7 Fragen an Aimie-Sarah Carstensen von ArtNight

Aimie-Sarah Carstensen hat 2016 ArtNight gegründet.

ArtNight ist ein echtes Herzensprojekt. Getrieben von der Vision, Menschen dazu zu inspirieren, ihre tägliche Routine zu durchbrechen und ihren kreativen Flow zu erleben – für mehr Glück und Lebensfreude im Alltag. In der Coronazeit dann auch im virtuellen Raum, aber nicht weniger kreativ.

Kreative Schaffenskraft ist einer meiner wichtigsten Werte. Und genau das lebt Aimie: In ihrem Leben dreht sich alles um Unternehmertum, persönliche Weiterentwicklung, Leadership und Kreativität. Growth Leadership at it’s best!

Um so mehr freue ich mich, Aimie meine 7 Leadership-Fragen zu stellen.

Danke Aimie, dass du dir die Zeit für die sieben Leadership-Fragen nimmst. Ich freue mich ganz besonders darauf, mit dir zu sprechen: Ich bewundere deine Arbeit, ein wirklich kreatives Unternehmen aufzubauen, und erlebe dich als eine Führungskraft, die eine große innere Freiheit gewonnen hat.

Meine erste Frage: Vom Macher zum Leader, was war dein größter Entwicklungsschritt?

Mein erster richtig großer Entwicklungsschritt war es, zu lernen loszulassen und nicht alles selbst machen zu müssen. Nicht alles immer kontrollieren zu wollen, sondern mich darauf zu konzentrieren, wie ich ein gutes Team aufbauen und die Stärken von jedem Einzelnen gut nutzen kann.

Ich sage immer: Die Richtung vorgeben und die Leitplanken setzen. Leitplanken setzen heißt nicht, jeden einzelnen Schritt wie ein Kontrolletti zu kontrollieren. Sondern ein Ziel zu geben, dass sehr klar ist.

Ziel und Leitplanken und dann ist der Weg klar. Wunderbares Bild. Spricht mir sehr aus dem Herzen. Als du dich selbst auf den Weg begeben hast, hattest du da Menschen, die dich inspiriert haben? Was genau hat dich da inspiriert?

Ich habe keine klassischen Vorbilder, sondern ich beobachte sehr gerne.

Ich war schon sehr jung Führungskraft, mit 24 bekam ich mein erstes Team. Schon da habe ich immer sehr viel beobachtet. Wie machen es andere? Wie gehen andere in der Situation mit gewissen Themen um? Dabei habe ich auch viele Negativbeispiele erlebt, wo ich immer dachte, nee, so will ich das nicht machen.

Und ich habe immer versucht, meine Beobachtungen mit meinen eigenen Werten und meiner eigenen Persönlichkeit zusammenzubringen. Und dabei überlegt: Hey, das fand ich cool, das fand ich irgendwie nicht so gut, wie würde ich in gewissen Situationen damit umgehen. Das war für mein persönliches Wachstum extrem hilfreich. Immer offen zu sein für Learnings, immer zu beobachten, mich selbst und andere, und daraus kontinuierlich zu lernen.

“Für mich ist Führung – also mich selbst zu führen und auch andere zu führen – wie ein Muskel, den man trainiert.”

Aimie-Sarah Carstensen

Das gilt auch für die schwierigen Situationen. Die erste Kündigung, die man aussprechen muss: Horror! Egal, wie gut du dich vorbereitest. So schlimm es sich anhört, aber man trainiert mit der Zeit, wie man selbst damit umgeht, wie andere damit umgehen, wie man auch das Gegenüber gut abholt. Das immer wieder zu üben und offen dafür zu sein, das hilft in der Entwicklung.

Und das macht auch die Führungskräfte aus, die ich bewundere: Menschen, die immer offen sind für Learnings, die permanent versuchen sich weiterzuentwickeln und aus Situationen zu lernen.

Guter Punkt. Ein Wachstums-Mindset ist eine der vier zentralen Eigenschaften von Growth Leadern. Wenn das Team wächst und du wächst nicht mit, dann hast du als Leader schlechte Karten. Das funktioniert einfach nicht.

Was ist deine Führungsvision? Was möchtest du schaffen?

Vier Werte sind mir sehr wichtig: Freiheit, Mut, Neugier und Mitgefühl. Das alles miteinander zu verbinden und immer wieder ein Check-in mit mir selbst zu machen.

Wie führe ich mich selbst? Damit fängt alles an. Wenn ich selbst unzufrieden und nicht richtig auf der Spur bin, dann kann ich keine gute Führungskraft sein.

Wenn ich nicht sortiert bin und mir das Ziel nicht klar ist, kann ich das auch meinem Team nicht richtig vorgeben.

Also immer wieder bei mir selbst anzufangen. Wenn etwas schiefgeht oder man sich aufregt, sage ich meinem Team: Du kannst nur dich selbst ändern, also fange genau da an.

Und dann radikal wertebasiert, Mindset-fokussiert zu arbeiten. Ein paar Sachen machen mich ganz fuchsig. Wenn man hinter dem Rücken über jemanden spricht und nicht direkt. Wenn man den Elefanten im Raum nicht anspricht, sondern drum herumredet. Ich sage dann immer: “State the obvious promptly“ – ein wunderschöner Satz!

Meine Führungsvision? Ich habe keine feste Vision, es ist eine kontinuierliche Entwicklung, ein ständiges Verbessern der Kommunikation und eine kontinuierliche Verbesserung der Zusammenarbeit mit verschiedenen Menschen.

Aimie-Sarah Carstensen

Und sich auch immer zu überlegen: In welchem Status ist das Unternehmen jetzt. Wenn man im Krisenmodus ist, braucht es viel mehr und engere Führung, engere Leitplanken. Wenn es supergut läuft und alle total motiviert sind, die Vision sehr klar ist, sind die Leitplanken breiter, man gibt wieder mehr Freiheiten und arbeitet auch selbst freier.

Und da sehr flexibel zu bleiben. Das ist der Schlüssel: Viele Learnings zu machen, flexibel zu bleiben und sich kontinuierlich der Situation anzupassen.

