Die geniale Programmiererin. Unglaublich schlau, auf ihrem Gebiet einfach unschlagbar. Aber persönlich eine echte Katastrophe. Wo sie hin kommt, wächst kein Gras mehr.
Der nette Kollege der ersten Stunde. Er lebt und atmet eure Unternehmenskultur. Aber schon lange reicht seine Leistung nicht mehr für das, was ihr braucht.
Zwei unterschiedliche Fälle, eine große Gemeinsamkeit:
Sie sind giftig für unser Team und trotzdem fällt es uns unglaublich schwer, uns zu einer klaren Haltung durchzuringen. Oft schleppen wir diese Kollegen Monate bis Jahre mit, ohne etwas an der Situation zu ändern.
Wie ihr in beiden Fällen zu einer klaren Lösung kommt – das ist der Schwerpunkt dieses Blogartikels.
Das süße und das bittere Gift
Schwierige Kollegen sind immer wieder ein wichtiges Thema in meinen Coachings, meist verbunden mit der Frage: Behalten oder Kündigen.
Kündigen fällt zum Glück keinem leicht. Zu viel hängt daran:
- Das persönliche Schicksal des Betroffenen.
- Die Performance im Team.
- Der Teamspirit.
Nichts, was man leicht aufs Spiel setzt. Bei zwei Typen von Kollegen fällt die Entscheidung besonders schwer:
- Bei den toxischen High Performern, dem bitteren Gift. Sie zeigen eine hohe fachliche Performance, aber kaum Kulturfit.
- Bei den freundlichen Low Performern, dem süßen Gift. Sie sind der Kulturfit, aber die fachliche Leistung reicht einfach nicht.
Toxische High Performer
Annabel war fachlich der Hammer. Nur sie kannte das IT-System im Detail. Nichts war dokumentiert, alles Wissen nur in ihrem Kopf.
Im Umgang mit dem Team war sie leider toxisch: Sie übernahm keine Dienste, blockte jede Bitte um Unterstützung ab und minimierte damit ihren Arbeitsaufwand.
Mit dieser Taktik schuf sich Annabel über Jahre eine kuschelige Komfortzone. Ständig war sie im Verfolger-Modus unterwegs (Siehe Artikel zu Drama-Dreieck). Ihre ätzenden Kommentare hielten Kollegen und Chef auf Abstand. Die Stimmung im Team: Frustriert und verbittert.
Kündigen? Bloß nicht! Zu groß die Sorge, dass es nach ihrem Weggang einen Systemzusammenbruch gäbe, den das Team nicht in Griff bekäme.
Freundliche Low Performer
Zoltan war eine echte Seele. Mitarbeiter der ersten Stunde, bester Freund eines Gründers. Hatte mitgelitten und mitgefochten. Er lebte und atmete die Kultur.
Leider fiel es ihm immer schwerer, mit dem Tempo des Teams und dem wachsenden Qualitätsstandard mitzuhalten. Zu viele Fehler, zu ungenau.
Seine sichtbare Überforderung erregte das Mitleid des Teams. Alle versuchten zu helfen, luden sich seine Probleme auf ihre Schultern und wurden zu Rettern.
Auf seine Weise war auch Zoltan giftig für das Klima im Team. Denn „seine“ Message war: Hauptsache nett sein, dann geht es auch ohne Performance.
Kündigen? Bloß nicht! Zu groß die Sorge, dass mit seinem Weggang die Stimmung einbrechen und die Kultur des Unternehmens leiden würde.
Na, kennst du eine dieser Situationen? Willkommen im Club!
Zwei unterschiedliche Fälle mit der immer gleichen Charakteristik:
- Einseitige Bewertung der Individualleistung,
- Fehlende Berücksichtigung der Teamperformance.
- Drama und fehlende Verantwortungsübernahme.
Auch das Ergebnis ist vergleichbar: Die Stimmung und die Gesamtperformance des Teams leiden.
Wenn du einen dieser Fälle im Team hast, gibt es nur eines: Raus aus dem Schlamassel und Klarheit schaffen.
Ganzheitlicher, teamorientierter Performancestandard
Schwierige, für das Team giftige Kollegen leben fast immer von einer einseitigen Performancebewertung, die den Impact des individuellen Handelns auf das Team vernachlässigt.
Sprich: Eine grottige fachliche oder kulturelle Performance wird durch eine gute Performance in der jeweils anderen Dimension überkompensiert.
In der Einzelbetrachtung mag diese Rechnung ja funktionieren. Doch als Leader optimierst du nicht den Output einzelner, sondern die Gesamtleistung deines Teams.
Und die leidet in beiden Fällen erheblich. Durch dein Zögern signalisierst du dem Team: Hier reicht es, nur auf einem Teil der Zylinder zu laufen.
In einer echten Wachstumskultur bewertet ihr die fachliche und die kulturelle Performance jeweils unabhängig voneinander. Beides muss erfüllt sein. Defizite auf der einen Seite können nicht durch Stärken auf der anderen Seite kompensiert werden.
Und ihr berücksichtigt bei der Bewertung immer auch den Impact des Teammitglieds auf den Rest des Teams: Der Beitrag jedes Einzelnen muss die Gesamtleistung des Teams steigern.
