Führen ohne Antworten

Veröffentlicht von Dorothea 09/10/2024

„Wie führe ich, wenn ich keine Antworten habe?“ 

Es gibt diese Momente: Du sitzt in einem Meeting, die Erwartungen sind hoch, dein Team schaut dich an und wartet auf die perfekte Antwort.

Aber in deinem Kopf ist es leer.

Keine magische Lösung in Sicht.

Klingt bekannt? Keine Sorge, das passiert jedem noch so erfolgreichen Unternehmer.

Die gute Nachricht: Du musst nicht immer alle Antworten haben, um ein guter Leader zu sein. Tatsächlich stärkt es deine Führung, wenn du ehrlich mit deiner Unsicherheit umgehst.

In diesem Blogartikel geht es darum, wie du erfolgreich führst, ohne alle Antworten zu haben.

Komfortzone des Allwissenden verlassen

„Welches Recht habe ich zu führen, wenn ich nicht auf alles eine Antwort habe?“ 

Diese Verunsicherung erleben viele Gründer auf dem Weg zum CEO.

Es ist noch gar nicht lange her, da war dein ganzes Unternehmen in deinem Kopf. Du wusstest alles, was für den Aufbau wichtig ist – oder hast es kurzerhand gelernt. Auf die Fragen des Teams hattest du eigentlich immer Antworten.

Das ändert sich, wenn dein Unternehmen wächst. Ihr holt Spezialwissen und erfahrene Manager ins Team. Du baust Experten auf, die mit ihrem Wissen früher oder später über dich hinauswachsen. 

Du definierst dich nicht mehr über dein herausragendes Wissen. Und da Wissen Macht ist, scheinst du deine Macht zu verlieren.

Arrrgh!

Inspirierende Unternehmer stellen gute Fragen

Aber müssen starke Unternehmer wirklich alles wissen? Geht das überhaupt?

Nehmen wir mal Richard Branson, Herr über 400 Unternehmen. Glaubst du, dass er alles über Telekommunikation, Finanzen, Musik, und Raumfahrt weiß?

Sicher nicht. Er hat zwar einen dicken Schädel, aber so groß ist auch sein Hirn nicht.

Ist er deshalb ein schlechter Unternehmer? Nein, natürlich nicht: Er ist ein inspirierender, erfolgreicher Leader. 

Denn die allerwichtigste Kompetenz eines erfolgreichen Unternehmers ist es nicht, Antworten zu haben, sondern die richtigen Probleme zu identifizieren.

Um die richtigen Probleme zu finden, musst du die Realität hinterfragen. Fragen stellen, immer und immer wieder.  So wie du es bereits bei der Gründung deines Unternehmens gemacht hast. 

„Wer fragt, der führt“
Das ist dein Weg vom Macher zum Leader.

Deine wichtigste Führungsaufgabe ist nicht das Geben von Antworten, sondern das Stellen der richtigen Fragen. Im Großen, wie im Kleinen.

Im Großen hinterfragst du, ob ihr die richtige Strategie habt, um eure Vision zu erreichen. Im Kleinen bringst du dein Team mit den richtigen Fragen dazu, die wesentlichen Probleme zu identifizieren und dann zu lösen. 

Tief im Herzen wissen wir das. Und doch fällt uns der Weg vom Antwortenden zum Fragenden schwer.

Christoph Behn, Gründer und CEO der celebrate company hat das in meinem Buch „Vom Gründer zum CEO“ wunderbar beschreiben:

„Viele Gründer:innen sind es gewohnt, Antworten zu geben. Bis zu einer Organisation von 50, 60 Leuten ist das normal. Da kommt jemand in dein Büro, hat ein Problem und du löst es. Daran hatte ich mich auch gewöhnt. Die ersten Teammitglieder sind ja oft nicht so senior. Also gewöhnt man sich daran, klare Antworten zu geben. Aber irgendwann braucht es den Shift von: Wir geben klare Antworten, hin zu: Wir stellen die richtigen Fragen.“

Was treibt dich dazu, Antworten zu geben?

Eigentlich kennen wir die Macht guter Fragen. Aber warum haben wir trotzdem dieses hartnäckige Gefühl, immer Antworten geben zu müssen?

Am Start deines Startups hatten nur du und deine Mitgründerinnen und Mitgründer alle Themen im Kopf. Dieses Wissen machte euch als Gründer besonders wertvoll. Das Team war von eurem Wissen abhängig. Dein Wissen gab dir Sicherheit und Kontrolle.

