Jekyll oder Hyde? Führe als dein Bestes-Ich

Veröffentlicht von Dorothea 13/06/2021

Kennst du die Geschichte von Dr. Jekyll und Mr. Hyde? Ein großartiger Horror- und Psychotriller von Robert L. Stevenson.

Dr. Jekyll ist Arzt und geschätztes Mitglied der Londoner Gesellschaft. Schon lange ist ihm bewusst, dass sich in seinem guten Ich auch eine düstere Seite versteckt. Von seiner Forscherneugierde getrieben, entwickelt er ein Gift, mit dem er seine dunkle von seiner hellen Seite abspalten kann. Er wird zum „Monster“ Mr. Hyde. Hyde ist das totale Gegenteil des freundlichen und tugendhaften Jekyll: Häßlich, düster, bösartig, aggressiv, gewalttätig. Als Hyde lebt Jekyll die dunkle Seite seines Ichs aus. Das Dumme dabei: Das Experiment läuft aus dem Ruder. Jekyll kann seine dunkle Seite nicht mehr kontrollieren. Er begeht Selbstmord, um zu verhindern, ewig Hyde zu bleiben.

Super spannende Geschichte! Aber warum erzähle ich das hier? 

Jekyll und Hyde leben in jedem von uns

Bei Volate machen wir mit vielen unserer Klienten umfassende 360-Grad-Feedbacks. Und in fast allen diesen Feedbacks bekommen wir ein Muster zurückgespielt, das sehr an Dr. Jekyll und Mr. Hyde erinnert.

Da gibt es einen Dr. Jekyll. Dieses Beste-Ich wird ganz hinreißend beschrieben. Es ist

  • mitreißend, inspirierend und fröhlich,
  • zugewandt und in der Lage, schnell Vertrauen zu schaffen,
  • neugierig, klug und kreativ,
  • unterstützend, gibt differenziertes Feedback,
  • auf den Punkt, artikuliert und scharfsinnig,
  • hat ein gutes Gefühl für Prioritäten und sieht das Big Picture,
  • selbstreflektiert und gibt Fehler zu.

Dr. Jekyll in uns gestaltet aus einem inneren Freiraum heraus. In unserem Besten-Ich haben wir ein natürliches, entspanntes Selbstverständnis. Wir sind offen und können uns Menschen und Situationen voll und ganz zuwenden. Die Realität ist ein guter Freund, mit dem wir wunderbare Sachen unternehmen können, eine Welt voller Möglichkeiten. Also genau das, was wir als Gründer und Leader sein wollen.

Phantastisch – wäre da nicht auch noch die düstere Seite der gleichen Menschen, die oft so beschrieben wird:

  • Unfair, schroff, launenhaft und motzig,
  • distanziert, schwer durchschaubar, verletzend und unfair,
  • zynisch, beißend und ungnädig,       
  • abwesend, unaufmerksam, denkt nicht zu Ende,
  • kontrollsüchtig, liebt das Mikromanagement,
  • hat eine geringe Kritikfähigkeit und schiebt Probleme auf andere.

Unser dunkles Ich verletzt sein Umfeld, produziert Unsicherheit und Angstgefühle. Es macht andere klein oder überfährt sie. Klingt übel? Sind aber tatsächlich Zitate aus den Feedbacks.

Unser persönlicher Mr. Hyde ist reaktiven und getrieben. Er zeigt sich, wenn unsere Bedürfnisse nicht befriedigt sind, wenn wir gestresst sind und uns verletzlich fühlen. In diesen Momenten sind wir wie in einem inneren Film gefangen. Wir können wir uns nur schwer auf unser Gegenüber einlassen oder zuhören. Unsere Beziehungen werden verwickelt und manipulativ. Wir sind pessimistisch und erleben die Realität als einen Gegner, gegen den wir in den Kampf ziehen.

Wie in der Geschichte von Robert L. Stevenson besitzen auch wir ein Gift, das uns vom guten Dr. Jekyll zum düsteren Mr. Hyde werden lässt: 

Stress!

Egal ob akuter oder dauerhafter Stress. Stress deckt gnadenlos unsere Schattenseiten auf. Ein Blick auf die Funktionsweise unseres Hirns zeigt, warum das so ist.

Wie uns Stress von Jekyll zu Hyde werden lässt

Unser Gehirn hat – seeeehr vereinfacht – drei Teilbereiche:

  • Hirnstamm: Das „Reptilienhirn“ ist der älteste Teil unseres Hirns und liegt am Übergang vom Rückenmark ins Hirn. Es nimmt Informationen auf und steuert essenzielle Lebensfunktionen wie die Atmung, die Herzfrequenz und den Blutdruck. Sein Motto: Lebe oder Stirb!
  • Limbisches System: Das ”Säugerhirn“ ist der zweitälteste Teil des Hirns und liegt in der Mitte des Hirns. Es ist zuständig für das Affekt- und Triebverhalten. Es verarbeitet die Sensorischen Informationen und übersetzt sie in Emotionen. Sein Motto: Kampf, Flucht oder Unterwerfung!
  • Cortex: Das „Menschenhirn“ ist der jüngste Teil des Hirns. Es ist die äußere Schicht des Hirns. Besonders wichtig: der Präfrontale Cortex – die graue Masse direkt hinter unserer Denkerstirn. Er ist für all das zuständig, was uns menschlich macht: Selbstreflexion, abstraktes Denken, Planung, Soziales Verhalten, Sprache, und höheres Bewusstsein. Sein Motto: Ich denke, also bin ich!