Du sprachst von den engeren Leitplanken in der Krise. Tatsächlich hat es euch in der Coronazeit ja Hardcore getroffen. Vor allem am Anfang. Ihr seid dann sehr kreativ damit umgegangen. Wirklich fantastisch, was ihr da geschafft habt. Aber was hat dich durch die schlimmsten Zeiten gebracht?

Ich stehe jeden Morgen auf und versuche einfach, mein Bestes zu geben.

Früher dachte ich regelmäßig: “Oh, das hätte ich noch besser machen können“ oder “Warum habe ich jetzt die Entscheidung getroffen und nicht eine andere?”

Das war nicht hilfreich. Irgendwann habe ich dann entschieden: Ich gebe einfach jeden Tag mein Bestes und das Beste ist gut genug. Das Beste ist jeden Tag anders. Je nachdem, wie viel Energie ich habe oder was mich im Moment gerade beschäftigt. Mehr kann ich dann an dem Tag nicht tun, das reicht. Diese Haltung hat mich sehr gut durch die Krise gebracht.

Ein Riesen-Learning war es auch, Flexibilität in der Führung zu gewinnen. Ich musste verstehen, dass in diesen Krisenzeiten oder auch jetzt mit meinem Management Team, eine ganz andere Rolle von mir erwartet wird, als ich sie davor hatte.

Vor der Krise haben viele Teammitglieder nach Empowerment gerufen, nach Freiheit und eigener Entscheidungsgewalt. Keiner sollte mitbestimmen.

In der Krise war das plötzlich ganz anders: Jetzt sollte ich die Entscheidungen treffen, ich sollte sehr dominant führen und sagen, wir laufen jetzt da lang und nicht da lang. Denn im Endeffekt nehmen nur wenige Menschen gerne ein Risiko auf sich.

Es war also eine ganz neue Rolle und anderer Führungsstil, der von mir verlangt wurde. Anfangs dachte ich: Das kann doch nicht sein, dass ich jetzt so bossy sein soll. Kann ich aber. Auf meine Art und Weise.

Das hat mir extrem geholfen: Zu verstehen, in welcher Unternehmensphase welche Art von Führung von mir verlangt wird. Und explizit danach zu fragen. Wie oft haben wir ein Bild davon im Kopf, wie wir sein sollten. Ich habe dann einfach nachgefragt: Was erwartet ihr in dieser Situation von mir? So, und dann habe ich die knallharte Antwort bekommen und wusste ganz genau, was zu tun ist.

Ich finde deine Erfahrung unglaublich spannend. Es zeigt, wie wichtig psychologische Sicherheit für das Team ist. Wenn es gut läuft, ist die Grundsicherheit im Team groß. Dann werden Freiräume geschätzt. Wenn die Grundsicherheit aber gering ist, wie in der Coronakrise, dann musst du als Leader diese fehlende Sicherheit kompensieren.

Sich klar zu sein: Als gute Führungskraft bin ich ein Secure Leader. Und die Sicherheit, die ich geben muss, hängt von den Umfeldfaktoren ab. Du hast das fantastisch beschrieben. Ich glaube, das sollten sich Führungskräfte noch viel klarer machen.

Absolut! Gleichzeitig, nicht zu glauben, dass man das alles selbst definieren muss. Für mich war es eine totale Erleichterung, einfach nachzufragen, was meine Teammitglieder von mir erwarten. Aber wie oft fragt man wirklich: “Was erwartet ihr jetzt von mir in dieser Situation?” Oft hat man Schiss, was dann als Antwort kommt. Denn das muss man ja dann auch abliefern. 

Aber es ist erstaunlich, wie oft ich in der Vergangenheit, was ganz anderes im Kopf hatte als das, was dann wirklich erwartet wurde. Diese Klarheit zu schaffen gibt so viel Frieden. Dann ist das einfach geklärt und steht nicht im Raum.

Das zu fragen finde ich super. Bei unseren Kunden tun wir das ja auch. Da fragen wir regelmäßig: Was wollt ihr eigentlich? Als Gründer hat man aber zwei Gruppen von Kunden. Die da draußen, aber auch die Kollegen, die genauso Kunden von einem sind und die man auch nach ihren Bedürfnissen fragen sollte. Das bringt einen wirklich weiter!

Kommen wir zur nächsten Frage: Du strahlst eine unglaubliche Energie aus. Was gibt dir diese Energie?

Ich mache mir schon immer viel Gedanken darüber, was mir Energie gibt und was mich Energie kostet. Und ich versuche, viele Energiekiller aus meinem Leben zu verbannen.

Wie schon gesagt: Wenn man etwas verändern will, muss man immer bei sich selbst anfangen. Und das dann verändern.

Ich brauche beispielsweise viel Schlaf. Mindestens sieben, siebeneinhalb Stunden. Ich halte schon mal mehrere Tage mit weniger Schlaf durch, merke dann aber, dass ich eine niedrige Grundenergie habe. Da steuere ich bewusst dagegen. Ich gehe früher aus dem Büro oder ich lasse Veranstaltungen aus. Vor allem, wenn ich genau weiß, dass ich eine anstrengende Woche vor mir habe, in der ich viel Energie brauche. Sich dessen sehr bewusst zu sein – das hilft.

Ein weiterer Hebel ist der Umgang mit Zeit. Wie oft sagen wir: Ich habe keine Zeit. Das stimmt aber nicht, wir nehmen uns keine Zeit. “Ich habe keine Zeit!” habe ich aus meinem Wortschatz verbannt. Stattdessen sage ich: “Dafür will ich mir keine Zeit nehmen” oder “Dafür nehme ich mir gerne Zeit”. Das ist ein kompletter Mindset Shift.

Zeit passiert mir nicht. Ich treffe eine aktive Entscheidung, mir für etwas Zeit zu nehmen und ich bin mir dann auch darüber bewusst, dass ich mir für andere Themen keine Zeit nehme. Damit aktiv umzugehen, hilft mir sehr, meinen Energiehaushalt zu managen.

