Seit vier Jahren schreibe ich nun über Leadership.
Doch nur am Rande über mich.
Dieser Blogartikel ist meiner Lebensreise gewidmet.
Jede Lebensreise ist besonders.
Und doch hat jede Lebensreise EIN Ziel:
Wir wollen ganz bei uns selbst ankommen.
Zugang zu all den Kräften zu bekommen, die in uns stecken.
Und jede Lebensphase trägt ein Stückchen dazu bei.
In diesem Blogartikel nehme ich dich mit auf meine Reise.
Eine Reise, deren zweite Hälfte gerade erst beginnt.
Lass dich inspirieren und gehe mutig den nächsten Schritt. In dein reifes Leben.
Mein Lieblingsgedicht
Mit 15 bin ich erstmals einem wunderbaren Gedicht von Rainer Maria Rilke begegnet:
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.
Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein großer Gesang.
So fühlt sich mein Leben an.
Lauter wachsende Ringe. Ein großer Ring pro Jahrzehnt.
Immer breiter wird der Impact, den ich mit meinem Tun und meinem Leben habe.
Zwei Lebenshälften und eine Krise
Viele Ringe und gleichzeitig zwei Lebenshälften mit jeweils sehr klaren Lebensaufgaben.
So, wie es der Psychoanalytiker C.G. Jung beschrieben hat.
Die erste Lebenshälfte ist eine nach außen gerichtete Reise.
Wir beweisen der Welt, wozu wir fähig sind. Unser Ego entsteht – ein idealisiertes Selbstbild. Die Schlüsselfragen dieser Phase: Was gibt mir Bedeutung? Wie kann ich für mich selbst sorgen? Wer wird mich begleiten?
Wir machen unsere Ausbildung, wählen unseren Beruf, gründen eine Familie, werden zu einer Persönlichkeit. Wir sind die Helden dieser Phase. Superwoman oder Superman. Mit jedem Erfolg fühlen wir uns mächtiger: Ich schaffe alles, was ich will.
Gleichzeitig sind wir Getriebene, unser Idealbild zwingt uns immer weiter. In ihm versteckt: Die verinnerlichten Erwartungen und Glaubenssätze unserer Eltern und unserer Gesellschaft. Was nicht in dieses Bild passt, wird unterdrückt, wird zu unserem Schatten, der uns irgendwann einmal einholt.
Dier zweite Lebenshälfte ist eine nach innen gerichtete Reise.
Die Reise zu unserem Selbst und unserem Lebenssinn. Die Schlüsselfragen dieser Phase: Wozu lebe ich? Was will ich mit meinem Leben bewegen?
Gelassenheit tritt ein. Wir müssen uns nicht mehr beweisen. Der Blick hinter die Kulissen unseres Idealbilds schafft neue Möglichkeiten: Was habe ich verdrängt? Wie sieht mein ungelebtes Leben aus? Was wird möglich, wenn ich all das in mein Selbst integriere? Wenn ich endlich aus dem Vollen lebe?
Es ist die Phase der echten Reifung. Wir werden vom Helden zum „Elder“, wie es in den USA heißt: Menschen, die mit ihrer tiefen Lebenserfahrung die Gemeinschaft und die Jüngeren unterstützen. Wir treten die lange Reise zur Meisterschaft unseres Lebens an. Eine Reise, die wir vielleicht nicht vollenden…
Dazwischen liegt eine Übergangsphase – die Krise des mittleren Lebens. Unser starkes Ego der ersten Lebenshälfte hat uns weit gebracht. Aber nun wird es uns fremd, bekommt Risse.
There is a crack in everything. That’s how the light gets in.
Leonard Cohen
Glaubenssätze, die uns zuvor erfolgreich gemacht haben, limitieren uns jetzt. Wir versagen, obwohl wir das Beste gewollt haben. Gleichzeitig erleben wir, dass unser Leben viel mehr zu bieten hat „Mein Haus. Mein Familie. Meine Karriere.“
Das große Signal dieser Lebenskrise: „Auf diesen eingefahrenen Gleisen geht es nicht weiter. Finde deinen eigenen Weg!“ Das ist die Midlife-Krise, die eigentlich eine riesige Midlife-Chance ist. Denn die Risse bringen Licht in das Dunkel unseres Selbst.
Genug der Theorie.
Komm mit auf meine Lebensreise.
Meine erste Lebenshälfte:
Powerfrau, Powermom 🦹
Die ersten 30 Jahre meines erwachsenen Lebens fühlten sich an wie ein Heldenleben.
Immer unter Strom. Beweisen, dass ich alles kann.
Am besten gleichzeitig. Mein Karriere. Meine Familie. Mein Haus….
Die 20er Jahre: Exploration 💥
Studium des Wirtschaftsingenieurwesen, Praktikum in Finnland, Motorrad fahren, Studium in den USA, die ersten beiden Jobs – in der Forschung und bei der Telekom. Danach meine Promotion. Immer wieder neue Herausforderungen, neue Umfelder. Ausprobieren, wer ich eigentlich bin, was mir Spaß macht – und was nicht. Den Partner fürs Leben finden, heiraten.