Raus aus dem Drama, rein in die Eigenverantwortung
Egal ob süß oder bitter: Giftige Mitarbeiter sind immer im Drama unterwegs.
In der bitteren, aggressiven Variante spielen sie den Verfolger und machen mit ihrer ätzenden, abwertenden Art und Weise das Team zu Opfern.
In der süßen, netten Variante sind sie das arme, machtlose Opfer, das vom Rest des Teams gerettet wird.
Beiden gemeinsam ist die fehlende Übernahme von Eigenverantwortung. Jemand anderes räumt hinter ihnen auf.
Wenn du nicht agierst, sondern die Situation hinnimmst, bist du ein zentraler Mitspieler im Drama: Als Opfer der Umstände und / oder als Retter des Teams.
Deine Aufgabe als Leader ist es, diese Menschen wieder in die volle Verantwortung zu bringen. Oder – sollte das nicht gelingen – selbst in die Verantwortung zu gehen und dich von ihnen zu trennen.
Der erste Schritt auf dem Weg dahin ist dein eigener Rollenwechsel.
Raus aus der Opferrolle, rein in den Gestalter: Du definierst die fachlichen und kulturellen Performancestandards und schaffst damit Klarheit über die Spielregeln.
Aus dieser Klarheit heraus wirst du dann zum Challenger und übst liebevollen Druck aus: „Das sind die Regeln. Wie willst du damit umgehen? Mitspielen oder Spielfeld verlassen?“ Das klingt erst mal scharf, ist aber ein klarer Appell an die Eigenverantwortung. Denn dein Gegenüber ist nicht machtlos, sondern kann frei wählen.
Beim „Toxischen High Performer“ heißt das: „Mir ist es egal, wie viel Wissen du bunkerst. Ich spiele dein Spiel ab heute nicht mehr mit. Du kannst aber gerne nach unseren Regeln spielen. Oder du gehst.“
Beim „Netten Low Performer“ heißt es: „Bist du dir wirklich sicher, dass du hier im Team noch glücklich bist? Gibt es vielleicht ein Umfeld, dass besser für dich passt? Oder brauchtest du einfach einen Wakeup Call, der dich aus deiner Komfortzone holt?“
Entscheidet sich dein Kollege für das Mitspielen, wirst du zum Coach. Hilfe zur Selbsthilfe. Jetzt ist der letzte Make-or-Break-Punkt erreicht: Ist dein Gegenüber coachable? Hört sie sich dein Feedback offen an? Lässt er sich auf seine Weiterentwicklung ein?
Beides habe ich in Coachings schon erlebt.
Da war die toxische High Performerin. In dem Moment, in dem ihr Chef aus der Opfer-Rolle ausstieg und in den Gestalter und Challenger wechselte, war ihr klar: „Sch…, mein Spiel funktioniert nicht mehr. Ich bin dann mal weg.“ Kaum hatte sie das Unternehmen verlassen, kam es zum befürchteten Systemausfall. Der aber in einer fantastischen Teamaktion zügig gelöst wurde. Der Weggang von Annabel hatte die Energie des Teams wieder freigesetzt. Heute ist die Stimmung im Team klasse, die Performance so hoch wie nie zuvor.
Und da war der nette Low Performer. Nachdem sein Chef aus dem Retter in den Challenger und Coach wechselte, ging Zoltan zunehmend in die Eigenverantwortung. Er wollte unbedingt im Team bleiben. Und fing endlich an, seine Qualitätsprobleme ernsthaft zu lösen. Geht doch! Auch hier sind heute alle super happy.
Key Take Aways
Schwierige, für das Team giftige Kollegen zeigen das immer gleiche Muster: Einseitige Performance-Standards, fehlende Berücksichtigung des negativen Impacts auf das Team. Ein netter Mensch, der die PS nicht auf die Straße bekommt. Die toxische High Performerin, unter der das ganze Team leidet.
Die Lösung:
- Ganzheitlicher Performancestandard. Berücksichtige die fachliche Leistung und den Kulturfit. Beides muss gegeben sein, gegenseitige Kompensation gibt es nicht.
- 1+1 > 1: Jedes Teammitglied muss einen positiven Impact auf die Gesamtleistung des Teams haben. Keiner darf das Team schwächen.
- Gestalten. Schwierige Kollegen machen uns oft zu Opfern und Rettern. Verlass das Drama, indem du klare Spielregeln aufstellst.
- Challengen. Übe liebevollen Druck aus: „Hier sind die Regeln. Entscheide selbst: Mitspielen oder gehen.“ Auch das ist Selbstverantwortung.
- Coachen: Gib Feedback,biete Hilfe zur Selbsthilfe an. Zeigt sich dein Gegenüber coachable: Super, geht doch. Wenn nicht: Dann geh doch.
Und nun zu dir!
Hast du schwierige Kollegen im Team?
- Was für ein Typus sind sie: Süßes oder bitteres Gift?
- Was hält dich davon ab, ihnen gegenüber klarer zu sein?
- Wie kannst du dich ihnen gegenüber die die Gestalterrolle bringen?
- Wie machst du als Challenger und Coach weiter?
Viel Erfolg!