„Wenn das Leben keine Vision hat, nach der man strebt, nach der man sich sehnt, die man verwirklichen möchte, dann gibt es auch kein Motiv, sich anzustrengen.“
Der Psychoanalytiker Erich Fromm bringt es auf den Punkt: Wenn wir wirklich etwas Großes schaffen wollen, dann brauchen wir eine Vision, die uns selbst und alle Menschen um uns herum begeistert: Unsere Kolleginnen und Kunden und schließlich auch die größere Gesellschaft.
Eine der großartigsten Unternehmervisionen stammt von Werner von Siemens:
„Als ich mit 17 Jahren aus dem Mecklenburgischen nach Berlin kam (…) besaß (ich) nichts abgesehen von meinen Händen, meinem Verstand und einem Traum. Dem Traum von »einem Weltgeschäft à la Fugger«, wie ich es (…) nannte. Es war der Traum von einem Unternehmen, welches durch ständige Erfindungen und den unternehmerischen Weitblick dazu beiträgt, Wissen und Wohlergehen der Menschheit zu steigern und welches (…) gerade in dieser Kombination wirtschaftlich ist. Es war der Traum von einem Unternehmen, das der doppelten Verantwortung des Unternehmers gerecht wird, derjenigen gegenüber sich selbst und seinen Angestellten, und keiner geringeren als derjenigen gegenüber der Welt, die ihn umgibt.“
Diese Vision ist keiner dieser weitgehend inhaltsleeren 4-7 Wort-Sätze à la „To make people happy“ (Disney).
Es ist eine Zukunftslegende, die lebendig beschreibt, was Siemens für seine Kunden und Kollegen macht, was es für den Unternehmer und für die Gesellschaft bedeutet: ständige Erfindungen, Wissen und Wohlergehen steigern, Wirtschaftlichkeit, Verantwortung.
Und sie enthält ein ambitioniertes, mutiges Langfristziel „Ein Weltgeschäft à la Fugger“. Das ist der Nordstern oder auch das Monsterziel (bei Jim Collins: BHAG – Big Hairy Audacious Goal).
Diese Vision hat Früchte getragen. Nächstes Jahr feiert Siemens seinen 175. Geburtstag. Es ist ein erfolgreiches Technologieunternehmen, das ständig neue Erfindungen hervorbringt. Ein Weltgeschäft, das Mitarbeiter in mehr als 200 Ländern beschäftigt.
Wie aber kommt ihr zu einer solchen Vision?
Eure Zukunftslegende
Am besten fangt ihr mit eurem Bild der Zukunft an. Die Frage: Wie fühlt, riecht, hört sich die Welt an, wenn ihr in 7 Jahren einen riesigen Schritt in Richtung eures Zieles gegangen seid?
Was wollt ihr dann für eure Kunden und Kollegen, für euch selbst und für die Gesellschaft erreicht haben?
Schafft eine begeisternde Zukunftslegende, die eure ganze Überzeugung, Emotion und Leidenschaft zeigt und die Fantasie und Begeisterung aller anregt. Und die ihr an euren Kaminabenden genauso begeistert erzählt wie all die Gründerlegenden aus den ersten Tagen eures Unternehmens.
Um diese Legende zu entwickeln, macht ihr am besten ein gemeinsames Brainstorming im Leadership Team.
Zoomt 7 Jahre in die Zukunft.
2028.
Ihr seid Unternehmen des Jahres geworden! Die Preisverleihung steht an. Eure Laudatorin hat zur Vorbereitung ihrer Rede mit vielen Menschen gesprochen. Noch nie hat ein Unternehmen sie so begeistert wie eures!
Teilt euch zum Brainstorming in 4 Gruppen auf: Team, Kunden, Eigentümer / Gründerinnen und Gesellschaft.
Die Perspektive eures Teams
Ihr habt mit dem besten Team der Welt den besten Arbeitsplatz geschaffen. Beschreibt, wie es sich anfühlt, im Jahr 2028 in eurem Unternehmen zu arbeiten.
- Wie groß ist das Team? Wo sind eure Standorte?
- Wie arbeitet ihr zusammen?
- Was macht eure Unternehmenskultur so besonders?
- Warum bleiben die Leute so lange in eurem Unternehmen?
Die Perspektive eurer Kundinnen und Kunden
Euer Unternehmen ist eine echte Love Brand! Noch nie gab es ein so besonderes Kundenerlebnis! Beschreibt, wie es sich anfühlt, im Jahr 2028 mit eurem Unternehmen zu arbeiten.
- Was macht dieses Unternehmen zu einer echten Love Brand? Warum werdet ihr so oft weiterempfohlen?
- Wie fühlt es sich an, mit diesem Unternehmen und seinen Produkten zu arbeiten?
- Wie hat die Arbeit mit diesem Unternehmen dein (Arbeits-) Leben verbessert?
- Was konntest du mit diesem Unternehmen und seinen Produkten erreichen?