Diese Erfahrungen verfestigen sich mit der Zeit zu Glaubenssätzen:

  • Der Allwissende. Nur ich weiß über alles Bescheid. Wenn ich keine Antworten mehr habe, fällt alles auseinander.
  • Der Wertvolle. Nur wer immer Antworten gibt, ist wertvoll. Wenn ich die Antworten nicht kenne, bin ich nichts wert.
  • Die Starke. Wissen ist Macht und Macht ist Kontrolle. Ich traue keinem über den Weg. Ohne Kontrolle würde hier alles im Chaos versinken.
  • Der Retter. Ich bin verantwortlich und muss mich um alle und alles kümmern. Ohne meine Ratschläge sind alle andern hilflos.

Das Problem dieser Glaubenssätze: Sie limitieren dich und dein Team.

  • Du bist davon überzeugt, besser zu sein als die anderen im Team. Damit vertraust du deinen Kollegen nicht und demotivierst sie.
  • Die Verantwortung für die Lösung von Problemen bleibt bei dir hängen. Du wirst zum Bottleneck für alle Entscheidungen und blockierst euer Wachstum.
  • Dein Wissen = das Teamwissen. Du reduzierst das Potenzial deines Unternehmens auf dein Wissen und verhinderst, dass ihr über euch hinauswachst.

Das ist die Antwortenfalle.

Allwissende Unternehmer sind eine Gefahr für ihre Unternehmen, denn ihnen fehlt das Gefühl für den Wandel. Wir sehen das gerade täglich in den Wirtschaftsnachrichten.

Raus aus der Antwortenfalle

Gute Leader definieren sich nicht nur über ihre Antworten. Tatsächlich stärkt es deine Führung, wenn du offen mit deiner Unsicherheit umgehst.

Mit diesen fünf Ansätzen verlässt du die Antwortenfalle.

1. Unsicherheit akzeptieren

So ist es nun einmal. Du kannst nicht alles wissen.

Selbst der schnellste, perfekteste und stärkste Mensch hat nie alle Antworten. Unsicherheiten zeigen keine Schwächen, sondern machen dich menschlich.

Akzeptiere diese Unsicherheit und kommuniziere sie offen: „Ich habe NOCH keine Antwort, aber gemeinsam werden wir eine finden.“

Dieser Satz ist mehrfach wirkungsvoll.

  • Er ist offen und verletzlich.
  • Er zeigt deine Zuversicht, dass es eine Lösung gibt.
  • Er lädt das Team zur Lösung ein.

2. Das Team ist die Antwort

Im Teammeeting schauen alle auf dich. „Bitte löse das Problem!“ flehen ihre Blicke. Doch in deinem Kopf ist es leer. Keine Lösung in Sicht.

Klingt bekannt?

Dabei hast du die Antwort direkt vor der Nase: Dein Team.

Lade das Team zur gemeinsamen Lösung der Probleme ein. Idealerweise hast du alle notwendigen Kompetenzen am Tisch.

“Es macht keinen Sinn, kluge Leute einzustellen und ihnen dann zu sagen, was sie zu tun haben. Wir stellen kluge Leute ein, damit sie uns sagen, was wir tun sollen.”

Steve Jobs

Es ist unglaublich motivierend, zusammen mit deinem Team eine Lösung zu erarbeiten. Du gibst den Beteiligten die Möglichkeit, sich zu beweisen und ihre Expertise einzubringen. Gleichzeitig vermittelst du, dass du ihnen vertraust.

3. Lerne, die richtigen Fragen zu stellen

Du musst nicht die Lösung kennen, aber du musst wissen, wie du dahin kommst. Wenn du keine Antworten hast, stell Fragen. Der Fokus sollte weniger auf dem „Was jetzt?“ liegen, sondern mehr auf dem „Wie können wir das herausfinden?“.

Fragen wie:

  • „Welche Optionen haben wir?“
  • „Wie haben wir ähnliche Probleme in der Vergangenheit gelöst?“
  • „Wen können wir zu Rate ziehen, um mehr Klarheit zu bekommen?“

Diese Fragen öffnen den Raum für Lösungen, anstatt dich in Unsicherheit zu verlieren.

“In der Führung geht es nicht darum, die richtige Antwort zu haben, sondern die richtigen Fragen zu stellen“

Simon Sinek

4. Folge deiner Intuition

Als Unternehmer hast du etwas, was oft unterschätzt wird: Eine tiefe Intuition für alles, was in deinem Unternehmen vor sich geht.