Aimie-Sarah Carstensen

Schließlich liebe ich das, was ich tue. Ich gehe darin total auf, habe eine riesige Leidenschaft dafür und das gibt mir per se sehr viel Energie. Eigentlich habe ich immer viel Energie, schon beim Aufwachen. Für mich ist jeder Tag ein Geschenk, jeder Tag bietet die Möglichkeit, etwas zu verändern. Ich nutze mein Leben und meine Energie – wofür, das ist natürlich auch immer ganz unterschiedlich.

Ich hatte Phasen, in denen ich alles Mögliche probiert habe, vom 5am-Club bis zur Produktivitätsoptimierung. Heute glaube ich, man muss einfach nur auf sich selbst hören: Was tut mir gut, was nicht? Worauf habe ich jetzt Lust, worauf nicht? Und sich dann die Freiheit nehmen, danach zu agieren. Wenn ich merke, heute ist ein Tag, an dem ich mich nur im Bett vergraben will, dann muss ich mich an diesem Tag nicht durch alles durchboxen und es im Zweifelsfall doppelt machen. Dann akzeptiere ich das. OK, heute ist halt so ein Tag. Dann ist es halt so.

Das Gute: Und du hast es in der Hand. Selbst wenn du das Gefühl hast, andere saugen Energie von dir, dann sind es eigentlich nicht die anderen, sondern du lässt es zu. Sich dieser Möglichkeit der Selbstbestimmung bewusst zu sein und dementsprechend zu agieren, das gibt mir Energie.

Ja, super. Was ist denn das letzte gute Buch, was du gelesen hast?

Das ist „The Effektive Exekutive“ von Peter Drucker? Ein faszinierendes Führungs-Buch. Auch da geht es ganz viel um Selbstführung.

Dass man sich überlegt: Wie kann ich sinnlose Aktivitäten aus meinem Leben verbannen? Solche, die einfach nur die Zeit töten. Wie kann ich mich in der Arbeit auf meine Stärken konzentrieren, wie werde ich effektiv, in dem ich meine Stärken gut einsetze? Wie schaffe ich ein effektives Team, das gut mit mir zusammenarbeitet? Und wie entwickle ich mich kontinuierlich weiter, wie lerne ich?

Ein sehr, sehr schönes Buch mit auch sehr vielen pragmatisch guten Tipps darin. Für ein relativ altes Buch (Anmerkung: 1. Auflage in 1967) ist es ganz schön aktuell. Interessant, dass bei uns Menschen eigentlich immer wieder die gleichen Themen aufpoppen.

Und dass wir immer noch nicht verstanden haben, dass sich Produktivität nicht unbedingt an Zeit oder langen Arbeitstagen misst. Wie oft sprechen wir davon, effizient zu arbeiten. Aber was heißt das eigentlich? Und was heißt es, effektiv zu arbeiten? Eben nicht nur meine Zeit optimal einzusetzen, sondern uns an den richtigen Ergebnissen zu messen. Das fand ich ganz, ganz hervorragend.

Super, danke für den Tipp. Ich habe es auch schon gelesen und finde es großartig. Zum Abschluss: Welchen Rat würdest du einem First Time Leader geben?

Seinen eigenen Werten treu zu bleiben und authentisch zu bleiben.

Wenn Dinge echt schiefgelaufen sind, in meinen Teams oder unternehmerisch, dann hatte das meistens die Ursache, dass ich das Gefühl hatte, ich muss jetzt eine andere Rolle spielen oder dass ich andere nachgemacht habe.

Das führt dann manchmal dazu, dass man Menschen nicht gut behandelt, dass man Fehlentscheidungen trifft und dass man sich selbst ein bisschen verliert.

Ich glaube, ich bin dann die beste Führungskraft, wenn ich bei mir selber bleibe und meinen Werten treu bin. Dafür muss man sich intensiv Gedanken machen: Was ist mir wichtig, was akzeptiere ich, was akzeptiere ich nicht?

Es gibt immer wieder Unternehmer, die haben eine „Manager on one page“, auf der die zusammenfassen: Was ist mir wichtig? Wie ticke ich? Wie agiere ich? Warum tue ich das so? Ich arbeite auch gerade daran.

Sich seiner selbst bewusst zu werden, authentisch zu sein und seinen Werten treu zu bleiben. Das ist mein großer Tipp and First Time Leader.

Aimie-Sarah Carstensen

Wow, großartig. Kann ich nur so unterschreiben. Toller Ratschlag. Genau da zu starten: Wer bin ich eigentlich? Was ist mir wichtig?

Aimie, vielen, vielen Dank für dieses inspirierende Gespräch, denn da kommt wunderbar durch, wie ich dich erlebe! Vielen, vielen Dank.

3 Wege aus der Stressfalle

Wie geht es dir aktuell? Gestresst? Willkommen im Club.

Wir wollen Unternehmen aufbauen, das Unmögliche möglich machen. Wir überschreiten immer wieder Grenzen. Physisch und emotional. Unsicherheit im Markt, die Verantwortung für das Team, die Angst vor der nächste Finanzierungsrunde.

Stress ist unser täglicher Begleiter. Ein Begleiter, der uns oft genau den Energiekick gibt, den wir für die nächste Meile brauchen.

Und ein Begleiter, der uns gerne in den Rücken fällt: Schlaflose Nächte, wiederholte Krankheit, Vergesslichkeit. Der uns vom menschenfreundlichen Jekyll zum düsteren Hyde werden lässt.

Nachhaltig erfolgreich werden wir nur, wenn wir unseren Stress aktiv managen. Denn, wie der Mediziner Hans Selye sagte,

„It’s not stress that kills us, it’s our reaction to it.”

Unser Stresszyklus

Stress ist erst mal nicht schlecht. Er hat über Jahrtausende sichergestellt, dass wir die Flucht oder den Kampf mit den Löwen überleben. Einzelne Stresssituationen, die unsere höchste Konzentration und Energie brauchen.

Ein normaler Stresszyklus besteht aus 3 Phasen:

In der Vorphase löst ein Stressor den Stresszyklus aus. Der Abschlusstermin für ein großes Projekt naht, eine wichtige Entscheidung steht an, etwas ist so richtig in die Hose gegangen.

Es folgt die Alarmphase. Jetzt reagiert unser Körper mit all den bekannten Stresssymptomen. Die Atmung wird beschleunigt, der Blutdruck steigt, unsere Sinne sind auf das Äußerste geschärft, die Muskeln angespannt. Unser Stresssystem lässt uns zu Höchstleistung auflaufen. Ready to Strike.

