Radikale Aufrichtigkeit – das ist eine der acht Tugenden einer Wachstumskultur. Feedback in der perfekten Kombination zwischen menschlicher Zugewandheit und direkter Herausforderung.
Radikale Aufrichtigkeit ist nicht nur Feedback – es ist Kultur
Ich lesen ja wirklich viel, aber kaum ein Leadership Buch hat mich in letzter Zeit so begeistert wie „Radical Candor“ von Kim Scott. Auch wenn Radikale Aufrichtigkeit – Radical Candor erst mal hart klingt. Hier geht es um einen zutiefst menschlichen Führungsansatz.
Die Grundthese: Unternehmen wachsen nur, wenn jeder im Team wachsen kann. Und es gibt keinen besseren Wachstumsbeschleuniger als persönliches Feedback. Kim Scott geht sogar so weit, Radikale Aufrichtigkeit als moralische Verpflichtung gegenüber unseren Kollegen zu betrachten. Wenn wir nicht aufrichtig sind, können sie nicht lernen und damit nehmen wir ihnen die Möglichkeit zu wachsen.
„I would argue that criticizing your employees when they screw up is not just your job, it’s actually your moral obligation.“
Kim Scott, Radical Candor
Gutes Feedback, aus dem wir wirklich lernen, kombiniert nach Kim Scott zwei Haltungen: Tiefe Verbundenheit und Direkte Herausforderung.
Klingt gut, aber was heißt das konkret? Ein Beispiel: Bei etventure hatte ich einen von mir sehr geschätzten Kollegen, Anselm. Ein High Performer, der aber irgendwie einen Hänger hatte. Im persönlichen Gespräch habe ich diesen Eindruck ganz offen adressiert: „Anselm, ich schätze dich sehr und ich höre von allen, dass du super Arbeit machst (Tiefe Verbundenheit!). Aber ganz ehrlich: ich habe das Gefühl, dass du deine PS aktuell nicht wirklich auf die Straße bringst (Direkt Herausfordern!).“
Oups. Erstmal Funkstille. Überraschung, gepaart mit einer Prise Schock. Und nach einem tiefen Durchatmen: Dankbarkeit dafür, dass endlich, endlich mal jemand Tacheles gesprochen hat. Denn vorher hatte er nur Ruinöse Empathie erlebt: Immer war alles super, perfekt, mega. Klingt gut, war aber nichts, was ihn auch nur einen einzigen Millimeter nach vorne brachte. Und als ambitionierter Mensch wollte er doch genau das. In der Folge hatten wir eine Reihe sehr guter Gespräche, in denen er zunehmend verstand, was ihn wirklich treibt, und was er ändern kann, um sein volles Potenzial zu leben.
Aber was passiert, wenn eine der beiden Haltungen fehlt?
Vor allem in sehr freundlichen Organisationen treffe ich häufig auf Ruinöse Empathie. Sie zeigt Wertschätzung und schweigt die kritischen Themen tot. Kritik könnte ja verletzten, außerdem ist es unangenehm, zu kritisieren. Dummerweise hilft das keinem weiter – siehe oben. In uns schwelt die Kritik, aber der Betroffene ist ahnungslos. Bis das Ganze im schlimmsten Fall so weit geht, dass der Mensch entlassen wird. Und völlig aus den Wolken fällt – denn es hatte ja keiner was gesagt,
Das Gegenteil davon ist die Abscheuliche Aggression. Total direkt, aber mit einer „Du bist mir schnuppe!“ Haltung, wird dem anderen die Kritik einfach um die Ohren gehauen. Eine solche Haltung produziert nur eins: Abwehr und Aggression. Auch nichts gewonnen.
Und schließlich ist da noch das Nirvana der Manipulativen Unehrlichkeit. Hauptsache ich bekomme, was ich will. Das sage ich natürlich nicht. Und was das mit meinem Gegenüber macht, ist mir total egal. Dummerweise spürt es die Gegenseite dann doch oft und reagiert – zu Recht – mit Misstrauen.
“Your ability to build trusting, human connections with the people who report directly to you will determine the quality of everything that follows.”
Kim Scott, Radical Candor
Radikale Aufrichtigkeit ist mehr als nur eine Feedback-Taktik. Sie ist eine wesentliche Säule einer starken Wachstumskultur. Wie aber kannst du diese Kultur verankern?
Tipp 1: Ad Hoc Feedback üben
Mache es dir zur Gewohnheit, schnelles Feedback zu geben. Positiv und negativ. Die SBID-Methode (Siehe unseren Blog Artikel zu Feedback) hilft hier. Je öfter Du das machst, desto mehr wird es Alltag und desto offener bleiben alle.
Tipp 2: Nur miteinander reden, nicht übereinander
Wenn sich Menschen aus deinem Team übereinander beklagen: Nicht „Retter“ spielen, sondern die Kollegen dazu bringen, sich direkt auszusprechen. Nur wenn das komplett scheitert, kannst du dich als Moderator anbieten. Ist aber Notoption.
Tipp 3: Hol dir aktiv Feedback vom Team
Nimm als Leader öffentlich Feedback an, entwickle Formate, in denen Menschen dir sagen können was sie bewegt – inklusive Kritik an deinem Verhalten. Kritisiere dich selbst vor anderen. All dies schafft ein Klima der Offenheit.
“You can’t give a damn about others if you don’t give a damn about yourself.”
Kim Scott, Radical Candor
Tipp 4: GANZ WICHTIG: Gehe gut mit dir selber um
Nur wenn du selber wertschätzend mit dir umgehst, dich selber mit all deinen Stärken und Schwächen schätzt und dich bei eigenen Fehlern nicht mental auf die Streckbank begibst. Nur dann bist Du in der Lage, auch deinem Gegenüber mit offenem Herzen zu begegnen. Starte damit, die selber gutes Feedback zu geben. Jeden Abend. Ist eine tolle Übung und richtig gut für die Seele.
All dies und noch einiges mehr steckt in „Radical Candor“ – sowohl in der konzeptionellen Herleitung als auch mit vielen praktischen Tipps zur Umsetzung. Lesen lohnt sich – von der ersten bis zur letzten Seite. Und für die besonders Ungeduldigen unter uns gibt hier es ein ganz wunderbares Video von Kim Scott.
Wenn dich dieser Impuls inspiriert hat, empfehle ihn doch einfach weiter, über Linkedin, Twitter oder per email.
Mein Tipp für dich: Radikal Candor von Kim Scott lesen – und eine Kultur der Radikalen Aufrichtigkeit schaffen! Hier die Summary… Share on XMit der Anmeldung zum Newsletter stellst Du sicher, dass du künftig keine Anregungen rund um Leadership Fragen verpasst
Viel Spaß dabei
Dorothea