Bestes-Ich. Wenn wir entspannt sind, sind all drei Teile des Hirns miteinander verbunden und in intensivem Austausch. Dann sind wir unser Bestes-Ich. Unser „langsames Denken“ wie es bei Kahnemann heißt, ist angeschaltet. Wir handeln bewusst und können all unsere Stärken einsetzen. Wir sind kreativ und empatisch, haben ein Gefühl für Gemeinschaft, Sinnhaftigkeit, Wachstum und Innovation. Dann haben wir unsere Dr. Jekyll-Momente.

Stress-Ich. Anders in akuten oder dauerhaften Situationen von Stress und Unsicherheit. In diesen Situationen schaltet unser Gehirn auf „Überleben!“. Der Energiefresser Cortex wird “abgeschaltet” und alle verfügbare Energie auf die Überlebensreaktionen Kampf, Fluch oder Unterwerfung verlagert. Die Überlebensmanager Hirnstamm und Limbischer Kern sind jetzt in Hochform: Die Atmung wird beschleunigt, der Blutdruck steigt, unser Schmerzempfinden wird reduziert, unsere Sinne geschärft, der Tunnelblick angeschaltet. „Schnelles Denken“ ist angesagt. Das Ergebnis: Aktionismus und Handeln im Affekt, irrationales, binäres Denken. Wir kennen nur noch gut oder schlecht, schwarz oder weiss. Wir werden pessimistisch, sehen überall Feinde und wappnen uns für das Schlimmste. Willkommen Mr. Hyde! 

So unschön sich Mr. Hyde anfühlt: Er ist ein wichtiger Teil von uns. Denn er sorgt für unser Überleben in kritischen Situationen. Und zwar mit all seiner Kraft. Habe also Verständnis für ihn.

Aber auch wenn unser Stress-Ich überlebenswichtig ist: Im Stress-Ich sind wir keine guten Leader. Alles was uns menschlich macht und gute Organisationen prägt, kommt jetzt zu kurz: Teamplay, Empathie, große Träume und Kreativität.

Aber was können wir gegen den Hyde in uns tun? Selbstmord, wie in der Geschichte von Stevenson, ist ja wohl kaum eine Alternative!

Die Lösung: Stärke dein Bestes-Ich. Entwickle die Superpower der Resilienz. Menschen, die resilient sind, bleiben auch in schwierigen Situationen gelassen und kraftvoll. Aus Krisen gehen sie gestärkt hervor. Sie versorgen ihre Teams jederzeit mit der notwendigen Energie und beschreiten mit ihnen neue Wege.

“Your ultimate goal in life is to become your best self. Your immediate goal is to get on the path that will lead you there.”

David Viscott, Psychologe

Drei Schritte zu deinem Besten-Ich

Da klingt natürlich super, doch wie sieht der Weg dahin aus? Wie stellst du sicher, dass du den Anteil deines Besten-Ich maximierst und resilient wirst? Denn die externen Stressauslöser kannst du ja nicht einfach wegzaubern!

Der Weg zu mehr Dr. Jekyll in deinem Leben besteht aus drei Schritten: Bemerken, Bremsen und Besser machen.

Bemerken: Mach dir deine dunklen und hellen Seiten bewusst. Lass dir Feedback geben, wann du wer bist, und wir du dann auf dein Team wirkst. Identifiziere typische Gefahrenmomente: Wann droht die Verwandlung? Was sind die Signale, auf die du hören solltest? Lass dir gerne dabei helfen – vielleicht hast du eine Kollegin, dem du sehr vertraust und die du bitten kannst, die rechtzeitig auf den Wandel aufmerksam zu machen.

Bremsen: Lerne, dich ganz bewusst vom schnellen, aktionistischen Denken auf das langsame, reflektive Denken runterzubremsen. Voraussetzung: Du hast die Kraft dazu. Stelle mit einem guten Energiemanagement sicher, dass deine Batterien immer gut aufgeladen sind. Schnelle Energiespender sind ruhiges Atmen, Bewegung, bewusste Pausen oder ein positiver sozialer Austausch. Damit kannst du dich im akuten Stress runter bremsen. Dein langfristiges Energiemanagement basiert auf einer strukturierten Analyse deiner Energiebooster und -lecks und der Umstellung deiner Job- und Tagesgestaltung. Mehr dazu in diesem Blogbeitrag.

Besser machen: Überlege dir schließlich, wie du dein Verhältnis zu Stresssituationen neu und besser definieren kannst. Welche inneren Antreiber bringen dich in den Stress? Willst du alles perfekt machen? Muss immer alles sofort passieren? Willst du beweisen, dass du das alles alleine schaffst? Wie viel entspannter wird dein Leben, wenn es reicht, auch mal nur 80% zu liefern? Wenn morgen auch ein Tag ist? Wenn du dir Unterstützung holen darfst? Diese Überlegungen schaffen die äußerlichen Stressursachen zwar nicht aus der Welt, geben dir aber die Möglichkeit einer Neubewertung. Lerne zu denken wie ein gelassener Rheinländer: Et es wie et es, Et kütt wie et kütt und Et hätt noch immer jot jejange. Wie dir diese und weiter Artikel aus dem Kölschen Grundgesetz helfen besser mit Stress umzugehen und resilient zu werden kannst du in diesem Blogartikel nachlesen.

Nun zu dir

  • Wie sehen dein Bestes- und dein Stress-Ich aus? Wie wirkst du dann auf andere?
  • Was triggert dein Stress-Ich? Wie kannst du dem entgegen wirken?
  • Wie kannst du dich besser aufladen und resilient werden? 

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Damit du dein Unternehmen und dein Team weiterhin mit all deiner Energie in den Höhenflug führen kannst!

Viel Spaß dabei

Dorothea

Volate – Fliegt!

Photo by Joshua Fuller on Unsplash