Wir sind zu 100 % präsent, denken schneller und fokussierter. Und machen damit das Unmögliche möglich.

Wenn wir den Löwen verjagt haben, startet die Erholungsphase. Die Stresshormone werden allmählich verstoffwechselt. Wir kommen langsam wieder runter.

Für diese Art von akutem Stress sind wir gemacht. Er lässt uns lebendig fühlen, gibt uns das Gefühl stark und selbstbewusst zu sein.

Aber leider nicht beliebig lange. Irgendwann wird auch der beste Stress zu viel. Oder wie es bei den Handwerkern heißt: Nach fest kommt ab. Wir sind im besten Sinne überdreht.

Der Stress wird chronisch. Immer neue Stressoren verhindern, dass unser Körper auf Normalnull zurückfahren kann. Wir sind ständig auf Hab acht. Der Stresszyklus wird nicht mehr beendet. Die dauernde Bombardierung mit Stresshormonen schwächt unser System. Physisch und psychisch.

Ich kenne das aus vielen Gesprächen mit Gründern: „Ich kann nicht mehr abschalten.“ „Ich habe die Kontrolle verloren.“ Ganz schön beängstigend. Wenn wir jetzt nicht aufpassen, fahren wir mit dem Rad der Erschöpfung bis in den Burnout.

Die drei Wege der Stressreduktion

Zum Glück zeigt uns das Verständnis des Stresszyklus drei Wege zur aktiven Stressreduktion.

Du kannst

1. Die Anzahl der Stressoren reduzieren. Damit wird erst mal gar kein Stress ausgelöst.

2. Die Emotionen im Stress regulieren und damit sicherstellen, dass der Stress gar nicht erst so hochfährt.

3. Die Erholung beschleunigen, indem du die Verstoffwechselung der Stresshormone anregst.

Am besten entwickelst du Techniken für alle drei Ansätze der Stressreduktion.

Anzahl der Stressoren reduzieren

Viele unserer Stresssituationen können nicht vermieden werden. Unser Leben ist per se von unerwarteten und herausfordernden Situationen gekennzeichnet.

Aber es gibt immer auch Stressoren, die wir kontrollieren können. Allen voran alle möglichen Konflikte, innere und externe.

Externe Konflikte sind: Unterschiedliche Persönlichkeiten, unterschiedliche Ziele, fehlendes Vertrauen, falsches Umfeld oder externe Erwartungen und Normen.

Vor allem unausgesprochene Konflikte im Leadership Team können unglaublich belasten. Ein beliebtes Thema in den Volate Coachings.

Innere Konflikte entstehen oft aus übermäßigen Ansprüchen an uns selbst. Wir setzen uns unerreichbare Ziele oder arbeiten auf Themen, die uns eigentlich nicht liegen.

Wenn meine Stärke darin liegt, neues zu entwickeln, dann stresst mich eine Rolle, in der ich lauter Routine-Jobs habe. 

Mach dir eine Liste aller Themen, Menschen und Aufgaben, die dich stressen. Schaue auf all deine Lebensbereiche: Deine eigene Haltung, Routinen, Company, privates Umfeld. Lass nichts aus.

Überlege dir dann Lösungen für alle Stressoren: Passe deine Rolle an, delegiere Aufgaben, die dir nicht liegen, gehe die verdeckten Konflikte im Team an, lerne neue Führungsmethoden… Sei kreativ – und übernimmt die Kontrolle über dein Leben!

Mit diesem Wege wirst du schon einige Stresssituationen aus deinem Leben verbannen. Aber sicher nicht alle. Zeit, den zweiten Weg zu beschreiten.

Emotionen im Stress regulieren

Wir kennen das alle: Stress macht nicht die Situation, sondern unsere Reaktion darauf.

Ich habe Höhenangst. Auf einen hohen Turm zu steigen, stresst mich enorm. Andere lieben es, die Welt von oben zu sehen. Für sie ist es ein super Kick ganz nach oben zu steigen. Gleiche Situation, unterschiedlicher Wahrnehmung der Wirklichkeit. Angstbesetzt vs. Super Chance.

Benenne in den nächsten Stresssituationen deine Gefühle. Das ist das „Labeling“. Mit der Benennung abstrahieren wir unsere Gefühle und nehmen ihnen ihre Macht.

  • Benenne das Gefühl, das mit dem Stress verbunden ist kurz und knapp. Angst, Unsicherheit, Ärger…
  • Identifiziere die ersten Stresssignale. Wann musst du gegensteuern?

Jetzt kommt der zweite Schritt: Entwickle einen neuen Blick auf die Wirklichkeit. Das ist das Reframing. Du kannst stressige Situationen:

  • Neu interpretieren und ihr eine positive Bedeutung geben: Aus dieser Krise kann ich unglaublich viel lernen, hier kann ich endlich zeigen, was ich kann.
  • Normalisieren und das Drama raus: Ich habe das schon mal geschafft. Es ist völlig normal, dass ich das anstrengend finde.
  • In ihrer Bedeutung abwerten: Ist das wirklich so wichtig? Was kann ich hier überhaupt aktiv kontrollieren?

Und schließlich kannst du dir einen virtuellen „Panikraum“ bauen: Einen Spaziergang machen, deine beste Freundin treffen, meditieren, Kochen, Musizieren…

Und damit auch schon den dritten Weg einschlagen.

Beschleunigung der Erholung

Wir fühlen uns gestresst, solange die Stresshormone unseren Körper überschwemmen. Erst wenn wir sie verstoffwechselt haben, verlässt uns das Stressgefühl. Diesen Prozess können wir beschleunigen.

Spannenderweise gibt es eine ganze Reihe von Eingriffen, mit denen wir diesen Prozess beschleunigen können.

Gazellen, die sich nach erfolgreicher Flucht vor den Löwen schnell erholen wollen, machen es vor: Sie stellen sich hin und schütteln ihren ganzen Körper durch.