Diese tiefe Intuition ist das Ergebnis deiner Erfahrungen, der unzähligen Stunden, die du mit deinem Produkt, Team, Markt und mit deinen Kunden verbracht hast.

Du weißt damit viel mehr über dein Unternehmen, als dir oberflächlich bewusst ist.

Deine Intuition ist wie ein Kompass, der dir zeigt, wo es lang geht, während du die Details erarbeitest. Nutze deine Intuition, um zu navigieren, wenn du im Nebel der Unsicherheit hängst. Du wirst überrascht sein, wie oft sie dir den richtigen Weg weist.

“Intuition is a powerful business tool. Use it.“

Maggie Wilderotter, CEO von Docusign

Ich habe das gerade wieder im Coaching erlebt. Eine Gründerin hatte das tiefe Gefühl, dass ihr Engineering Department unrund läuft.

Aber sie wusste nicht, was das Problem war. Wie zwei Spürhunde folgten wir dieser Intuition. Das Ergebnis: Das Problem lag nicht in der Qualität der Entwicklung, sondern in der Kultur des Teams. Der Team Lead tat sich schwer damit, das Team zu begeistern und zusammenzuschweißen.

5. Entscheidung trotz Unsicherheit

Auch bei Entscheidungen musst du nicht auf alle Fragen eine Antwort haben. Wasserdichte Entscheidungen sind selten und dauern oft viel zu lange.

Nutze diese Unterscheidung von Jeff Bezos, um dich nicht in der Entscheidungsfindung zu verheddern.

  • One Way Door Entscheidungen lassen sich nur schwer rückgängig machen. Sie müssen sehr sorgfältig und mit ausreichend Zeit getroffen werden. Hier sollten möglichst viele Antworten klar sein.
  • Two Way Door Entscheidungen können leicht revidiert werden. Triff sie schnell, auch wenn du noch nicht alle Antworten hast. Und mach dann einen Review auf das Ergebnis.

Mutige Führung bedeutet, mit Unsicherheiten zu leben, aber dennoch entschlossen zu handeln. Wenn du keine 100%-ige Antwort hast, dann nimm dir 70% der Fakten und 30% Vertrauen in dein Team, deine Intuition und deine Erfahrung.

Lerne mit deiner Unsicherheit umzugehen. Sei offen, binde das Team ein, stelle die richtigen Fragen, höre auf deine Intuition und handle mutig. Dein Team wird es schätzen, wenn du authentisch bist und bereit bist, gemeinsam mit ihm die Antworten zu finden.

Key Take Aways

Du musst nicht immer alle Antworten haben, um ein guter Leader zu sein. Tatsächlich stärkt es deine Führung, wenn du ehrlich mit deiner Unsicherheit umgehst.

Mit diesem fünf Ansätzen stellst du dich deiner Unsicherheit und öffnest neue Lösungsräume:

  • Unsicherheit akzeptieren. Gib deine Unsicherheit zu undschau positiv in die Zukunft. „Ich habe NOCH keine Antwort, aber gemeinsam werden wir eine finden.“
  • Das Team ist die Antwort. Die richtige Arbeitsteilung: Der Leader stellt die richtigen Fragen, das Team findet die Antworten. Bringt die notwendigen Kompetenzen zusammen und findet gemeinsam die Lösung.
  • Lerne, die richtigen Fragen zu stellen. Du musst nicht die Lösung kennen, aber du musst wissen, wie du dahin kommst. Lerne effektive Fragen zu stellen. Das ist eine echte Superpower.
  • Folge deiner Intuition. Deine Intuition ist wie ein Kompass, der dir zeigt, wo es langgeht, während du die Details erarbeitest. Nutze sie, um zu navigieren, wenn du im Nebel der Unsicherheit hängst.
  • Entscheidung trotz Unsicherheit. Nicht jede Entscheidung braucht die perfekte Informationslage. Manchmal ist es einfacher, Dinge einfach zu testen. Die Realität gibt dir oft schneller Antworten als langer Research.

Denk dran: Kein Unternehmer hat immer alle Antworten. Aber die besten wissen, wie sie sie finden – oft auch in der eigenen Intuition.

Viel Erfolg bei der Umsetzung.

Und nun zu dir!

Welche der 5 Tipps hilft dir am meisten? Was möchtest du noch probieren?

Wie sehr hängt dein Selbstwertgefühl an deiner Fähigkeit, Antworten zu haben?

Was machst du, wenn du keine Antworten hast?