30er Jahre: Etablierung 🍼
Mein Traumjob: Einstieg in eine junge Strategieberatung. Die fünfte angestellte Beraterin. Im Job richtig gut werden, ein Netzwerk schaffen. Erleben, was es bedeutet, ein Unternehmen groß zu machen. Als ich ging, hatte Solon 70 Mitarbeiter.
Gleichzeitig: Familie gründen, 3 wunderbare Söhne ins Leben bringen, ein Haus bauen. Trotz vieler Arbeit auch eine Zeit der Konsolidierung. Ein starkes Fundament für den nächsten Schritt nach Vorne.
40er Jahre: The Sky is the Limit ⭐️
Wieder eine Phase der Expansion. Als die Kinder aus dem Allergröbsten raus sind, ist es Zeit für den nächsten Aufbruch. Mutig springe ich aus der Beratung in Top-Führungsrollen. 2x CEO, einmal COO. Ich teste meine Stärken und erfahre meine Grenzen. Denn, wer mutig nach Vorne schreitet, fällt auch schon mal auf die Nase.
30 Jahre in denen ich unglaublich viel geschafft und gelernt habe – und für die ich unglaublich dankbar bin.
Die Krise:
Mein Idealbild bekommt Risse
Klingt super, oder?
Zumindest die Covergeschichte.
Denn gleichzeitig erlebte ich in meinen 40igern auch meine größte Lebenskrise.
Die Ursache: Mein Selbstbild und meine Glaubenssätze.
Mein Selbstbild: Die perfekte Karrierefrau und Mutter. Erfolgreich, zugewandt, attraktiv, breit interessiert.
„Ich bin CEO.“ – so habe ich mich gerne vorgestellt.
Meine Glaubenssätze:
#1 Wenn ich anderen Menschen Arbeit abnehme, werde ich geliebt.
#2 Ich schaffe alles, was ich will, und ich schaffe es allein.
#3 Erst die Arbeit, dann die Beziehung.
All das hatte mich bis nach ganz oben gebracht. Doch nun wurden die Risse sichtbar.
In meinen 3 Jobs als CEO und COO habe ich für die Unternehmen viel Gutes geschaffen, Weichen für die Zukunft gestellt, habe Menschen entwickelt, war eine geschätzte Führungskraft. Ich bin stolz darauf, diese Unternehmen mit meiner Arbeit ein gutes Stück nach Vorne gebracht zu haben.
Und doch bin ich kein einziges Mal freiwillig gegangen.
Denn immer wieder wurden meine Glaubenssätze zu Fallen.
Glaubenssatz #1: Meine Hoffnung: Wenn ich meine Geschäftsführer-Kollegen entlaste, werde ich von ihnen geliebt. Also übernahm ich viele Projekte, auch solche, die eigentlich in den Bereichen meiner Kollegen lagen. Ungefragt – und damit übergriffig.
Glaubenssatz #2: Ich versuchte alle und alles zu retten, ALLEIN. Und landete im Drama-Dreieck. Meine Belastung wurde immer größer. Der Retter in mir mutierte zum Opfer: „Warum muss ich alles allein machen? Wo bleiben meine Führungskollegen?“ Und im nächsten Schritt zum Verfolger: „Die machen keinen guten Job. Ich bin besser.“
Glaubenssatz #3: Da bei mir Arbeit immer vor Beziehung kam, fehlte uns im Führungskreis die tiefe Verbundenheit, die es braucht, um solche Probleme offen zu diskutieren und gemeinsam Lösungen zu finden.
Das Ergebnis: Die Trennung.
Lange habe ich mich zutiefst für die drei Kündigungen geschämt: Ich war meinem Anspruch nicht gerecht geworden, hatte mich Einzelnen gegenüber unschön verhalten. Und außerdem: Wer bin ich schon, wenn ich kein CxO mehr bin? Eine gescheiterte Existenz?!?
Heute bin ich dankbar für diese Erfahrungen.
Denn mit all den Reflektionen hat mich die Krise einen großen Schritt nach vorne gebracht.
Ich habe etwas erlebt, dass ich bei vielen meiner Coachees sehe. Unternehmer, die im Macher und Retter hängenbleiben, statt starke Führungsteams zu schaffen, die das Unternehmen gemeinsam führen. Ich erkenne diese Muster frühzeitig und kann meine Klienten glaubwürdig warnen: Dort wo ich war, willst du nicht hin.
Vor allem aber waren die Kündigungen mein Weckruf:
„Meine Liebe, so geht es nicht weiter. Finde deinen eigenen Weg.“
Und so wurde meine Krise zu meinem Erwachen.
Many people suggest that this midlife period is a time of crisis.