Auch wird können den Stress im wahrsten Sinne des Wortes abschütteln. Durch das Schütteln lösen wir die stressbedingte Anspannung in unseren Muskeln. Für den Körper ein klares Signal: Stress vorbei. Ähnlich gut funktioniert Sport oder Tanzen. Oder du schüttelst dich vor Lachen – z.B. über die Absurdität der Situation.

Atme tief ein und langsam aus. Auch langsamer Atem ist ein Zeichen an unseren Körper: Stress vorbei, runterfahren.

Triff freundliche Menschen – das gibt dir das Gefühl der Sicherheit. Und lass dich herzlich von Ihnen drücken. Big Hug! Umarmungen von mehr als 20 sec führen nachweislich zur Entspannung. Heul dich aus! Deine Tränen reduzieren die Stresshormone und setzen Hormone frei, die zur Steigerung des Wohlbefindens führen.

Sei kreativ und verarbeite so deinen Emotionen: Malen, schreiben, Musik machen. All das hilft uns, wieder in den Takt zu kommen.

Weise den Stress in die Schranken

Stress ist unser täglicher Begleiter. Aber es ist keiner, dessen Macht wir einfach hinnehmen müssen.

Mit dem Verständnis des Stresszyklus hast du drei effektive Hebel, aus der Stressfalle auszubrechen und seine positive Power zu nutzen. Du kannst

  • Deinen Alltag neugestalten und Stressoren rausschmeißen,
  • dem Stress eine neue Perspektive geben und
  • den verbleibenden Stress dann möglichst schnell abschütteln.

Viel Spaß beim Ausprobieren.

Und nun zu dir!

Wie kannst du deinen Stress bändigen?

  • Welche Stressoren kannst du aus dem Weg räumen?
  • Was sind deine typischen Stressgefühle, nenn sie beim Namen?
  • Welche Art des Reframings funktioniert für dich am besten?
  • Was ist dein Notfallset an Stressreduzierern?

Viel Erfolg beim Ausprobieren!

Mit der Anmeldung zum Newsletter stellst du sicher, dass du künftig keine Anregungen rund um Leading Myself, Leading my Team und Leading my Business verpasst.

Damit du dein Unternehmen und dein Team weiterhin mit all deiner Energie in den Höhenflug führen kannst!

Volate – Fliegt!

7 Fragen an Arkadi Jampolski von Wunderflats

Arkadi Jampolski hat Wunderflats 2015 gemeinsam mit Jan Hase gegründet.

Die Quintessenz von Wunderflats: Heimat schaffen, auch für Menschen, die nur temporär ein neues Zuhause suchen. Der Unternehmenszweck von Wunderflats basiert auf einer tiefen persönlichen Erfahrung. Beide Gründer haben erlebt, was es bedeutet, in schwierigen Zeiten eine echte Heimat zu finden.

Eine Heimat bietet Wunderflats nicht nur für die Nutzer der Plattform, sondern auch für das Team, das inzwischen aus 160 Mitarbeitern besteht.

Ich habe das Wunderflats-Management in gemeinsamen Workshops erlebt und war tief beeindruckt von der Kultur der Offenheit, des Respekts und des Miteinanders. Arkadi und Jan sind für mich echte Growth Leader!

Um so mehr freue ich mich, mit Arkadi in die „7 Fragen an“-Interviews zu starten.

Arkadi, was war für dich der größte Entwicklungsschritt auf dem Weg vom Gründer zum COO?

Der größte Entwicklungsschritt? Bescheidenheit im Kontext von Führung neu zu kultivieren.

Als Macher, ganz am Anfang von Wunderflats, war ich bescheiden gegenüber unseren Kunden. Wir haben ihnen Leistungen angeboten, aber nicht angenommen zu wissen, was sie wollen. Ich habe das Feedback bekommen, ob sie die Kaufentscheidung positiv oder negativ treffen. Auf Basis dieses Feedbacks konnten wir die Firma entwickeln und ein gutes Geschäftsmodell finden.

Jetzt beim Führen ist es wichtig, dass ich die neuen unternehmerischen Herausforderungen bescheiden angehe. Die Herausforderungen werden ja nicht weniger. Je erfolgreicher eine Firma ist, desto größer die Chancen und Herausforderungen.

Dabei ist es entscheidend immer einen kühlen bescheidenen Kopf zu bewahren. Bei Erfolgen und Misserfolgen. Sich klar zu sein: Ich bin verantwortlich für einige Chancen der Firma. Meine Kollegen sind für andere Chancen der Firma verantwortlich. Es gibt Überlappungen, alles ist in Bewegung, alles okay. Aber dieses bescheidene Teamwork, wo alle unterschiedlichen Teile der Verantwortung tragen, ist das Allerwichtigste.

Sprich, deine Vision ist ein Team of Teams und ihr seht euch als Leader of Leaders, statt alles alleine zu treiben. Super!

Gibt es in der Entwicklung deines Führungsansatzes Menschen, die dich inspiriert und weitergebracht haben?

Ja. Ich lese viele Bücher. Das Lesen der klugen inspirierenden Sätze ist super, es hebt auch noch meine Laune, aber es ist nur ein Beitrag für meine Entwicklung.

Viel weiter bringt mich das Beobachten von Führungspersonen, die ich direkt erleben darf. Daher sind die Leute, auf die ich am meisten schaue, die Menschen, die ich wirklich erlebe.

Da ist zum Beispiel mein Mitgründer Jan Hase, der einen wirklich radikalen Fokus auf die Sache hat und einen sehr hohen Anspruch an der Sache, was ich sehr genieße und inspirierend finde.

Wer mein Denken auch sehr prägt, ist unser CFO André, der außergewöhnlich ausgeglichen ist. Er ist zielstrebig, seltenst echt gestresst, emotional intelligent und rational. Er ist echt direkt und sowohl ein super Zuhörer, als auch ein super Erzähler.

Extrema funktionieren im Leben und im Arbeitsumfeld sehr selten. Wichtig sind Ausgeglichenheit und Balance, sowohl zwischen den Lebensbereichen als auch in jedem einzelnen Lebensbereich und in vielen Skills.

Arkadi Jampolski

Das ist in der Tat inspirierend. Tatsächlich ist gute Führung ohne Energie und Balance eigentlich nicht möglich. Das führt mich zur nächsten Frage:

Wie schaffst du es, in deiner Energie zu bleiben?