Die Perspektive der Gründerinnen & Eigentümer
Euer Unternehmen ist das beste Unternehmen, das ihr je aufgebaut und finanziert habt! Beschreibt, wie es sich in 2028 anfühlt, euer Unternehmen gebaut zu haben.
- Wie war eure Reise?
- Was macht euch so unglaublich stolz auf euer Unternehmen? Auf das Team? Auf eure Leistungen? Euren Impact?
Die Perspektive der Gesellschaft
Euer Unternehmen macht die Welt zu einem besseren Ort. Beschreibt, wie euer Unternehmen die Gesellschaft bis 2028 beeinflusst hat.
- Was macht euer Unternehmen so herausragend?
- Welchen Einfluss habt ihr auf die Gesellschaft?
- Was habt ihr verbessert?
Seid mutig, stellt euch das Unvorstellbare vor. Beschreibt eure Gefühle, Gedanken, macht das Bild so greifbar und schmackhaft wie möglich. Sucht euch Bilder, die diese Stimmung beschreiben. Denn es ist ja eine Vision – und kein Geschäftsbericht.
Formuliert dann zu jeder der Perspektiven 5-7 Sätze, in denen ihr eure Erfahrungen beschreibt. Das ist der Grundstock für eure Zukunftslegende.
Setzt diese Beschreibungen dann zu einer schlüssigen Laudatio zusammen. Was sind die gemeinsamen Perspektiven, welche Worte nutzt ihr besonders häufig, welche Erfolgskriterien schimmern durch die Beschreibung der Erfahrungen? Fehlt noch was?
Voilà – schon steht eure Zukunftslegende (Ok, dauert schon ein wenig, ist aber ein unglaublich inspirierender Prozess.).
Noch plastischer könnt ihr das ganze machen, wenn ihr diese Geschichte wirklich in ein Bild übersetzt. Denn genau das soll eine Vision sein: Ein subjektives, bildhaftes Erleben von etwas sinnlich nicht Wahrnehmbarem … so steht es jedenfalls bei Wikipedia.
Ein solches Zukunftsbild kann eine unglaubliche Dynamik entwickeln. Ein Freund von mir hatte als persönliche Zukunftsvision ein Landhaus in Südfrankreich. Zusammen mit seiner Partnerin hat er diese Vision beschrieben und sie mit einer Collage sichtbar gemacht: Das Haus, der Olivenhain, die Pferde…. Für ein paar Jahre hing diese Collage für alle sichtbar im Flur der Wohnung. Bis sie die Vision umsetzten und nach Südfrankreich zogen. In ein Haus, das genauso aussieht wie das auf der Collage.
Euer mutiger Nordstern
Ergänzt eure Zukunftslegende dann mit einem nicht minder ambitionierten und mutigen Ziel. Der erste Schritt dazu ist die Definition euer Nordstern-Metrik.
Eure Nordstern-Metrik ist die Kennzahl, die den Wert, den ihr euren Kunden bringt, am besten widerspiegelt.
Es ist eine Output-Kennzahl.
Es ist nicht der Umsatz.
Beispiele für Nordstern-Metriken sind
- Spotify = Mit Zuhören verbrachte Zeit
- Airbnb = Anzahl der gebuchten Nächte
- Facebook = Monatlich aktive Nutzer
- Amazon = Anzahl der Einkäufe pro Monat
Zum Nordstern werden diese Metriken, wenn ihr ihnen einen Wert gebt, der eine große Herausforderung darstellt, die ihr nur gemeinsam mit dem ganzen Team erreichen könnt. Das Ziel sollte greifbar, zeitlich terminiert, messbar und total fokussiert sein. Ein einziger Satz: In 7 Jahren wollen wir X geschaffen haben.
Der berühmteste Nordstern aller Zeiten stammt von John F. Kennedy:
„Ich glaube, dass sich die Vereinigten Staaten das Ziel setzen sollten, noch vor Ende dieses Jahrzehnts einen Menschen auf den Mond und wieder sicher zur Erde zurückzubringen.“
Es ist der perfekte Nordstern: Mutig, fokussiert und zeitlich klar bestimmt. Machbar, aber nur unter größten gemeinsamen Anstrengungen. Mit dieser Vision wurden alle auf ein gemeinsames Ziel eingeschworen.
Auf ein Nordstern-Ziel hinzuarbeiten, schafft eine klare Perspektive. Und doch ist es nur ein Zwischenstopp auf dem Weg in eure Zukunft. Denn eigentlich sollte eure Vision so groß sein, dass sie nie wirklich fertig ist. Denn erst dann schafft ihr ein Unternehmen, von dem ihr sagen könnt: „Built to stay“.
Viel Erfolg beim Ausprobieren!
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Damit du dein Unternehmen und dein Team weiterhin mit all deiner Energie in den Höhenflug führen kannst!
Viel Spaß dabei
Dorothea