I believe you’re in the midst of your midlife awakening.Chip Conley
Meine zweite Lebenshälfte:
Modern Elder 👵
Heute bin ich 56.
Ich habe meine Lebensaufgabe gefunden:
Ich helfe Unternehmern, reife Leader zu werden, die ihr Ego hinter sich lassen und in ihrem Selbst ankommen. Die ihre Schatten und Glaubenssätze verstehen und sich nicht von ihnen limitieren lassen. Unternehmer, die großartige Teams und Unternehmen schaffen, die nachhaltig und langfristige Wert in dieser Welt schaffen.
Ich bin nicht mehr die strahlende Heldin an der Spitze.
Sondern ich verstehe mich als Modern Elder.
Ein wunderbarer Begriff, den Chip Conley in seinem Buch „Wisdom @ Work“ geprägt hat. Modern Elder sind Menschen in der Lebensmitte oder älter, die ebenso neugierig wie weise sind. Sie reflektieren, was sie gelernt und erfahren haben, und lassen es in ihre Beziehungen zu jüngeren Generationen einfließen.
Modern Elder, so Chip Conley
- verfügen über ein gutes Urteilsvermögen, denn sie haben viel gesehen und aus ihren Fehlern gelernt.
- reden Tacheles, denn die müssen nichts mehr beweisen und können auch ungeliebte Wahrheiten aussprechen.
- haben eine hohe emotionale Kompetenz. Sie hören gut zu, können sich in die unterschiedlichen Situationen hineinversetzen.
- denken ganzheitlich. „Connecting the Dots“ und das langsame Denken sind ihre große Stärke.
- handeln verantwortungsbewusst. Ihr großer Wunsch: Einen Impact haben, der weit über sie hinaus reicht.
Modern Elder suchen nicht das Rampenlicht, sondern stehen hinter den neuen Helden, mit denen sie tiefe Beziehungen auf Augenhöhe haben.
Modern Elders are both student and sage, mentor and intern, and have a thirst for mastery.
Chip Conley
Als ich diese Beschreibung vor einem Jahr erstmals las, ging mir das Herz auf:
Genau das mache ich!
Als Modern Elder bringe ich all meine Erfahrung in der Führung von Wachstumsunternehmen, meine tiefgreifenden persönlichen Erlebnisse und mein wachsendes Wissen über Psychologie und Leadership zusammen und begleite Unternehmer auf ihrer Reise vom Macher zum Leader.
Ich bin ihr Lehrer, Coach und Sparringspartner:
- Meine vielen Erfahrungen und die Reflektion meiner Fehler haben mein Urteilsvermögen geschärft.
- Ich rede gerne Tacheles. Kein Reden um den heißen Brei – meine Klienten schätzen das.
- Ich war schon Angestellte und Unternehmerin, Karrierefrau und Mutter. Gewinnerin und Verliererin. Ich kann gut nachfühlen, wie es den verschiedenen Seiten geht.
- Als Systemdenkerin sehe ich intuitiv die Muster hinter der Situation und kann meinen Klienten helfen, ganzheitliche Lösungen zu finden.
- Mein Impact (hoffentlich): Gute Leader, gute Teams und gute Unternehmen.
Der neue Lebensring
In den letzten 5 Jahren ist unglaublich viel passiert.
Ein neuer Lebensring ist angebrochen.
Der Ring des Modern Elders.
Ich habe meine Berufung gefunden.
Ich wachse über mich hinaus – und helfe meinen Klienten dabei.
Ich lebe meine kreative Schaffenskraft: In den Coachings, im Schreiben, in der Musik, im Handwerk, das ich gerade anfange.
Ich liebe die tiefen, langjährigen Beziehungen mit meinen Klienten und meiner Community.
Mein Leben bekommt einen neuen Rhythmus.
Raus aus dem Getrieben sein, rein in immer mehr Gelassenheit.
Ich schaffe Raum für neue Erfahrungen, für Kreativität und Spiritualität.
All das macht mich unglaublich glücklich.
Aging is an extraordinary process whereby you become the person you always should have been.
David Bowie
Noch stehe ich am Anfang meiner großen Reise der zweiten Lebenshälfte.
Vieles ist noch frisch und ungewohnt. Immer wieder schlagen die Schatten aus der Vergangenheit zu.
Das ist ok so. Eine solche Veränderung passiert nicht einfach über Nacht.
Ich freue mich auf jeden neuen Schritt. Auf jedes neue Lebensjahr.
Darauf, immer mehr in meinem Selbst anzukommen.
Mal sehen, wohin es mich führt.
Oder wie Rilke sagt:
und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein großer Gesang.
Und nun zu dir!
- Wo stehst du in deinem Leben?
- Was ist dein Selbstbild? Was enthält es, was unterdrückt es?
- Welche Glaubenssätze prägen dich? Was ermöglichen sie, wo limitieren sie dich?
- Was bedeutet es für dich, ganz bei dir anzukommen?