Was mir dabei hilft ist Wandern, seit neuestem auch Radfahren, Kiten, Sport draußen, Meditation jeglicher Form. Vieles läuft da unter dem Titel Detox Tätigkeiten. 

Auch das Coaching hilft mir sehr, sowohl mit Coach als auch mit anderen Unternehmern.

Ein Thema, das oft unterschätzt wird, ist die Beziehungspflege im Führungsteam. Mein Mitgründer Jan und ich, aber auch unser ganzes C-Level, nehmen uns sehr regelmäßig Zeit, um eine gute Teambeziehung zu entwickeln.

Arkadi Jampolski

Jan und ich haben seit der Gründung jede Woche eine „Tea Time“. Einen extra Slot, in dem wir über Dinge sprechen, die im Daily Business zu kurz gekommen sind. Diese Tea Time ist selten ausgefallen. Sie ist ein Schlüssel zum Erfolg von Wunderflats und hat mir sehr geholfen, in meiner Energie zu bleiben.

Großartig zu hören! Ich habe ja auch erlebt, wie gut ihr zusammenspielt. Leider erlebe ich immer wieder Gründerteams, die sich eben nicht die Zeit zur Beziehungspflege nehmen. Da wird es dann ganz schnell schwierig. Ich finde es großartig, dass ihr es so lebt und dass du das auch so nach außen trägst.

Kommen wir zur vierten Frage. Führung ist nicht immer leicht: Was bringt dich durch die schlimmsten Zeiten?

Unser Firmenzweck bringt mich durch die schwierigen Zeiten. Es ist der Sinn, warum ich es mache.

Wichtig ist natürlich auch das WIE: Das Pflegen der Beziehungen, wie wir die Firma aufbauen und die Prioritäten, die wir setzen. Es gehört zu unseren Werten, dass uns das wichtig ist.

Aber durch die allerhärtesten Zeiten bringt uns unser Firmenzweck, der sowohl mich als auch meinen Mitgründer dazu bewegt, die Herausforderung anzugehen, die Chancen zu ergreifen, auch wenn es echt manchmal schwer ist.

Arkadi Jampolski

Super. Es ist in der Tat oft der Sinn unserer Unternehmen, der uns weiterbringt, auch wenn es im Team knirscht. Und der sich eben oft auch aus unserer persönlichen Biographie ergibt.

Du sagtest vorhin, du liest viel. Was ist das letzte gute Buch, das du gelesen hast und gerne empfehlen würdest?

Ein sehr gutes Buch, was ich gerade zu Ende gelesen habe, ist “Die Kunst des Liebens” von Erich Fromm. Vielleicht kein Business Buch. Doch darin geht es um weit mehr als die romantische Liebe, wie man vielleicht auf den ersten Blick denkt.

Das Buch handelt von dem Verhältnis zu sich selbst und auch von der Liebe zur Arbeit, der Liebe zum Erschaffen und zum Wirken in der Welt. Und das finde ich sehr, sehr hilfreich. Sehr anregend, sehr inspirierend.

Auf Basis deiner Erfahrung: Was für einen Rat würdest du einem First Time Leader oder einem jungen Gründer geben?

Ich würde sagen: Herausforderungen sind anstrengend und wer glücklich sein möchte, muss auch riskieren, sehr traurig zu sein. Das eine geht nicht ohne das andere.

Bei einer engen Freundschaft machen wir uns verletzlich. Wir sind dann sehr glücklich, riskieren aber auch, stark verletzt zu werden.

Das lässt sich auch gut auf die Arbeit übertragen. Wenn du besonders viel lernen und wachsen möchtest, wenn du wirklich viel bewirken möchtest, wirst du sicher auch in gleichem Umfang Stress empfinden und vor scheinbar unlösbaren Problemen stehen.

Das ist der Moment, in dem ich empfehlen würde, an dein eigenes Potenzial zu denken. Und dein Potenzial zu nutzen: Chancen ergreifen oder Herausforderungen und Probleme lösen. Das, was in dem Moment wirklich geht.

Und eben nicht in die mentale Verteidigungshaltung zu gehen vor Problemen und Herausforderungen. Denn das ist es, warum du die Chance ergriffen hast, zu gründen oder eine Führungskraft zu werden, statt als Individual Contributor neue Herausforderungen anzugehen.

Es geht um das Potenzial, was in dir ist. Und das geht nur in diesem Spannungsfeld zwischen: Ich lasse mich auf die höchste Glücksekstase ein, und ich lasse ich mich gleichzeitig auch auf wirklich harte Zeiten ein.

Das gehört eben dazu. Die eigene Haltung kannst du stärken und gesünder leben, wenn du an dieses Potenzial denkst, und worauf du dich eingelassen hast.

Wow. Fantastischer Ratschlag. Das eigene Potenzial zu nutzen, aber auch zu akzeptieren, was ist. Sich klar zu sein: Es gibt Hochzeiten und es gibt Tiefzeiten. Sich nicht dagegen zu wehren, sondern da zu bleiben und weiter auf den Zweck hinzuarbeiten.

Das ist wirklich inspirierend!

Gibt es noch irgendwas, was du zum Abschluss gerne rüber rufen würdest.

Ja, und zwar vor allem an diejenigen, die an ähnlichen Themen arbeiten wie ich. Die probieren, Organisationen zu stärken umzubauen und weiterzuentwickeln.

Wir sind gerade 160 im Team. Wenn Wunderflats mal 1.000 und mehr Menschen im Team hat, möchte ich, dass wir ein dynamisches, kompetentes und organisiertes Netzwerk sind.

Alle unsere 160 Kollegen wollen einen Beitrag dazu leisten, dass mehr Menschen bei ihrer Lebensgeschichte mehr Möglichkeiten haben. Wohnen, das Thema unserer Firma, steht bisher noch oft im Weg der Möglichkeiten, die eigene Lebensgeschichte zu schreiben. Wir wollen, dass Wohnen die Lebensgeschichte fördert und mehr ermöglicht. So war es auch bei mir persönlich. Ich habe das meinen Eltern zu verdanken. Umzug in andere Länder, neue Möglichkeiten und neue Orte.

