kritischen Diskurs, in die idealerweise alle einstimmen. Ihr trefft Entscheidungen zu gemeinsamen Maßnahmen, zu denen sich alle verpflichten und im Nachgang könnt ihr euch in der gegenseitigen Rechenschaft üben. Euer gemeinsames Ziel: Ein High Performance Team zu werden.

Und nun zu Dir!

Wo steht ihr im Team in dieser Vertrauenspyramide? Wo sind eure größten Baustellen? Was nimmst du dir ganz konkret vor, um euer Team noch besser zusammenzuschweissen?

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Damit du dein Unternehmen und dein Team weiterhin mit all deiner Energie in den Höhenflug führen kannst!

Viel Spaß dabei

Dorothea

Volate – Fliegt!

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