Wenn wir als Organisation probieren, etwas Großes zu verändern, müssen wir uns darauf einlassen, wie die Welt ist. Die Welt wird immer dynamischer, vernetzter und komplexer. Und in dieser Welt schaffen nicht unbedingt besonders große Firmen eine besonders große Verbesserung, sondern die besonders dynamischen, agilen und kompetenten Firmen und Organisationen.

Die Leute, die dann was verändern wollen, müssen sehr schnell und dynamisch reagieren. Als der Ukraine-Krieg begann, haben wir die Firma innerhalb von Tagen umgestellt und haben alles, was wir machen, kostenlos für die Geflüchteten aus der Ukraine angeboten. Damit konnten wir mehr als 15.000 Menschen helfen, eine Unterkunft zu finden.

Das ist die nächste Generation nach den durchoptimierten, monolithischen Organisationen, die zu ihrer Zeit große Beiträge geleistet haben.

Aber die Welt hat sich verändert und wir sind dabei, ein neues Kapitel zu eröffnen. Da geht viel. Es wird wahrscheinlich anders sein, als noch vor ein paar Jahrzehnten. Aber umso spannender.

Danke, Arkadi. Was ein fantastisches Schlusswort! Ein umwerfendes Plädoyer für eine neue Art der Führung. Bescheiden, dynamisch, aber mit großen Ambitionen. Ich wünsche euch alles Gute auf diesem Weg.

Raus aus den Turbulenzen der Skalierung!

Gerade noch lief alles so super – und plötzlich passt nichts mehr. Kunden und Team unzufrieden, Umsätze stagnieren, Stress im Führungsteam. Jetzt gilt es, das Unternehmen nochmal neu zu erfinden. Aber dann geht es wirklich ab…

Eigentlich hattet ihr gedacht, mit dem Markteintritt wäre das Schlimmste überstanden. Nun werdet ihr eines Besseren belehrt.

Was zunächst nach einzelnen Stolpersteinen aussah, wächst sich zu den Turbulenzen der Skalierung aus: Die Kunden werden anspruchsvoller, die Qualität hakt, Umsätze stagnieren, die Zufriedenheit sinkt, fehlende Strukturen produzieren Reibungsverluste. Und keiner fühlt sich verantwortlich.

Euer Unternehmen ist über sich hinausgewachsen.

Die Turbulenzen der Skalierung werden durch drei Veränderungen getriggert:

Neue Zielgruppe: Eure ersten Kunden waren Innovatoren, Menschen, die gerne was Neues ausprobieren. Leider sind das nur etwa 10% des Markts. Jetzt müsst ihr verstärkt die Mainstream-Kunden adressieren. Die aber eine ganz andere Sprache sprechen und andere Dinge von euch erwarten.

Unterdimensionierte Operations: Die wachsende Nachfrage bringt eure rudimentären Strukturen und Prozesse an die Grenze. Ohne Standardisierung und Professionalisierung kommt ihr jetzt nicht mehr weiter.

Wachsendes Team: Eure Teamgröße übersteigt die maximale individuelle Führungsspanne, die informelle Kommunikation erreicht nicht mehr jeden. Faustregel: # Kollegen > # der Gründer x 15-25. Sprich bei zwei Gründern findet der Übergang in die Turbulenzen bei 30 bis 50 Mitarbeitern statt

Die Turbulenzen sind nach der ersten Gründungsphase die zweite Gefahren-Zone des Lebenszyklus. Je länger ihr in dieser Phase bleibt, desto größer die Gefahr, dass ihr wichtige Kollegen und Kunden, die strategische Orientierung und eure ganze Energie verliert.

Eure wichtigste Aufgabe in dieser Phase: Raus aus dem ad hoc und das Unternehmen neu erfinden. Organisatorisch und strategisch.

Die Top 5 Erfolgsfaktoren

Ihr kommt erfolgreich durch die Turbulenzen, wenn ihr systematisch an diesen Top 5 Erfolgsfaktoren arbeitet:

• Institutionalisierung
• Inspirierende Vision, klare Ziele
• Echte Führung etablieren
• Wachstumskultur schaffen
• Umfassende Kommunikation

Institutionalisierung
Mit der Institutionalisierung macht ihr explizit, was vorher einfach passiert ist: Verantwortlichkeiten, Strukturen, Prozesse. Lohnenswerte Arbeit, die dazu führt, dass alle ohne übermäßigen Abstimmungsbedarf Hand in Hand arbeiten können. Auch wenn das nicht dein Lieblingsthema ist: Nur wenn du die Institutionalisierung als Gründer und CEO sichtbar und glaubwürdig unterstützt, wird sie von der Organisation angenommen.

Speziell an dieser Phase ist es, dass wir uns ständig fragen, wie wir uns selber überflüssig machen können. Also: Wie schaffen wir es, uns selber als Gründer durch Institutionen oder Prinzipien abzulösen, damit das Unternehmen auch ohne uns erfolgreich agieren kann. Das finden wir zurzeit eigentlich das Prägendste.

Alex Mahr & Jan Sedlacek, Stryber

Fokussiert euch bei der Institutionalisierung auf die Erarbeitung minimaler, unverhandelbarer Strukturen. Ihr wollt ja keine Bürokratie werden. Stellt vor allem sicher, dass alle im Team wissen, was ihre Verantwortung ist. „Jeder macht alles“ geht jetzt nicht mehr.

Am besten setzt ihr euch jetzt im Führungsteam zusammen und definiert, welche Schlüsselrollen ihr benötigt. Green Field. Erst die Verantwortlichkeiten definieren, dann mit den richtigen Menschen besetzen. Seid dabei mutig und plant nicht um einzelne Menschen herum!

Inspirierende Vision, klare Ziele

Der Ruf „Wir brauchen eine Vision!“ zeigt, dass dem Team die Orientierung fehlt. Nehmt das ernst, denn eine gemeinsame Vision und Mission ist für alle ein wichtiger Motivator.

Erarbeitet eure Mission und Vision und macht sie für alle greifbar. Setzt euch in diesem Zuge auch mit den Bedürfnissen eurer Mainstreamkunden auseinander – denn nur sie bringen euch das erwünschte Wachstum.

Hinterlegt eure Mission und Vision dann mit einer überzeugenden Strategie und klar priorisierten Jahres- und Quartalszielen. Für die gesamte Organisation und für jedes einzelne Team. Klarheit statt Ad hoc und ständiger Repriorisierung!

Und etabliert ein Management Operation System, mit dem ihr sicherstellt, dass jeder im Unternehmen jederzeit weiß, wohin die Reise geht. OKRs (Objective, Key Results) oder Bid Systeme sind jetzt eine super Idee.

Echte Führung etablieren

Euer Unternehmen ist inzwischen so groß geworden, dass ihr die direkte Führung an erste Zwischenebenen übergebt und damit in eine neue, übergreifende Führungsrolle kommt. Leader of Leaders.

Entwickelt eure Leader systematisch. Helft den Mitstreitern der ersten Jahre in die Führung hineinzuwachsen. Ergänzt euer Team mit erfahrenen Führungskräften von außen. Passt dabei aber auf, dass diese Menschen wirklich zu eurer Kultur passen. Viele Konzernleute sind von der besonderen Dynamik eurer Entwicklungsphase völlig überfordert. Nehmt euch die Zeit, sie ins Team zu integrieren und mit klaren Prioritäten zu führen. Dann profitieren alle.

Erweitert euer Gründerteam zum Leadershipteam. Dein Job ist es, dieses Team zum Hochleistungsteam zu machen. Schafft ein Klima des Respekts und Vertrauens, definiert gemeinsam die Ziele und Verantwortung des Teams, erarbeitet eure Strategie und formt eure Kultur. Stellt sicher, dass alle im Unternehmen wissen, wo ihr steht und woran ihr arbeitet. Und gewinnt über die sukzessive Lösung der großen Herausforderungen dieser Phase das Vertrauen des Teams.

Wachstumskultur schaffen

In der Turbulenzphase wird eure Kultur zu einem zentralen Führungsinstrument. Denn sie institutionalisiert dich und deine Mitgründer. Du bist der „Chief of Culture“.

Startet mit einem Review der aktuellen Kultur: Was passt? Wo haben sich Verhaltensweisen eingeschlichen, die ihr nicht wollt? Macht euch eure Werte bewusst und lebe sie gemeinsam mit dem Führungsteam vor. Überprüft auch, ob eure neuen Strukturen mit eurer Zielkultur harmonieren. Prägt eure Wachstumskultur jetzt ganz bewusst.

Umfassend kommunizieren

Schließlich geht in dieser Zeit der Veränderung nichts über eine umfangreiche Kommunikation. Euer Team, aber auch eure Kunden und Investoren müssen verstehen, was gerade passiert. Da die direkte Kommunikation nicht mehr funktioniert, musst du neue Wege finden. Kommuniziere viel und in möglichst vielen Formaten. Stell sicher, dass wirklich jeder weiß, wohin eure Reise geht.

Bleibt in eurer Energie!

Die Phase der Turbulenzen ist für dich besonders herausfordernd. Spätestens jetzt wirst du vom Gründer zum CEO. Statt selbst zu machen, gibst du künftig vor allem die grundsätzliche Ausrichtung vor und hältst nach, ob sie umgesetzt wird.

Gehe diesen Schritt ganz bewusst. Mach dir das Für und Wider deiner neuen Rolle klar und entscheide dich. Ein guter Start in diese neue Phase ist ein umfassender Review deiner Führungskompetenz. Erhebe mit einem 360-Grad-Feedback, wo du jetzt als Führungskraft stehst und korrigiere, wo nötig.

Macht dir klar, dass die notwendigen Leadership Skills erlernbar sind. Genieße die Entwicklung vom Gründer zum CEO, denn damit gewinnst du ein ganz neues Spektrum an Fähigkeiten, Power und individueller Freiheit.

Die Anstrengungen der Turbulenzen zeigen sich auch im Leadershipteam. Oft ist die Stimmung angespannt. Schnell kommt es zu Schuldzuweisungen. Kritische Themen werden ausgeschwiegen und produzieren gefährliche schwarze Löcher. Die Begeisterung des Teams für die Unternehmer wird abgelöst von Abwehr und Frustration.

Dieses Wechselbad der Gefühle könnt ihr nur bewältigen, wenn ihr alle kritischen Themen radikal offen, vertrauensvoll und mit Respekt für die unterschiedlichen Positionen diskutiert. Nutzt regelmäßige Strategie-Offsites, um über eure Rollen und Herausforderungen zu diskutieren. Was ist euch wichtig? Was wollt ihr weiter machen? Was abgeben? Wie stellt ihr euch die Zukunft vor?

So heftig diese Phase auch immer sein mag. Ihr seid nicht allein. Jedes erfolgreiche Unternehmen hat diese Phase schon erlebt – leider sprechen nur die wenigsten darüber. Sucht euch daher am besten einen Sparringspartner, der die Herausforderungen dieser Phase aus eigener Anschauung kennt und dich und das Leadership Team auf dieser Reise begleitet.

Die Turbulenzen sind eine Phase des Auf und Abs. Wenn ihr sie aber diszipliniert und sicher durchfliegt, werdet ihr euer Team schon bald in den Höhenflug gebracht haben. Und dann könnt ihr viel höher fliegen, als ihr das je erwartet hättet.

Und nun zu dir!

Erkennst du euch in den Herausforderungen wieder?

  • Welche Wachstumsschmerzen erlebt ihr?
  • Wie geht ihr dem Team die Orientierung, die es jetzt braucht?
  • Wie geht ihr das Thema Organisation und Führung an?
  • Wie schafft ihr ein High Performance Leadership Team?
  • Wie kommst du mit dem Wechselbad der Gefühle zurecht?

Viel Erfolg beim Ausprobieren!

Mit der Anmeldung zum Newsletter stellst du sicher, dass du künftig keine Anregungen rund um Leading Myself, Leading my Team und Leading my Business verpasst.

Damit du dein Unternehmen und dein Team weiterhin mit all deiner Energie in den Höhenflug führen kannst!

Volate – Fliegt!

Bild von Thiebaud Vaerman